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Walther Kabel: Van Zeerpens Geheimnis. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 8, S. 205–208

der von dem Agenten erstandenen ungeschliffenen Steine mehrmals auf jeder der Wagen nach, wobei sich herausstellte, daß sie elf Karat weniger wogen als vorher auf van Zeerpens Wage. Der Agent hatte demnach elf Karat zuviel bezahlt, und zwar gerade für große Steine, so daß es sich um eine ganz beträchtliche Summe handelte.

Bald darauf betraten drei Herren in Zivil den Zeerpenschen Laden. Einer von ihnen legitimierte sich als Polizeikommissär und wies einen gerichtlichen Befehl zur Haussuchung vor. Der Diamantenhändler erblaßte und sank halb ohnmächtig in den nächsten Stuhl. Er wußte, daß er seine Rolle ausgespielt hatte.

Am Abend desselben Tages brachten dann die Amsterdamer Zeitungen die überraschende Kunde, daß Kornelius van Zeerpen plötzlich wegen jahrelanger Betrügereien verhaftet worden sei. Man war endlich dahintergekommen, wie Zeerpen es möglich gemacht hatte, trotz aller Preisschwankungen auf dem Diamantenmarkt stets glänzende Geschäftsabschlüsse zu erzielen.

Die Wage in dem Verkaufsraum, die in den Ladentisch fest eingelassen war, besaß kleine Schalen aus poliertem Stahl. An den Stellen, wo diese Schalen über dem Ladentisch schwebten, hatte Zeerpen das Holz der Tischplatte auf der Unterseite bis auf kaum zwei Millimeter weggehobelt und darunter zwei starke Stabmagneten mit einem besonderen Mechanismus so angebracht, daß er ganz nach Wunsch einen oder den anderen der Magneten der betreffenden Schale nähern konnte, wodurch diese dann, da die Wirkung des Magneten durch die dünne Holzschicht nicht wesentlich abgeschwächt wurde, etwas tiefer hinabsank. Das Einstellen der Magneten besorgte Zeerpen mit den Füßen. In der Rückwand des Ladentisches befanden sich nämlich eine Anzahl kleiner, verschließbarer Schubladen. Diese hatten erstens den Zweck, den ganzen so raffiniert ausgeklügelten Mechanismus zu verbergen, zwei von ihnen, die dicht über dem Boden lagen, dienten aber auch, indem man sie ein Stück herauszog, als Hebel und näherten auf einen Druck mit dem Fuße je nach Belieben einen der Magneten den Wagschalen.

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Walther Kabel: Van Zeerpens Geheimnis. In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1913, Bd. 8, S. 205–208. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1913, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Van_Zeerpens_Geheimnis.pdf/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)