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Harem, Eure Mädchen, die Euch Modell stehen, schafft vor allen Dingen ab, höret auf, ferner durch schwelgerische Feste Euch zu entnerven, und Euer Vermögen, Eure Kräfte und Eure Gesundheit und mit dieser Euer – Genie zu verschleudern und zu verschwenden . . . und der erste Schritt ist auf der Bahn gethan, die wir Euch führen möchten.

– Du hast neuen Lebensmuth nöthig, Freund, fuhr Digby fort. Du fühlst selbst, daß es vergebens ist, Dich durch Prunk und Ausschweifungen zu betäuben. Noch lebt das heilige Feuer der Kunst ungeschwächt in Deinem Busen; der Beweis ist, daß Du Dich ungeachtet Deiner Genüsse elend fühlst, weil Du, – Gott weiß in wie langer Zeit – keine Palette und keinen Pinsel in die Hand nahmst.

Van Dyk ward wieder finster.

– Bin ich denn ein Knabe? fragte er. Wer sagt Euch, daß Ihr mir Etwas bieten könnt, was ich nicht allein finde? Wer macht Euch so sicher, daß Eure Schätze für mich Werth haben, daß sie wohl gar noch die meinigen an Werth übertreffen?

– Der Herzog von Buckingham griff in die Seitenbauschen seines Kleides und zog ein handgroßes, kostbar gefaßtes Medaillon aus dem Busen.

– Betrachtet dies Bildniß, Meister! sagte er sanft aber siegreich lächelnd. Dann reden wir weiter. Das Gemälde ist freilich von keinem van Dyk; aber eine Göttin hat zu große Schönheit, als daß selbst einem ungeübten Pinsel alle ihre Reize entschlüpfen könnten.

Der Maler bemächtigte sich des Medaillons und betrachtete dasselbe sehr aufmerksam. Bald aber glühte das vorhin fast erloschene Feuer in seinem Auge wieder auf; er faßte das Bildniß fester; seine Wangen rötheten sich und er fing an, unwillkürlich zwischen den Zähnen zu murmeln. Er war in die Betrachtung des Bildes so vertieft, daß er die Anwesenheit seiner Freunde völlig vergessen zu haben schien.

Digby berührte seine Schulter sanft mit der Hand.

– Wen, fragte der Maler, wie aus einem Traume erwachend, wen, meine Freunde, stellt dies Portrait dar? Ach, als ich einst das Fräulein van Malader[1] erblickte, da glaubte auch ich an Schönheit in der Wirklichkeit; seitdem meinte ich, daß sie nur in den Köpfen träumerischer Maler lebte . . . Aber dies Portrait . . . Dies sagt mir mit überraschender Wahrheit, daß hier die Schönheit der Dame, welche dasselbe darstellt, noch lange nicht erreicht wurde . . . Wer ist dies? . . .

– Wollt Ihr nur ein wenig vernünftiger werden, Sir, erwiderte Buckingham; so ist diese Dame sicherlich das schönste Mädchen unserer drei Reiche, die Eurige . . . ist Eure Gattin; dafür stehe ich. Diese Dame, Meister, liebt Euch, merkt es wohl, sie liebt Euch . . . Es ist Maria Ruthven, die Tochter des schottischen Grafen von Göre. Wollt Ihr der Einladung des Königs folgen und sofort mit uns zu Hofe fahren, so werdet Ihr „Schön-Mary“ noch heute Abend sehen.

In einem Augenblick war van Dyk aus seiner Apathie erwacht; er sprang auf und rief nach seinen Dienern.

– Sachte, Sir! sprach Buckingham. Ihr werdet die Gräfin nicht im Hofsaale sehen, sondern Euch zu einem kleinen Kunstgriffe bequemen müssen. Sie ist nur in den Gemächern der


  1. Eine von van Dyks Geliebten.
Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/276&oldid=- (Version vom 1.8.2018)