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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

einigermaßen wieder gutzumachen. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände beantrage ich eine Gesamtstrafe von einem Jahre sechs Monaten Gefängnis. – Der Angeklagte protestierte gegen die Behauptung des Staatsanwalts, daß er von seiner Familie verstoßen sei und bat, durch ein Telegramm an seinen Vater das Gegenteil festzustellen. – Der Vorsitzende verwies den Angeklagten darauf, daß der Vater seine Zeugenaussage verweigert habe. – Verteidiger, R.-A. Dr. Jaffé: Ich muß zunächst mein Bedauern aussprechen, daß der Staatsanwalt bei seinen Ausführungen wieder damit angefangen hat, Dinge, die wir als erledigt erachteten, hineinzuziehen. Es handelt sich um persönliche Angriffe des Staatsanwalts, und ich bin genötigt, kurz darauf einzugehen. – Der Verteidiger ging alsdann auf die einzelnen Punkte ein, welche der Staatsanwalt ihm vorgeworfen hat und fuhr hierauf fort: Es ist schon unrichtig, was der Staatsanwalt bezüglich der Haft des Angeklagten gesagt hat: Wir müssen uns an das, was nicht nur in der Anklage, sondern auch an das, was in dem Eröffnungsbeschluß steht, halten. In dem Eröffnungsbeschluß steht wörtlich: „Seit dem 23. Dezember 1910 in dieser Sache in Haft.“ Es ist also unrichtig, wenn der Staatsanwalt sagt, Metternich sitze in der Stallmannsache in Haft. Die ganze Anklage ist juristisch so schwach, juristisch so inhaltlos, wie selten eine Anklage, trotzdem sie von dem Oberstaatsanwalt unterzeichnet ist. Sie ist sicherlich auch nur von einem Referendar verfaßt worden, der es jedenfalls nicht bis zum Assessor bringen dürfte. Was die Form des Ablehnungsgesuches anlangt, so fehlt anscheinend dem Staatsanwalt jedes Verständnis dafür, daß die Verteidigung bei einem Angeklagten, der unter so schwerem Verdacht steht und so lange in Haft sitzt, alle Bedenken, die er gegen die Objektivität eines Gerichtshofes hat, zur Sprache bringen muß. Der Staatsanwalt hat weiter behauptet, daß die Verteidiger gewisse Nachrichten in die Presse lanciert haben, um Stimmung zu machen,

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 248. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/252&oldid=- (Version vom 30.12.2022)