Verdorben – gestorben

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Autor: Theodor Vulpinus
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Titel: Verdorben – gestorben
Untertitel:
aus: Die zehnte Muse. Dichtungen vom Brettl und fürs Brettl. S. 319–320
Herausgeber: Maximilian Bern
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Otto Eisner
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Erscheinungsort: Berlin
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Verdorben – gestorben.

Zwei Tote liegen im Leichenhaus,
– Die Särge zahlt die Gemeinde, –
Ein junges Weib, ein hagerer Mann,
Der Bettler Franz, die Dirn’ Susann’;

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Im Leben waren sie Feinde.


Sie wuchsen, Nachbarkinder, auf
Und gingen zusammen zur Schule
Und gingen zusammen zum Tisch des Herrn,
Und gingen zusammen zum Tanzplatz gern

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Und wurden Buhl und Buhle.


Die Alten starben; da haben die Zwei
Sich treulos bald verlassen.
Die Dirn war schön und heiss ihr Blut,
Der Bursch stolz, ohn’ Hab und Gut;

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Aus Lieben wurde Hassen.


Die Dirne flog von Arm zu Arm
Und ging in seidenen Fetzen;
Der Bursch im Trunk das Leid vergass,
Bis endlich Bettlerbrot er ass,

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Sich selber ein Entsetzen.


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Die Dirne starb in fremdem Bett,
Der Bursch am Zaun auf der Strasse. –
Nun liegen hier beisammen sie
In kahler Kammer, die sich nie

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Gegrüsst mehr auf der Gasse.


Nun liegen sie, die Augen starr
Geöffnet nach der Decke;
Und langsam schaufelt und murrt dabei
Der Graubart dorten Gräber zwei

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Hart an des Kirchhofs Ecke.


Theodor Vulpinus.