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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

er ist sogar so weit gegangen, zu behaupten, daß die Verteidigung damit bezweckt habe, Frau Wertheim abzuschrecken, damit sie nicht zum Termin erscheinen solle. Die Verteidigung weist diesen Vorwurf, der zu absurd ist, mit aller Schärfe zurück. Ich will hier aber darauf hinweisen, daß es manchmal sehr angebracht wäre, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Hilfsorgan, die Kriminalpolizei, anweisen würde, mit ihren Pressenotizen etwas vorsichtiger zu sein. Man kann es täglich beobachten, daß über irgendeinen Menschen, der in den Verdacht gerät, irgendeine strafbare Handlung begangen zu haben, die unglaublichsten gefärbten Notizen durch ein bekanntes polizeioffiziöses Bureau verbreitet werden, so daß der Betreffende von vornherein als eine Art Raubmörder erscheint. Es ist Pflicht der Verteidigung, eine gewisse Stimmung hiergegen zu machen, damit die Öffentlichkeit auch das hört, was die Verteidigung sagt. Ich will nun auf die Behauptung des Staatsanwalts, wir leuchten in das Privatleben von Zeugen hinein und kramen siebzehn Jahre zurückliegende Dinge aus, eingehen. Das ist nicht wahr, gerade das Gegenteil ist der Fall. Wir haben gehört, daß gerade diejenige, die von uns angegriffen worden ist, sich selbst nicht gescheut hat, in ihrem Schlüsselroman „Baron Max“ in die intimsten Familienangelegenheiten ihres ehemaligen Verwandten hineinzuleuchten und ihn in der Öffentlichkeit bloßzustellen. Ich muß dem Herrn Staatsanwalt auch hier wieder einen uns gemachten Vorwurf zurückgeben. Entweder hat der Staatsanwalt das ganze Prozedieren nicht verstanden, oder er will es nicht verstehen und behauptet nun wider besseres Wissen jene Dinge. Ich will anerkennen, daß Frau Wertheim in der ersten Verhandlung auf mich einen überraschend sicheren und guten Eindruck gemacht hat. Wenn ich jedoch nach- her erfahre, daß sie an einer Art Großmannssucht leidet und außerdem ihre eigenen Verwandten falsch denunziert hat, dann habe ich als Verteidiger nur noch diejenige Rücksicht

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/253&oldid=- (Version vom 30.12.2022)