Stunden der Andacht/Gebet nach der Genesung

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« Gebet in schwerer Krankheit Stunden der Andacht Gebet einer kränkelnden Person »
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[114]
Nach der Genesung von schwerer Krankheit.

„Es züchtigt mich der Herr,
Doch dem Tode giebt er mich nicht preis.”
 (Ps. 118, 18.)

Allwaltender, Gnadenvoller! Wie danke ich dir für das Heil, das du mir hast zu Theil werden lassen! Von schwerer Krankheit heimgesucht, von Schmerz und Qual gemartert, lag ich [115] kraftlos darnieder, umschwebt von Todesgefahren. Doch in der Enge rief ich zu dir, und du halfst mir auf. Von den düstern Todespfaden führtest du mich zurück ins blühende Reich des Lebens. Statt der Todesschatten ließest du mich von Neuem des Tages freundlich Licht begrüßen. Nicht getrennt hast du mich von meinen Freunden, meinen Angehörigen, von denen, die meinem Herzen lieb und theuer sind; in deiner Gnade hast du uns einander wiedergegeben und vereinigt. Mit welcher Wonne fühle ich meine Kräfte täglich mehr sich heben, und Gesundheit mich durchströmen! Preis und Dank dir, Allerhöchster, jeder frische Schlag meines Herzens sei dir ein Dank- und Lobgebet, jede Stunde meines Daseins sei dir geweihet in Liebe und Dankbarkeit.

Zum zweiten Male, Allgütiger, hast du mir das Leben gegeben, und wenn ich auch nicht, wie das erste Mal, voll Kindesunschuld und Kindesreinheit es begrüße: so hoffe ich doch durch meine Leiden so Manches gesühnt zu haben, und von so mancher Thorheit gereinigt und geläutert das neue Dasein zu beginnen.

Wie kostbar ist das Leben! Bis jetzt habe ich meine Tage oft in strafenswerthem Leichtsinne vergeudet, ohne Nutz und Frommen; habe sie oft vertändelt im Müssiggang und in eiteln Zerstreuungen, in der Beschäftigung mit Dingen, gänzlich fremd dem wahren Zweck des Lebens. – Von nun an will ich besser auf meine Zeit achten! Kein Tag soll mir verloren gehen, jeder soll mir reichlichen Gewinn für meinen Beruf auf Erden, für meiner Seele Heil, für meines Herzens Vervollkommnung bringen, und jeden Abend will ich meinen innern Richter fragen, ob er mit meinem Tagewerke zufrieden sei.

Bis jetzt habe ich meine Tage oft in Trübsinn und Verstimmtheit hingebracht; oft hat ein kleiner Unfall schon mich niedergedrückt, und das geringste Mißlingen meiner Hoffnungen mich mit Unmuth und Schmerz erfüllt. Von nun an hinweg mit diesem düstern Sinnen. Gott hat mich nicht von Neuem ins Leben gerufen, um es in Trauer und in verzehrendem Mißmuthe hinzubringen. Oeffnen will ich mein Herz jedem freundlichen Eindrucke, freuen will ich mich des Guten, das der Herr mir bescheert, wenn es auch noch so klein und so geringfügig ist; freuen will ich mich des Glückes meines Nächsten, mich freuen, wenn es mir gelingt, ihm wohlzuthun.

[116] Das Traurige und Mißhellige in meinen Verhältnissen will ich mit Kraft und Ausdauer bekämpfen, mit Muth und Geduld es mir zu erleichtern und zu verbessern suchen. Doch wo mein Kampf vergebens ist, da werfe ich meine Sorge auf den Herrn, auf ihn, der für mich sorgt, und mir tragen hilft, was mir zu schwer, der meine Stütze ist, wenn ich wanke, der ewig ist meine Zuversicht und mein Heil. Ihm befehle ich meine Wege, und er führt sicher mich. Wenn Alles mich verläßt, wenn Keiner helfen mag und kann, bist du, o Gott, der nimmermüde Helfer und Retter, auf deine Hilfe hoffe ich ewiglich. Amen.