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Walther Kabel: Was Tiere träumen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6)

Zweifler überzeugen muß. Mein Pavianmännchen, das friedlich mit dem Kapuzineräffchen in einem geräumigen Käfig haust, hatte sich einmal an einem verrosteten Eisendrahtstück, das zum Befestigen eines Futternapfes diente, eine Rißwunde am Rücken beigebracht, die in Eiterung überging. Da der Pavian körperlich schon sehr heruntergekommen war und auch stark fieberte, als ich den Schaden bemerkte, entschloß ich mich, ihn in Narkose von dem Geschwür zu befreien. Mungo, der schon seit Tagen teilnahmlos in einer Ecke hockte, ließ sich geduldig auf dem Operationstisch von meinem Gärtner und einem zweiten Manne festhalten. Wie ich ihm aber die Chloroformmaske auf das Gesicht drücken wollte, begann ein wilder Kampf, der erst aufhörte, als das Betäubungsmittel zu wirken anfing. Der operative Eingriff gelang sehr gut. Mungo erholte sich schnell, besonders da er den Verband stets ohne viel Widerstreben erneuern ließ. Ihn abzureißen, dazu war er viel zu klug. Nachdem er völlig wiederhergestellt war, begab ich mich eines Nachts mit einem in Chloroform getauchten Wattebausch zu dem Affenkäfig. Mein Pavian hockte wie immer schlafend auf dem mittelsten Ast des Kletterbaumes. Neben ihm saßen einträchtig die Kapuzineräffchen. Der süßliche Geruch des Chloroforms hatte sehr bald Mungos Nase erreicht, mithin auch die seiner Nachbarn. Während nun an ihm deutliche Zeichen von Unruhe bemerkbar waren, die sich schnell zu wütendem Grunzen, Zähnefletschen und zitternden Armbewegungen steigerten, schliefen die Kapuzineräffchen ruhig weiter. Nach einigen Minuten schon fuhr Mungo wie in wilder Angst hoch und flüchtete kreischend in den hintersten Winkel des Käfigs. Fraglos hatte ein Traumgesicht ihn derartig erschreckt, daß er vor Entsetzen schließlich erwachte. Dieser Traum kann aber nur eine Erinnerung an die damals bei der Operation überstandene Narkose zum Gegenstand gehabt haben, woran wohl angesichts der Tatsache, daß die Käfiggenossen Mungos durch den süßlichen, aufdringlichen Geruch nicht in ihrem Schlummer gestört wurden, niemand mehr zweifeln wird.“

W. K.
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Was Tiere träumen (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 6). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1916, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Was_Tiere_tr%C3%A4umen.pdf/8&oldid=- (Version vom 1.8.2018)