Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/249

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„Denn selbst in der Abwesenheit des geliebten Gegenstandes bleibt doch der einmahl abgeflogene Abdruck seiner Gestalt uns gegenwärtig, und sein süßer Nahme (nach dem Systeme des Lukrez gleichfalls eine materielle Form,) schwebt unaufhörlich in unsern Ohren. Lukrez will daß wir diese Bilder, diese Nahrungsmittel der Liebe fliehen, und unser Gemüth anderswohin wenden sollen. Er räth, den angehäuften unnennbaren Stoff auf alle Körper zu richten, ihn nicht aus Liebe zu einem Gegenstande an uns zu halten, und uns dadurch einen dauernden Schmerz und Sorgen zu bereiten. Jemehr wir das Geschwür nähren, je mehr blüht es auf, und wurzelt ein. Täglich wird die Wuth zunehmen, und die kummervolle Sehnsucht drückender werden, wenn wir nicht dem ersten Eindruck durch neue eine Diversion machen, in wild umherschweifender Begierde die frische Wunde heilen, oder die Bewegung der Seele auf etwas Anders hinleiten.“

„Gewiß aber genießt derjenige die Freuden der Geschlechtssympathie viel vollständiger, der sich vor Leidenschaft hütet. Sie sind für ihn ohne Mischung herber Empfindungen. Gesunde und vernünftige Menschen sind viel fähiger zum Gefühl einer sichern und reinen Wollust, als Kranke und Verirrte. Der Eifer, zu genießen, bringt Liebende um den Genuß.“ –

Ich muß hier wieder einige Stellen übergehen, um des Anstandes zu schonen. Es wird hinreichen, zu sagen, daß Lukrez mehrere Aeußerungen der Lüsternheit durchgeht, welche die Begierde nach engster Körperverbindung andeuten, und zum Theil selbst den begehrten Körper beleidigen. Er leitet diese Erscheinungen aus einer Art von thierischer Wuth her, die in einer Mischung