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Königin zu finden; denn ich, Maria’s Vormund, habe sie absichtlich von den Festen fern gehalten, habe ihr, um sie zu bewahren, jede ostentatiose, öffentliche Erscheinung untersagt. Die junge Gräfin Gore ist die Hofmeisterin des Prinzen Karl von Wales und seiner beiden Geschwister. Wollt Ihr Diejenige sehen, welche an dem glänzendsten Hofe der Welt das klösterliche Leben einer Nonne führt, so nehmt Euer Zeichnengeräth und begehrt, die königlichen Kinder abzubilden. Dann werdet Ihr die Schöne sicherlich ungestört sehen und sprechen können.

Van Dyk gehorchte. Er fuhr mit Buckingham und Digby nach Whitehall, stellte sich dem Könige vor, der ihn nach seiner halbschwermüthigen Weise lächelnd, freundlichst empfing, dann aber, auf einen Wink vom Herzoge, ihn an die Hand nahm und aus dem Saale führte.

– Erlaubt, Herr Ritter, sagte Karl I. mit seiner ganzen chevaleresken Grazie den Arm des Malers nehmend, wenn Wir Euch eine kleine Arbeit auftragen. Ihr werdet Unsere Kinder malen.

– Ach, Sire, Sie machen mich glücklich! stammelte van Dyk.

– Buckingham wird Euch diesen meinen Lieblingswunsch mitgetheilt haben. Die Kleinen sind zwar noch etwas unruhigen Wesens, Ihr werdet daher Mühe haben, sie genau aufzufassen, indeß die Gräfin Gore – Karl I. lächelte schelmisch – wird die Kinder schon zur Folgsamkeit bewegen.

Beide traten jetzt in die Zimmer der Königin. Hier befand sich Karl, später der Zweite genannt mit James und Henriette, und neben ihnen erblickte van Dyk ein Mädchen von so wunderbarer Schönheit, daß er, als ihn der König der Maria Ruthven vorstellte, unwillkürlich die Augen schloß. Als sich van Dyk gefaßt hatte, war Karl I. verschwunden.

Van Dyk fing an die Gruppe der königlichen Kinder sammt zwei edlen, schottischen Hunden zu zeichnen. Er ging am andern Tage, und abermals zum Vollenden der Zeichnung nach dem Schlosse; er schien das Bild nicht vollenden zu können.

Am vierten Tage, als er die Gemächer verließ, stammelte er, Maria’s Hand ergreifend, das Geständniß seiner Liebe. Die junge Dame sank weinend vor Wonne in seine Arme.

Ein neues, edleres Leben begann jetzt für den Künstler. Denn bald darauf vermählte der Herzog von Buckingham seine Mündel mit dem Meister. Seine Lebenskraft war aber zu tief erschüttert.

Er machte mit seiner Gemahlin eine Reise nach seiner Vaterstadt Antwerpen, dann nach Paris, um die Gallerie des Louvre zu malen. Da aber Nicolaus Poussin diesen Auftrag schon erhalten hatte, kehrte er nach London zurück. Hier ereilte ihn, als er eben beschäftigt war, dem Könige eine der großartigsten Tapetenmalereien im Carton anzufertigen, in den Armen seiner holden Gattin 1641 der unerbittliche Tod.




Potiphars Weib.
Von Cignani.

In den Gemälden von Carlo Cignani leuchtet noch einmal der große Styl und die Reinheit der Zeichnung auf, welche in Bologna, der Vaterstadt dieses Meisters, durch die gewaltigen

Empfohlene Zitierweise:
Text von Adolph Görling: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie. Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne, Leipzig und Dresden 1848−1851, Seite 260. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Stahlstich-Sammlung_der_vorz%C3%BCglichsten_Gem%C3%A4lde_der_Dresdener_Gallerie.pdf/277&oldid=- (Version vom 1.8.2018)