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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

werden. Ich bin am Ende meiner Ausführungen. Dank der großen Bemühungen der Untersuchungsbehörde und der technischen Fortschritte auf dem Gebiete der Photographie ist es gelungen, zwei Jahre nach der Tat den „Gymnasialoberlehrer“ in Rio de Janeiro festzunehmen und der gerechten Strafe zuzuführen. Die große Kaltblütigkeit und Ruhe, die der Angeklagte bis zum letzten Augenblick an den Tag gelegt hat, spricht zweifellos dafür, daß er auch die Tat mit Ruhe und Kaltblütigkeit begangen hat. Sorgen Sie durch Ihren Urteilsspruch dafür, meine Herren Geschwornen, daß die furchtbare Tat eine entsprechende Sühne erfährt. Milde hat der Angeklagte jedenfalls nicht verdient. Bejahen Sie die Schuldfrage wegen Mordes. – Vert. R.-A. Dr. Boré: Ich stimme dem Herrn Staatsanwalt[WS 1] bei, es ist ein schweres Verbrechen, das Ihrer Beurteilung unterliegt und eine entsprechende Strafe rechtfertigt. Ich könnte mich nicht einen Anwalt des Rechts nennen, wenn ich das in Abrede stellen wollte. Allein ein Todesurteil läßt sich weder vom juristischen noch vom menschlichen Standpunkt aus rechtfertigen. Daß der Angeklagte mit dem Vorsatz in die Hirsch-Apotheke eingedrungen ist, um einen Menschen zu töten, ist in keiner Weise erwiesen. Solange aber dieser Beweis nicht geführt ist, dürfen Sie die Schuldfrage wegen Mordes nicht bejahen. Es ist auch nicht erwiesen, daß der Angeklagte ein professionierter Einbrecher gewesen ist. Er ist jedenfalls einer solchen Tat wegen niemals auch nur angeklagt gewesen. Mit Vermutungen kann man doch nicht operieren. Der Angeklagte wußte, was ihm unter Umständen bevorsteht, er hat deshalb hartnäckig geleugnet. Das spricht aber noch nicht dafür, daß er die Absicht hatte, einen Menschen niederzuschießen. Die Tat ist ihm zweifellos vom Augenblick eingegeben worden. Der Umstand, daß er stets eine Schußwaffe bei sich trug, ist auch nichts Auffälliges. Der Angeklagte hat in Berlin in Cafés verkehrt, in denen jeder dritte Mann eine geladene Schußwaffe bei

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Staatsanwallt
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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/71&oldid=- (Version vom 10.12.2022)