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Walther Kabel: Van Zeerpens Geheimnis. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 8, S. 205–208

mehreren Ehrenämtern berufen worden war, für einen umsichtigen und weitblickenden Kopf.

Da kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel der Zusammenbruch. Am 14. Mai 1874 erschien in dem Diamantengeschäft ein Engländer und bot Zeerpen verschiedene geschliffene Steine an. Zeerpen prüfte sie gewohnheitsmäßig erst mit der Lupe, bevor er ein Angebot machte. Dann bot er für das Karat einen bestimmten Preis. Der Verkäufer war einverstanden. Nun wurden die Steine auf der auf dem Ladentisch stehenden Wage gewogen. Wie üblich hatte Zeerpen dem Engländer vorher gezeigt, daß die Wage vollkommen richtig funktionierte.

Die Steine hatten ein Gewicht von hundertdreizehn Karat. Darüber schien der Verkäufer etwas erstaunt. Er hätte die Brillanten doch vorher bereits wiegen lassen, und da wäre das Gewicht auf hundertachtzehn Karat festgestellt worden.

Zeerpen erwiderte, daß auf dieser Wage schon unzählige Diamanten gewogen worden seien, und sie habe noch immer tadellos gearbeitet. Der Herr möge nochmals selbst die Steine auf die Schale legen und das Gewicht nachprüfen. Die andere Wage müsse eben einen Fehler gehabt haben.

Der Engländer besorgte nun eigenhändig das Wiegen. Aber es blieben wieder nur hundertdreizehn Karat. Bei dem ersten Abwiegen auf der fremden Wage mußte also notwendig ein Versehen vorgekommen sein. Damit beruhigte sich der Verkäufer denn auch, Zeerpen zahlte ihm den vereinbarten Preis für die festgestellten Karat, und das Geschäft war erledigt.

Nachdem der Engländer gegangen war, erschien ein Zeerpen bisher noch unbekannter Agent einer Brüsseler Diamantenschleiferei und ließ sich ungeschliffene Steine vorlegen. Da ihm Ware und Preis zusagten, kaufte er für eine hohe Summe Diamanten in allen Größen, die er ebenfalls nach Gewicht bezahlte. Der Agent packte die Diamanten sorgfältig ein, verabschiedete sich und begab sich sofort auf die nächste Polizeiwache, wo er in dem Zimmer des Reviervorstandes außer dem Engländer, der bei Zeerpen soeben Steine verkauft hatte, noch einige andere Herren antraf. Auf dem Tisch standen drei neue Diamantenwagen. Man prüfte nun das Gewicht

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Walther Kabel: Van Zeerpens Geheimnis. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 8, S. 205–208. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Van_Zeerpens_Geheimnis.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)