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Philon: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn

27 (9.) Ich vernahm aber auch einmal eine weisere Erklärung von meiner Seele, die häufig göttliche Eingebungen zu empfangen pflegt auch über Dinge, die sie nicht zu deuten weiss; ich will sie, wenn ich kann, aus meiner Erinnerung wiedergeben. Es wurde mir gesagt, dass bei dem einig einzigen und wirklich seienden Gott zwei oberste und erste Kräfte sind, [p. 144 M.] die Güte und die Allmacht; mit der Güte habe Gott das All geschaffen, mit der Allmacht beherrsche er das Geschaffene; ein Drittes aber, das beide zusammenführt und zwischen ihnen vermittelt, sei die Vernunft, denn durch die Vernunft sei Gott sowohl Herrscher als gütiger (Vater). 28 Die Cherubim seien nun Sinnbilder der beiden Kräfte Herrschermacht und Güte[1], Sinnbild der Vernunft aber das flammende Schwert; denn schnell beweglich und glühend heiss ist die Vernunft[2], und besonders die des (göttlichen) Urhebers, weil er allem voraus war, vor allem gedacht werden muss und am Ende aller Dinge offenbar sein wird. 29 Nimm also, o Seele, das Bild der beiden Cherubim unverfälscht in dir auf, damit du, über Macht und Güte des Urhebers deutlich belehrt, ein glückseliges Los gewinnest; denn alsbald wirst du die innige Verbindung der reinen Kräfte erkennen, in der Gott bei Kundgebung seiner Herrscherwürde (zugleich) gütig und bei Kundgebung seiner Güte (zugleich) als Herrscher erscheint. So wirst du dir die diesen (Kräften) entstammenden Tugenden, Menschenfreundlichkeit und Gottesfurcht, erwerben, wirst dich weder im Glücke überheben im Hinblick auf die Grösse der Herrschermacht des Herrn noch bei unerwünschten Leidensfällen die Hoffnung auf Besserung ganz aufgeben im Gedanken an die Milde des grossen und gnadenreichen Gottes. 30 Das flammende Schwert aber (bedeutet), dass diesen (Kräften) an die Seite treten muss die die Dinge vermittelnde heisse und feurige Vernunft, die niemals aufhört sich mit allem Eifer hin- und herzubewegen zur Aufnahme alles Guten und zur Vertreibung alles Bösen.


  1. Dieselbe Deutung gibt Philo als die seinige auch im Leben Mosis II § 99 und in den Quaest. in Genes. I § 57.
  2. Wie hier und § 30 der Logos heiss und feurig genannt wird, so de fuga et invent. § 133 der Nus. Nach stoischer Lehre hat der Nus (Logos) feurige Beschaffenheit.
Empfohlene Zitierweise:
: Ueber die Cherubim (De Cherubim) übersetzt von Leopold Cohn. Breslau: H. & M. Marcus, 1919, Seite 179. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhilonCherGermanCohn.djvu/013&oldid=- (Version vom 3.12.2016)