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wenn er mitunter, von furchtbarer Angst gepackt, nach dem Geistlichen rief oder nach Justizrath Kirstein, dem er Alles sagen wolle. So stark er war, er hätte sie nicht bezwungen, wenn ihm seine Frau nicht zur Hilfe gekommen wäre: das war so der Hauptinhalt der Geschichte. Ich kenne auch die Einzelheiten, aber ich erzähle sie nicht. Nur soviel hier, sie geben ein furchtbar anschauliches Bild von der Macht und Kraft der Verzweiflung. Alle sollten sich das in allen Lebenslagen gesagt sein lassen, auch im Leben der Völker. An Verborgenbleiben oder an Ablenken auf Andere war nicht zu denken und eh’ ein Tag um war, waren Mohr und Frau in Fesseln. Darüber waren nun beinah anderthalb Jahre vergangen und noch immer schwebte die Sache. Sonderbarerweise kann ich mich nicht entsinnen, damals unter einem besonderen Angstgefühle gestanden zu haben, auch nicht einmal, als ich eines Tages, schon bei Dunkelwerden, an dem mit Eisentraillen versehenen Rathhausgefängniß vorüberging und die Straßenjungen mir zuriefen: „Kuck, da sitzt Mohr.“ Aus dieser meiner vergleichsweisen Ruhe wurde ich erst aufgestört, als es an einem Sonnabend, ich glaube es war im Frühjahr 28, hieß: „heute sind sie gekommen.“ Die, die gekommen sein sollten, waren der Scharfrichter und seine Knechte. Es

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Theodor Fontane: Meine Kinderjahre. Berlin: F. Fontane & Co., 1894, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Theodor_Fontane_%E2%80%93_Meine_Kinderjahre.djvu/176&oldid=- (Version vom 1.8.2018)