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behauptet, er spricht und schreibt ein fehlerfreies Deutsch, renommiert. Jedem kann man Fehler nachweisen, nämlich insofern, als der Sprachgebrauch in vielem ein völlig schwankender ist. Was der eine Sprachforscher als richtig verteidigt, belächelt der andere sehr von oben herab als falsch. Ich möchte da nur an die Frage erinnern, die seiner Zeit viel erörtert wurde, als Bismarck im Reichstag gesagt hatte: „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt.“ Was ist richtig: Wir Deutschen oder wir Deutsche? – Damals wurde um dieses n zwischen den Gelehrten ein monatelanger Streit ausgefochten. Dieser kennzeichnet treffend als Musterbeispiel die Unsicherheit, die im Gebrauch unserer eigenen Sprache herrscht. Ich könnte hier Seiten mit solchen „Streitpunkten“ füllen. Es mögen sich also die trösten, die das Gefühl haben: Mit meinem Deutsch ist es nicht weit her! Sie mögen an jenen geistvollen Mann denken (es war irgend ein Philosoph; welcher, fällt mir im Augenblick nicht ein), der einmal schrieb: „Jeder Sprachfehler läßt sich verteidigen, wenn man nur ein wenig Geist und Haare auf den Zähnen hat.“

Wir Deutsche (denn ich halte dies für richtig, da man auch im gleichgebildeten Akkusativ „uns Deutsche“ allgemein sagt, und nicht uns Deutschen, da dies zu leicht mit dem Dativ zu verwechseln ist) sind, was unsere Sprache angeht, vielfach sehr engherzig. Das mag daran liegen, weil wir eben – ein Volk von Gelehrten sind, und bekanntlich schon zwei Gelehrte über dieselbe Sache drei Meinungen vertreten, wodurch notwendig ein Übermaß von Sprachvorschriften und eine gewisse Unduldsamkeit in sprachlicher Beziehung großgezogen wird.

Es braucht sich niemand zu schämen, der selbst grobe Sprachschnitzer macht. Nicht jeder wächst in einer Umgebung auf, die das Kind schon auf solche Fehler hinweist. Wer über solche Leute lächelt oder spöttelt, zeigt nur, daß er von einem ganz unbegründeten Hochmut beseelt ist. Man soll jeden achten, der sich ehrlich durch Arbeit ernährt – jeden! Und – man soll

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Wie benehme ich mich?. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wie_benehme_ich_mich.pdf/90&oldid=- (Version vom 1.8.2018)