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Walther Kabel: Interessantes aus der Geschichte Marokkos. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 223–227

diesen Vorteil nicht auszunützen. Er beging in übereiltem Siegesbewußtsein den schweren taktischen Fehler, die Flügel seines Heeres zu entblößen, indem er die Hauptmacht seiner Truppen in die von den Deutschen gesprengte Lücke warf. In diesem Augenblick ließ der Sultan seine überlegenen Reitergeschwader die geschwächten Flügel angreifen und rollte sie im ersten Ansturm völlig auf. Damit war die Schlacht für die Portugiesen verloren. Ein furchtbares Morden begann, dem nur sechzig Mann des Kreuzheeres entgingen. Abd ul Malik, sein Gegner Mulei Mehemed, König Sebastian und Graf Talberg waren ebenfalls gefallen.

Diese Niederlage vernichtete für alle Zeiten die Großmachtstellung Portugals. Auf den Gefilden El-Ksars aber modern die Gebeine jener 3000 tapferen deutschen Landsknechte, von denen auch nicht ein einziger in die Heimat zurückkehren sollte. Marokkanischer Boden ist mit deutschem Blute gedüngt, eine Tatsache, die bisher in deutschen Landen wenig bekannt sein dürfte. Über drei Jahrhunderte sind seit jenem blutigen Kampfe dahingegangen. Erst jetzt soll auf Veranlassung der deutschen Botschaft in Tanger jener heldenmütigen Schar das wohlverdiente Denkmal errichtet werden. –

Welche Hochachtung ein marokkanischer Sultan am Ausgang des achtzehnten Jahrhunderts vor dem Waffenruhm Friedrichs des Großen hatte, geht aus folgenden Tatsachen hervor. Im Frühjahr 1779 scheiterte der nach den Kanarischen Inseln bestimmte, in Emden beheimatete Segler „Sturmvogel“ an der atlantischen Küste von Marokko. Kapitän des Schiffes war ein geborener Holländer namens Jan Klock, der die preußische Staatsangehörigkeit erworben hatte. Klock und vierzehn Mann der Besatzung, die von den Wogen lebend an das Land gespült waren, wurden von den Marokkanern gefangen genommen und nach Mogador gebracht. Lange Wochen schmachteten sie dort in einem elenden Gefängnis, mit Ketten schwer belasten. Da sollte sich urplötzlich ihre entsetzliche Lage bessern. Eines Tages wurden sie aus dem Gefängnis in ein luftiges Gebäude geführt, wo ihnen nicht nur gute Nahrung und kostbare Gewänder gereicht, sondern auch ganz nach ihrem Belieben

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Interessantes aus der Geschichte Marokkos. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 10, S. 223–227. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Interessantes_aus_der_Geschichte_Marokkos.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)