Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/222

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

in Frage kamen. – Zeuge Buchhändler Mandus erklärte, er müsse sich entschieden dagegen verwahren, daß behauptet werde, er sei wegen Geisteskrankheit entmündigt. Er müsse sich dies ein für allemal verbitten. Er sei nicht geisteskrank. – Der Vorsitzende erklärte, daß dann ein Irrtum des Gerichts vorliege. In den Akten sei eine solche Bemerkung vorhanden. Der Zeuge Mandus wurde vereidigt. – Hierauf folgte das Gutachten des Oberarztes Dr. Edmund Forster, der den Angeklagten sechs Wochen in der Charité beobachtet hatte. Er erklärte: Zeichen einer Geisteskrankheit im engeren Sinne seien nicht hervorgetreten, ein Intelligenzdefekt sei nicht gefunden. Das Benehmen des Angeklagten sei im großen und ganzen korrekt gewesen, sein Auftreten sicher, er habe sich stets auf den Standpunkt gestellt, daß er geistig gesund und unschuldig sei. Er sei leicht erregbar; bei dem geringsten Anlaß geriet er sofort in heftige Erregung und erging sich in lauten geschmacklosen Schimpfereien. Solche Erregungszustände kamen allerdings nicht ganz ohne Veranlassung vor; auch beruhigte er sich immer nach kurzer Zeit. Der Angeklagte sei ein abnorm veranlagter Mann, von impulsiver, psychopathischer Konstitution. Er will alle seine Wünsche befriedigt haben, ohne an die Folgen zu denken. Ein relativ unbedeutender Anlaß sei für ihn die Ursache gewesen, einen schweren Selbstmordversuch zu begehen. Er sei nicht imstande, eine geordnete Tätigkeit dauernd zu leisten, und sehe niemals ein, daß die Schuld an ihm liege. „In seinem ganzen Leben prägt sich die Haltlosigkeit und die Unfähigkeit, sich zu konzentrieren, aus. Seine Straftaten tragen alle den Stempel seiner abnormen Persönlichkeit. Bei seiner ganzen Veranlagung erscheint es glaubhaft, er ist fest davon überzeugt, daß das Zustandekommen seiner Heirat nur von ihm abhängig sei. Als aus der Heirat nichts wurde, kehrte er wieder zu der früher angewandten Methode des Gelderwerbes zurück. Der Angeklagte ist leichtgläubig und hat die Tendenz, alles

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/222&oldid=- (Version vom 25.12.2022)