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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

hat. Hier bestätigt sich wieder die alte Erfahrung, daß, wenn die Staatsanwaltschaft jemand als Belastungszeugen braucht, sie die auffälligsten Dinge als unbedenklich hinstellt. Wenn in diesem Falle überhaupt jemandem ein Vorwurf zu machen ist, so ist er in erster Linie der Firma Hälsen zu machen, die aus der Verlegenheit des Angeklagten einen großen Nutzen gezogen hat und nicht im Zweifel darüber sein konnte, daß der Wagen noch nicht bezahlt war. – Der Herr Staatsanwalt hat in seinem gestrigen Plädoyer seinen Rückzug in zweidrittel der Anklagefälle durch ein auf die Verteidigung gerichtetes Geschützfeuer zu decken versuch. Wenn ihm diese persönliche Fanfare nach seiner sachlichen Chamade eine Befriedigung war, so gönne ich sie ihm. Meine Befriedigung in dieser Sache ist die Überzeugung, daß es nur eine Seite in dieser Verhandlung gab, auf der es mich reizen konnte, als Mensch und Jurist zu kämpfen: die Seite des Angeklagten! – Staatsanwaltschaftsrat Dr. Porzelt: Es sind gestern kräftige Worte hier gesprochen worden, Worte, wie sie selten hier im Saale gehört worden sind. Ein Rechtsanwalt hat dem Gericht für den Fall, daß es zur Verurteilung des Angeklagten käme, einen Rechtsbruch vorgeworfen; ein Rechtsanwalt hat erklärt, daß die Anklage, die der Oberstaatsanwalt unterzeichnete, wohl von einem Referendar verfaßt worden ist, der es niemals zum Assessor bringen werde. Derartiges richtet sich von selbst. Die Verteidigung hat es eben immer darauf abgesehen, die Staatsanwaltschaft anzugreifen. Sie übersieht aber den einen Punkt, daß nämlich gar nicht die Staatsanwaltschaft allein in Betracht kommt, daß vielmehr auch die Strafkammer das ganze Material zu prüfen hat und daß dann erst das Hauptverfahren selbst eröffnet wird. Wie können also die Verteidiger fortgesetzt ihre Angriffe gegen die Staatsanwaltschaft richten! Es ist nun immer wieder betont worden, die vorliegende Anklage sei eine Verlegenheitsanklage, indem man von der Erwägung ausgeht, daß

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/263&oldid=- (Version vom 31.12.2022)