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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1

aufgehängt, damit man glauben solle, der Mann habe einen Selbstmord begangen. Es wurde ferner festgestellt, daß ein Einbruch in die daselbst belegene Kirche versucht worden sei. Wahrscheinlich seien die Einbrecher von dem Nachtwächter überrascht worden. Daß das sich in jener Gegend umhertreibende Gesindel den Beamten erschlagen hatte, schien kaum zweifelhaft, aber trotzdem blieb die Tat in Dunkel gehüllt.

Sehr bald aber fiel der Verdacht auf das Heinzesche Ehepaar. Hermann Heinze, ehemals ein hübscher, strammer Bursche mit blondgelocktem Haar, stammte aus sehr anständiger Familie. Er hatte das Töpferhandwerk erlernt und war ein geschickter, fleißiger Arbeiter. Dies ging bis zu seinem 23. Lebensjahre. Da lernte er zufällig eine 36jährige Dirne kennen. Diese fand Gefallen an dem hübschen jungen Mann. Auch die Dirne war trotz der 36 Lenze noch hübsch zu nennen. Ganz besonders hatte sie die Gabe, angenehm erzählen zu können. Sie eroberte das Herz des jungen Mannes, zumal sie ihm sagte: er habe nicht mehr nötig, zu arbeiten, sie verdiene so viel, daß sie beide sehr fein leben können. Dem jungen Mann leuchtete dies ein. Er war von diesem Augenblick ab der Liebhaber und zugleich der Beschützer der Dirne. Nach drei Tagen trat das Paar den Weg zum Standesbeamten an, um das Aufgebot zu bestellen. Die Dirne hatte nicht verabsäumt, den jungen Mann darauf aufmerksam zu machen, daß das Gewerbe eines Zuhälters nicht ganz gefahrlos sei. Deshalb empfehle es sich, einen Ehebund zu

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Hugo Friedländer: Kulturhistorische Kriminal-Prozesse der letzten vierzig Jahre, Band 1. Continent, Berlin 1908, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Kulturhistorische_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1908).djvu/73&oldid=- (Version vom 1.8.2018)