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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

zu nehmen, die durch die Sache selbst geboten erscheint. Ich habe dann auch, als mir bekannt wurde, daß Frau Wertheim nicht erscheinen würde, sofort auf mehrere Zeugen verzichtet, die Frau Wertheim erheblich mehr kompromittiert hätten, als es bisher geschehen ist. Wenn der Staatsanwalt im Laufe der Verhandlung gesagt hat, die Verteidigung hätte aus einem Prozeß Wolff-Metternich einen Prozeß Wolf Wertheim gemacht, so sage ich ihm, daß er die Sache Stallmann zu der Sache Wolff-Metternich gemacht hat. Der Staatsanwalt hat während der ganzen Verhandlung alle diejenigen Zeugen, die günstig für den Angeklagten aussagten, im Gegensatz zu den übrigen, in einer Weise behandelt, wie es mir noch nicht vorgekommen ist. Ich behaupte ferner, daß der Staatsanwalt die Prostituierte Gustke besser behandelt hat wie den Zeugen Amtsgerichtsrat Graf von Schulenburg. Und wie ist der alte Major a. D. Pauli hier behandelt worden. Der Herr ist preußischer Major a. D., das ist doch was! Er hat das Eiserne Kreuz und andere Ehrenzeichen. Daß er auch einmal in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, ist doch keine Schande, und daß er Orden vermittelt, schändet doch auch nicht. Das machen noch ganz andere hochstehende Persönlichkeiten, wie wir ja unter Beweis gestellt haben. Das Vermitteln von Orden ist also durchaus nichts Schimpfliches. Trotzdem hat der Staatsanwalt alle ihm zu Gebote stehenden Hilfsmittel benutzt, um in das Vorleben des Zeugen hineinzuleuchten. Was hat der Staatsanwalt aber noch getan? Er ist noch viel weiter gegangen! Er hat in das Eheleben des Angeklagten hineingeleuchtet und wollte hier die internsten Dinge aus den Privatverhältnissen der Ehefrau aufdecken. Der Staatsanwalt ist aber, trotzdem es fast unglaublich ist, noch weiter gegangen. Gestern sind in der Wohnung der Eltern der Ehefrau des Angeklagten in Wien Polizeibeamte erschienen und haben versucht, alle möglichen Dinge über ihre früheren Beziehungen zu erfahren. Dies kann nur vom Staatsanwalt

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/254&oldid=- (Version vom 30.12.2022)