Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/252

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Erscheinungen der Geschlechtssympathie bey dem zärtern Geschlechte werden dadurch noch weniger erklärbar. Hier bleibt also eine Lücke, welche das Bild, das von einer wirklichen Wunde hergenommen wird, keinesweges ausfüllt, vielmehr noch auffallender macht. Denn der verwundete Körper zieht sich gewiß nicht nach dem verwundenden hin, sondern von ihm zurück.

Weiter: Wie entsteht aus der bloßen Aufwallung des unnennbaren Triebes die Leidenschaft nach dem Besitze der Person? Auch hierüber ist nichts Befriedigendes gesagt. Lukrez nimmt an, alle schöne Gestalten können den unnennbaren[WS 1] Trieb in Aufruhr bringen. Wohl! Aber woran liegt es denn, daß nicht alle schöne Gestalten, wenn gleich der unnennbare Trieb bey ihnen seine Befriedigung nicht erhält, uns Leidenschaft einflößen? Lukrez antwortet, weil wir von einer Gestalt mehr Bilder einnehmen, als von einer andern zugegeben; worin liegt denn der Grund, daß wir geneigt sind, von einer schönen Gestalt mehr Bilder einzunehmen, als von einer andern? Lukrez kann hier entweder antworten: weil zwischen den Bildern, die sie abwirft, und unserer Fähigkeit, sie einzunehmen, ein genaueres Wohlverhältniß vorhanden ist; oder aber: alle schöne Gestalten werden uns in Leidenschaft versetzen, wenn wir uns muthwillig mit Bildern von ihnen anhäufen. Allein dem Ersten begegne ich mit der Frage: worin liegt das Wohlverhältniß zwischen den äußern Bildern und den Atomen meiner unnennbaren Kraft? Dem Zweyten mit jener andern Frage: warum versetzt mich denn nur eine bestimmte Person in Leidenschaft, warum nicht das ganze Geschlecht der schönen Gestalten, die mich doch noch weit mehr mit aufrührenden und reitzenden Bildern anfüllen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: unnenbaren