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Walther Kabel: Was Tiere träumen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6)

einen Papagei zu berichten weiß. „Der klügste meiner vier Papageien war ohne Zweifel ein Alexandersittich von seltener Größe und prächtigem Gefieder. Koko war ein äußerst friedliebendes Tier – nur mit meiner Angorakatze Sara lebte er auf so gespanntem Fuße, daß ich das schneeweiße Katzenfräulein nie in den Raum lassen durfte, wo Kokos Bauer stand. Kam Sara zufällig dort hinein, so erhob der Papagei ein wütendes Geschrei, sträubte das Gefieder und benahm sich wie ein Toller. Daß Koko die ziemlich scharfe Ausdünstung der Angorakatze genau kannte, hatte ich schon früher dadurch festgestellt, daß ich Sara versuchsweise in einem verdeckten Korbe dicht an den Käfig trug. Der Papagei wurde sofort unruhig. Seine Aufregung steigerte sich immer mehr, obwohl er seine Feindin nicht sehen konnte. Jedenfalls widerlegt diese meine Beobachtung die Annahme, daß Vögel einen sehr schlecht entwickelten Geruchsinn besäßen. Eines Nachts hatte ich ziemlich lange am Schreibtisch gesessen, als mir mit einem Male Sara, die ihr Körbchen leise verlassen hatte, schmeichelnd um die Füße strich. Dieser unbedeutende Zwischenfall erinnerte mich daran, daß ich längst beabsichtigt hatte, mich auch einmal näher mit Kokos Traumleben zu beschäftigen. Ich nahm also die Katze auf den Arm und ging leise in das Vogelhaus hinüber, das neben meinem kleinen Wintergarten liegt. Bei dem hellen Mondschein vermochte ich mich auch ohne Licht recht gut zurechtzufinden. Koko saß zusammengekauert auf der mittelsten Stange seines Käfigs. Sehr bald jedoch wurde er unruhig, reckte mit geschlossenen Augen den Kopf weit vor, krächzte leise und plumpste zu meinem Schreck plötzlich von der Stange auf den Sandboden des Bauers hinab. Da erst erwachte er und begann sofort ein derartiges Gekreisch, daß das ganze Vogelhaus lebendig wurde und ich mich schleunigst mit Sara zurückziehen mußte.“

„Wenn überhaupt noch darüber ein Zweifel bestehen kann,“ fährt Doktor Bernhard fort, „ob ein bestimmter, einem Tier unangenehmer Geruch imstande ist, gewisse Erinnerungsbilder im Traume zur Entstehung zu bringen, so will ich hier zum Schluß noch einen Fall schildern, der meines Erachtens auch die hartnäckigsten

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Walther Kabel: Was Tiere träumen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_Tiere_tr%C3%A4umen.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)