Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/244

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Handlungen. Dieses ganze Strafverfahren spielt gegenüber der Hauptsache eine untergeordnete Rolle. Der Angeklagte kann sich nimmermehr darüber beklagen, daß er irgendwie ungerecht behandelt worden sei. Er steht der Justizverwaltung nicht anders gegenüber, wie irgendein anderer Sterblicher, er ist nicht besser und nicht schlechter wie jeder andere behandelt worden. Hierbei will ich zu der Klage des Angeklagten über seine Behandlung im Gefängnis betonen, daß er nicht deshalb disziplinarisch bestraft ist, weil er sich nicht vom Bett erhob, als der Oberaufseher kam, sondern, weil er sich dem Oberaufseher gegenüber unangemessen benommen hatte. Nach meiner Meinung hätte dieser Prozeß in ein oder zwei Tagen erledigt werden können; er bietet nichts Außergewöhnliches, es handelt sich um ganz banale Betrugshandlungen. Wenn dieser Prozeß so großes Aufsehen erregt, so ist dazu seitens der Behörde nichts geschehen. Aber der Angeklagte, der alle Veranlassung gehabt hätte, im Interesse seiner Familie und seines Namens alles Aufsehen zu vermeiden, hat alles getan, um fortgesetzt Tamtam in der Presse schlagen zu lassen. Trotz des so künstlich entfachten Aufsehens hätte sich dieser Prozeß wohl in dem gewöhnlichen Rahmen abgespielt, wenn nicht am ersten Tage der Verhandlung der seltsame Antrag auf Ablehnung des Gerichtshofes gekommen wäre. Ich muß diesen Antrag beleuchten, weil aus dessen Stellung doch der Schluß zu ziehen ist, daß der Angeklagte und seine Verteidiger einsahen, wie schlecht die Sache des Angeklagten stand. Schon die Stellung dieses Antrages erst in der Sitzung ist seltsam. Es ist doch gang und gäbe, daß vorher dem Gericht Gelegenheit gegeben wird, den behaupteten Sach- verhalt sofort klarzustellen. Dies war um so mehr geboten, als es den Verteidigern bekannt war, daß weder dem Gericht noch mir die Akten in der Sache Stallmann bekannt waren. Aber das schadete nichts: die Sache sollte plötzlich, wie ein Blitz, in die Verhandlung hineinfahren,

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/244&oldid=- (Version vom 28.12.2022)