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sich am Wettbewerbe für Ausmalung des Berliner Architectenhauses zu beteiligen. Die Arbeit wurde ihm zuerkannt u. erst nach mühsamen, 1879–80 in Italien gewonnenen Erfahrungen in der Frescotechnik ging er an’s Werk. Die ausserordentlichen Schwierigkeiten, deren er während der Ausführung begegnete, liessen ihn jedoch nur die Wandgemälde al fresco, das grosse Deckengemälde des Festsaales dagegen in Oelfarben auf Leinwand malen, die nach Vollendung befestigt wurde. Gegenstand der Darstellung sind die Hauptepochen der Architecturgeschichte, deren erstes Bild auf der Südwand uns die „Vorzeit“ (Aegypten), das zweite das griechische „Altertum“, das dritte die „Blüte Griechenland’s“, das vierte die Kunstepoche des kaiserlichen „Rom“ schildert. Die gegenüber befindliche Nordwand zeigt uns im ersten ihrer vier Bilder einen Pfahlbau mit seinem Bewohner, im zweiten eine den Mariencultus u. das Rittertum feiernde Darstellung, im dritten eine Scene aus dem Klosterleben, im vierten eine Scene aus der gotischen Bauperiode. Während die westliche Schmalseite es Saales von grossen Fenstern eingenommen ist, bot die östliche Wand den Baum für folgende drei Compositionen aus den Perioden der Renaissance, des Rococo u. der Gegenwart. Das Gemälde der „Renaissance“ zeigt uns die drei Schwesterkünste in Renaissancetracht auf erhöhtem Sitz vor der Nische einer Parkmauer, während das Zeitalter des „Rococo“ durch ein an einem Springquell im Mondschein ruhendes junges Weib, die „Gegenwart“ durch einen über seinen Entwürfen sinnenden Baumeister (beide Bilder auf Goldgrund) dargestellt wird. 1882 war die Reihe dieser elf Wandgemälde vollendet, aber nach weiteren drei Jahren, 1885, erst erfolgte die Vollendung des auf Staatskosten gemalten Deckenbildes „Ars Victrix“, der „triumphirenden Kunst“, einer weiblichen Idealgestalt, die, auf einem Wolkengebirge thronend, zum Adler des Zeus emporblickt, der mit dem goldenen Lorbeerkranz in den Krallen vom Olymp emporschwebt. Zwei Genien mit Posaunen schwingen sich durch die Luft, den Sterblichen den Ruhm der Siegerin verkündend. Reproductionen der Fresken „Griechenland“, „Pfahlbau“, „Renaissance“ befinden sich in „Kunst unserer Zeit“ III. (1892), die Gruppe der bildenden Künste im Zeitalter der „Renaissance“ auch in Lützow’s „Zeitschr. f. bild. Kunst“ XX.

Den nächsten Auftrag erhielt er 1884 von der Stadt Worms, den ausgebauten Hauptsaal des alten Rathauses mit Darstellungen aus der Stadtgeschichte u. mit allegorischen Figuren zu schmücken. Prell wählte für’s Hauptgemälde die Darstellung eines Actes der Dankbarkeit Kaiser Heinrich’s IV., der auf dem Platz vor der Kaiserpfalz am 18. Januar 1074 den Wormsern, „des Reiches besten Bürgern“, für ihre unwandelbare Reichstreue wichtige Privilegien verlieh. Abb. in „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).

Das Jahr 1886 stellte dem Künstler zwei Aufträge in Aussicht: die Ausmalung eines grossen Saales im Landesgebäude zu Danzig u. die Ausmalung des Rathaussaales zu Hildesheim mit Fresken aus der Geschichte beider Städte. Da bei der Danziger Wettbewerbung Stimmengleichheit herrschte, so musste das Loos entscheiden, das E. Röber die Ausführung übertrug, während die aquarellirten Skizzen Prell’s für die National-Galerie erworben wurden.

Die Fresken in der etwa 100 Fuss langen u. 30 Fuss breiten Rathaushalle zu Hildesheim, welche von einem hölzernen Tonnengewölbe überspannt wird, entnahmen ihre Motive sowol der Geschichte der Stadt Hildesheim als auch den Beziehungen derselben zum Reich, wobei Sage u. Allegorie nicht ausgeschlossen blieben. Als Gehilfe bei der Ausführung stand ihm der Maler H. Mittag aus Hannover zur Seite, dem der ornamentale Teil übertragen ward, dessen Kosten die Stadt bestritt.

Die im Auftrage des preussischen Staats im grossen Saal des kürzlich vollendeten Rathauses zu Hildesheim hergestellten sieben Wandgemälde aus der Geschichte der Stadt sind der Reihe nach folgende:

1. Der Hildesheimer Silberfund. Hermann der Cherusker übergiebt den Priestern den Silberschatz des Germanicus. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
2. Die Gründung des hildesheimer Bistums. Ludwig der Fromme u. seine Gemahlin Irmengard verleihen dem Bischof Guntar das Bistum Hildesheim, 814. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
3. Bischof Bernward empfängt den Besuch Kaiser Heinrich’s II. am Palmsonntage 1002. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892); „Moderne Kunst“ VIII. (1894); „Zeitschr. f. bild. K.“, Oct 95.
4. Rückkehr der Bürger Hildesheim’s u. ihres Bürgermeisters Henning v. Brandis nach der siegreichen Schlacht bei Bleckenstedt gegen Braunschweig, 1493. Abb. „Kunst unserer Zeit“ III. (1892).
5. Einführung der Reformation in Hildesheim. Bürgermeister Sprenger mit Rat u. Gemeinde geleiten den Prediger Buggenhagen zur Einführung der Reformation in die Andreaskirche, 1542. Abb. (2 Ausschnitte) „Moderne Kunst“ VIII. (1894); „Daheim“ 95.
6. Die Stadt Hildesheim in allegorischer Darstellung der Hildesia huldigt dem Kaiser Wilhelm I. 1872.
7. Die Sage vom tausendjährigen Rosenstock.

Die Bilder 1–6 befinden sich an der Nord- u. Südwand, das Bild 7 an der Westwand des Saales. Die Ausführung sämmtlicher hildesheimer Fresken hatte die Sommermonate von fünf Jahren in Anspruch genommen, sie wurden 1892 vollendet. Eine Lichtdruckausgabe in 13 grossen Tafeln nach Orig.-Aufnahmen von Otto Troitzsch erschien bei Hessling & Spielmeyer in Berlin. (1894).

Beim Wettbewerb deutscher Maler um den Auftrag eines grossen Deckengemäldes im Albertinum, dem Sculpturen-Museum Dresdens, 1889, hatten Prell’s Farbenskizzen den Preis errungen u. wurde die Ausführung des Werkes ihm übertragen. Der von ihm gewählte Gegenstand ist der Sturz der Titanen u. Giganten

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich von Boetticher: Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts – Zweiter Band. Fr. v. Boetticher’s Verlag, Dresden 1898/1901, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Malerwerke_des_neunzehnten_Jahrhunderts_Zweiter_Band.pdf/313&oldid=- (Version vom 6.8.2023)