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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

geglaubt hat, in das Privatleben der Ehefrau des Angeklagten hineinleuchten zu sollen. Er hat dabei Dinge vorgebracht, die gar nicht im Zusammenhange mit dieser Strafsache stehen, er hat sogar in Wien durch Kriminalbeamte bei den Pförtnersleuten der Schwiegereltern des Angeklagten fragen lassen, ob etwas Ungünstiges über das Leben der Frau Gräfin festgestellt werden könne. – R.-A. Dr. Alsberg: Es ist unrichtig, wenn der Staatsanwalt die größere Hälfte der Schuld auf die Eröffnungskammer abwälzen will. Die Anklageschrift soll genau angeben, worin der strafbare Tatbestand zu finden ist. Aber diese Anklageschrift läßt manchmal überhaupt nicht erkennen, wer geschädigt ist. Sie weist viele Fehler auf. Für solche Fehler darf sich die Staatsanwaltschaft nicht auf die Eröffnungskammer berufen. Es ist ja bekannt, daß von oben nach unten hin sehr oft Ideen gegeben werden, und es ist kein Geheimnis, daß der Justizminister den Landgerichtsdirektoren häufig seine Auffassung über die Stimmung mitteilt. Ja, der Justizminister hat sogar einem bestimmten Richter in einem Falle über die Auslegung des G.-m.-b.-H.-Gesetzes Mitteilung gemacht. Die Verteidigung hat bei dem Ablehnungsgesuch den Zweck verfolgt und erreicht, eine Klärung darüber zu schaffen, in welchem Umfang die Beweisaufnahme zulässig war. Was den Vorwurf betrifft, daß sich die Standesgenossen gegen uns gewandt haben wegen der Art der Verteidigung, so habe ich heute morgen das entgegengesetzte Urteil aus dem Munde eines hochangesehenen Kollegen gehört. Ich habe erst vor kurzem einen höchst dramatischen Vorfall hier oben im Schwurgerichtssaal erlebt. Die Staatsanwaltschaft stellte durch Befragung einer Zeugin fest, daß die Frau des Angeklagten früher unter sittenpolizeilicher Kontrolle gestanden hatte. Der Angeklagte, der keine Ahnung hiervon hatte, brach bei diesen Feststellungen völlig zusammen. Es ist ein interessanter Zufall, daß in dem Augenblick, wo wir hier diese Dinge behandeln, in den „Münchener Neuesten

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 263. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/267&oldid=- (Version vom 2.1.2023)