Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts in den Angelegenheiten der Invalidenversicherung

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Gesetzestext
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Titel: Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts in den Angelegenheiten der Invalidenversicherung.
Abkürzung:
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1899, Nr. 46, Seite 687 - 689
Fassung vom: 6. Dezember 1899
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 9. Dezember 1899
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(Nr. 2628.) Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts in den Angelegenheiten der Invalidenversicherung. Vom 6. Dezember 1899.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des §. 110 Abs. 4 des Invalidenversicherungsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. S. 463) im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt:

1. Die gemäß §. 133 Abs. 3 des Gesetzes, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung, vom 22. Juni 1889 (Reichs-Gesetzbl. S. 97) durch Verordnung vom 20. Dezember 1890 (Reichs-Gesetzbl. S. 209) im Reichs-Versicherungsamt errichtete Abtheilung für Invaliditäts- und Altersversicherung hat die Angelegenheiten der Invalidenversicherung nach Maßgabe des Invalidenversicherungsgesetzes zu bearbeiten. Die Verfügungen und Entscheidungen dieser Abtheilung ergehen unter der Bezeichnung
Das Reichs-Versicherungsamt.
Abtheilung für Invalidenversicherung.
2. Der Kaiser ernennt den Vorsitzenden dieser Abtheilung. Der Letztere leitet die besonderen Geschäfte der Abtheilung unter der Oberleitung des Präsidenten des Reichs-Versicherungsamts. Dem Abtheilungsvorsitzenden stehen innerhalb des Geschäftsbereichs der Abtheilung die in Angelegenheiten der Unfallversicherung dem Vorsitzenden des Reichs-Versicherungsamts beigelegten Befugnisse zu.
3. Auf das Verfahren und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts bei Durchführung der Invalidenversicherung finden die Vorschriften über das Verfahren und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts in Angelegenheiten der Unfallversicherung, soweit sich nicht aus den folgenden Bestimmungen etwas Anderes ergiebt, mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß als Kollegium des Reichs-Versicherungsamts die Abtheilung gilt.
Der Präsident des Reichs-Versicherungsamts ist befugt, in der Abtheilung und den Spruchkammern den Vorsitz zu übernehmen.
4. Die Spruchkammern entscheiden in der Besetzung von vier Mitgliedern des Reichs-Versicherungsamts einschließlich des Vorsitzenden, unter denen sich je ein Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten befinden muß, und unter Zuziehung eines richterlichen Beamten
a) bei Anfechtung von Beschlüssen der Organe der Versicherungsanstalten (§. 75 des Gesetzes),
b) bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus Anlaß von Veränderungen des Bestandes der Versicherungsanstalten (§. 102 des Gesetzes), [688]
c) bei Ersatzansprüchen gegen Berufsgenossenschaften (§. 28 Abs. 3, §§. 113, 128 Abs. 3 des Gesetzes),
d) bei Revisionen gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte (§. 116 des Gesetzes),
e) bei Verhandlungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§. 119 des Gesetzes).
5. Stellt sich bei der mündlichen Verhandlung über die in Ziffer 4 bezeichneten Entscheidungen heraus, daß es sich um eine noch nicht festgestellte Auslegung solcher gesetzlichen Bestimmungen handelt, die nach dem Ermessen der Spruchkammer von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung sind, oder will die Spruchkammer in einer Rechtsfrage von einer früheren Entscheidung einer Spruchkammer abweichen, so ist die Entscheidung durch Beschluß auszusetzen und zugleich die Sache der erweiterten Spruchkammer zur Verhandlung und Entscheidung zu überweisen.
In denselben Fällen kann auch der Vorsitzende der Abtheilung oder der Spruchkammer schon vor der mündlichen Verhandlung die Sache an die erweiterte Spruchkammer verweisen, wenn er und der Berichterstatter darüber einverstanden sind, daß es sich bei der Entscheidung um die noch nicht festgestellte Auslegung gesetzlicher Bestimmungen von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung handelt.
Die erweiterte Spruchkammer entscheidet in der Besetzung von sechs Mitgliedern des Reichs-Versicherungsamts einschließlich des Vorsitzenden, unter denen sich ein von dem Bundesrath aus seiner Mitte gewähltes nichtständiges Mitglied sowie je ein Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten befinden müssen, unter Zuziehung eines richterlichen Beamten. An Stelle des Mitglieds aus dem Bundesrath ist im Behinderungsfall ein ständiges Mitglied des Reichs-Versicherungsamts zuzuziehen.
6. Beschlüsse, durch welche Revisionen ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen werden, erfolgen in der Besetzung von drei Mitgliedern, unter denen sich je ein Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten befinden muß (§. 110 Abs. 2 des Gesetzes).
7. Bei Revisionen gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte und bei Verhandlungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, auch ohne daß es eines Antrags bedarf, zu prüfen, ob und in welchem Betrag eine unterliegende Partei dem Gegner die ihm in dem Verfahren vor dem Reichs-Versicherungsamt erwachsenen Kosten zu erstatten hat. Wird die Erstattung solcher außergerichtlichen Kosten angeordnet, so ist deren Höhe im Urtheile festzusetzen; diese Beträge werden durch Vermittelung des Reichs-Versicherungsamts in derselben Weise beigetrieben, wie Gemeindeabgaben. [689]
8. Beschwerden gegen die durch die Rechnungsstelle durchgeführten Vertheilungen und Abrechnungen werden im Wege der Verfügung erledigt. Dies gilt auch für Einsprüche und Widersprüche gegen derartige Maßregeln, soweit sie auf Grund des Gesetzes vom 22. Juni 1889 noch zu erledigen sind. Handelt es sich dabei um eine noch nicht entschiedene Frage von erheblicher grundsätzlicher Bedeutung oder soll von einer früheren Entscheidung abgewichen werden, so ist die Sache an die erweiterte Spruchkammer zu verweisen.
9. Mit dem 1. Januar 1900 tritt diese Verordnung an die Stelle der Verordnung, betreffend die Formen des Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Versicherungsamts in den Angelegenheiten der Invaliditäts- und Altersversicherung, vom 20. Dezember 1890.
Ihre Vorschriften finden auf die zu diesem Zeitpunkte noch schwebenden Revisionen über Rentenansprüche Anwendung.
Die zu demselben Zeitpunkte vor dem Reichs-Versicherungsamt oder einem Schiedsgerichte schwebenden Streitigkeiten wegen Erstattung von Beiträgen werden im Beschwerdeverfahren gemäß §. 128 Abs. 4 des Invalidenversicherungsgesetzes weiter verhandelt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin im Schloß, den 6. Dezember 1899.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Posadowsky.