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Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267

Hexenprozesse.
(Fortsetzung.)

Unterdessen hatte sich der flüchtige Thomas wahrscheinlich seiner Heimath wiederum genähert, vermuthlich um von seinem Heimwesen und seinen lieben Angehörigen nicht zu entfernt zu seyn; denn es findet sich wieder ein Brief an seine Frau bei den Akten, abermals ohne Datum und Ort, folgenden Inhalts.

„Der ehr- und tugendsamen Frauen Anna Schreiberin, Hirschwirthin, zu Handen.“

„Mein herzlieber, lieb und treu herzallerliebster Schatz! Dein Schreiben[1] hab ich empfangen und mit bitterm Weinen gelesen. Ich bitte dich, mein allerliebstes Herz und Schatz, den ich auf der Welt habe, bekümmere dich nicht so gar sehr. Denke als wenn ich sonst in ein Ort verreist wäre und etwa eine Zeitlang ausbliebe. Halt’ aber gut über unsere lieben Kinderlein, vermahn’ sie zum Gebet ernstlich, denn das Gebet der jungen Kinder vermag viel bei Gott. Gott der Allmächtige wird mein demüthiges Gebet und große Unschuld, dein und der lieben Kinder Gebet vor sein h. Angesicht kommen lassen und uns aus diesem Kreuz helfen. Ich weiß und zweifle nicht daran, denn mir geschieht ja, weiß Gott, vor Gott und Welt Gewalt und Unrecht. Du weißt ja, lieber Schatz, wie mein Gemüth und Herz ist, daß ich Gott allzeit herzlich geliebt und gelobt habe, was einem frommen, ehrlichen Mann zusteht. Gott der Allmächtige hat uns das Kreuz aufgeladen, so wollen wir es mit Geduld tragen, so lang Gott will. – Schau und forsche heimlich nach, wie es steht. Ich habe dem Schulmeister auch geschrieben. Wenn du etwas zu schreiben hast wegen der Haushaltung, so laß es den lateinischen Schulmeister schreiben, was aber heimlich ist, das schreibe selbst, ich kann’s wohl lesen.“

„Lieder Schatz, du schreibst, wenn ich nicht mit begriffen sey, so soll ich wieder heim! Wie magst du mich mit solchen Worten betrüben? Du weißt ja, was ich mit dir geredet habe. Wollte Gott, du sähest selbst in mein Herz hinein, so würdest du gewißlich sehen, wie mit Gewalt und Unrecht mir dieser Leumund aufgeladen ist. Wären alle Menschen zu Mergentheim so rein von diesem Wesen, als ich bin, so würde kein einziger solcher Mensch zu Mergentheim gefunden werden. Und das betrübt mich zum allermeisten, daß ich so unschuldig von dir, mein herzallerliebster Schatz, und von meinen lieben Kindern soll scheiden. Ich hoffe aber zu dem allmächtigen Gott, es

soll nicht lang währen. Ich komme aber noch nicht heim,


  1. Dieses Schreiben findet sich nicht vor.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Rath: Hexenprozesse. In: Morgenblatt für gebildete Leser. Band 38, Nr. 233–267. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1844, Seite 1037. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedrich_von_Rath_Hexenprozesse.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)