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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

für sich in günstigem Lichte zu sehen. Alles in allem hat man es mit einer wohl erblichen psychopathischen Konstitution zu tun, zu der sich vielleicht ein leichter Schwachsinn gesellt hat. Zu der leichten Erregbarkeit des Angeklagten kommt eine sogenannte ethische Verkümmerung, die auf falsche Erziehung zurückzuführen ist. Das Gutachten des Sachverständigen ging zum Schluß dahin, daß § 51 auf den Angeklagten nicht anzuwenden sei, daß aber doch wegen seiner ganzen Veranlagung die unter Anklage stehenden Handlungen anders zu bewerten seien, als bei ganz gesunden Menschen. – Als der Sachverständige auf die in den Akten befindlichen Mitteilungen des Vaters zurückkommen wollte, protestierte der Angeklagte energisch und rief: „Was mein Vater gesagt hat, ist alles erlogen, erlogen, erlogen! – Vors.: Schön ist es nicht, daß Sie so von Ihrem Vater sprechen. – Angeklagter: Ich kann leider nicht anders. Wenn ich ihm eine Millionärin gebracht hätte, wäre es ihm gewiß recht gewesen. Weil meine Frau keine Millionen hat, ist sie nicht genehm. Aber eine große künstlerische Kraft hat doch ebensoviel Wert wie die Millionen! – R.-A. Dr. Alsberg: Wenn Sie die Differenzen, die der Angeklagte mit seinem Vater gehabt hat, vom psychologischen Standpunkt aus betrachten, meinen Sie nicht, daß diese Vorgänge auf ihn psychisch schädigend einwirken mußten? – Sachverst.: Hierauf kann ich nicht antworten, da ich die Dinge nur einseitig kenne und mir auch über die Persönlichkeit des Vaters nichts Näheres bekannt ist. – Es kam hierauf zur Sprache, ob der Selbstmordversuch, den der Angeklagte im Alter von sechzehn Jahren unternommen hatte, darauf zurückzuführen war, daß er das Einjährigen-Examen nicht bestehen konnte. Angeklagter: Das ist doch noch kein Grund zum Selbstmord. Mein Vater hatte mir Himmel und Hölle, Tod und Teufel angedroht, wenn ich nicht durch das Examen käme. – R.-A. Dr. Alsberg: Der Zeuge Meschede hat gestern bekundet, daß der Angeklagte in Bonn unter anderen Verhältnissen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/223&oldid=- (Version vom 25.12.2022)