Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/160

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Dieß Alles [1] geht der eigentlichen Rede des Sokrates über die Liebe zum Voraus, steht aber mit der folgenden Entwickelung seiner Ideen in dem genauesten Zusammenhange.

Er hebt damit an, von der Allgemeinheit der Liebe zu reden. Er selbst hat immer geliebt. Charmides hat viele Liebhaber gehabt, und hat jetzt Geliebte. Critobulus liebt schon wieder, und wird noch geliebt. Nikerates liebt seine Frau, und wird wieder von ihr geliebt. Hermogenes liebt den Ruf eines rechtschaffenen und biedern Mannes. – Dann fährt er fort, der Liebe des Callias zum Autolycus eine Lobrede zu halten. Die ganze Stadt, selbst viele Auswärtige, sind davon unterrichtet; so berühmt sind ihrer Beyder Eltern, so sehr haben sie selbst bereits die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. „Callias“, fährt Sokrates fort, „ich habe deinen Charakter stets geschätzt, aber jetzt verdienst du besonders meinen Beyfall durch die Liebe, die du einem Jüngling schenkst, der kein Weichling ist, und allgemein anerkannte Beweise seiner Stärke, seines ausdauernden Muths, und seiner Mäßigkeit an den Tag legt. Eine solche Wahl bringt auch demjenigen Ehre, der sie trifft. Ich weiß nicht, ob es wirklich eine doppelte Venus, eine himmlische und eine gemeine giebt. Denn auch Jupiter, ob er gleich einzig ist, hat mehrere Beynahmen. Aber das weiß ich, daß ihr Dienst verschieden,


  1. Ich übergehe eine Stelle, worin der Syracusaner seine Besorgniß äußert, daß man ihm den Knaben, den er mit sich führt, verderben möge, indem man ihn zu verworfenen Lüsten mißbrauche. Ein neuer Beweis für die Allgemeinheit dieses Lasters unter dem atheniensischen Pöbel.