„Die Illyrische Schweiz“

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Autor: H. v. C.
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Titel: „Die Illyrische Schweiz.“
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aus: Die Gartenlaube, Heft 41, S. 678–682
Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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„Die Illyrische Schweiz.“
Ein Blick in das österreichische Occupationsland.

„Die Welt ist vollkommen überall,
Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual“ –

Das schwere Wort, welches unser Schiller den Chor in der „Braut von Messina“ aussprechen läßt, – es drängt sich uns auf, so oft wir die Landkarten der bewohnten Erde an unserem Auge und das Schicksal ihrer Bewohner an unserem Geiste vorübergehen lassen. Nirgends jedoch tritt Schiller’s harter Urtheilsspruch gerechtfertigter, der Contrast zwischen der Schönheit und Gabenfülle des Landes und dem Schicksal und der Bildungsstufe der Menschen, die es bewohnen, uns greller entgegen, als auf dem Boden, welchen man bis zum Berliner Congreß des laufenden Jahres „die europäische Türkei“ nannte. Als der unglücklichste Theil dieses traurigen Reiches mußte aber der nordwestlichste Winkel desselben bezeichnet werden, das erst seit dem leider noch nicht letzten Türkenkriege wieder vielgenannte Bosnien mit der Herzegowina.

Wem es je vergönnt war, das im Süd und Ost von den stamm- oder schicksalsverwandten Montenegrinern, Albaniern und Serben begrenzte und im Nord und West vom österreichisch-ungarischen Reiche umklammerte Bosnien zu durchwandern, den mußte Entzücken und Entsetzen zugleich ergreifen: Entzücken über die Schönheit und Großartigkeit der Natur, die vom schneegekrönten Alpengipfel bis zu den anmuthigen Thälern und fruchtbaren Gefilden Alles darbietet, was eine zahlreiche Bevölkerung wohlhabend und glücklich machen könnte, – und Entsetzen über die fast unglaubliche Verwahrlosung und Verkümmerung von Land und Menschen zugleich. Kaum Vierfünftel des wasserreichen und üppigen Bodens ist bebaut; das ganze Gebiet war Eigenthum der brutalen Faulheit, die sich von Dem zu mästen verstand, was die unterjochte Menschenheerde unter Zwang und Noth auf Acker und Weide hervorbrachte.

Ja, „Menschenheerde“ ist sogar noch eine veredelte Bezeichnung für diese christliche Landbevölkerung, denn das Wort „Rajah“ mit welchem der Türke sie gebrandmarkt hat, bebeutet: „Viehheerde“; es ist dem Koran entnommen, dessen neunzehnte Sure die Gläubigen lehrt: „Am jüngsten Tage werden wir die Frevler in die Hölle treiben, wie eine Heerde Vieh zum Wasser getrieben wird.“

Wir haben es während des letzten Kriegs der Russen gegen die Türken erlebt, daß Stimmen sich erhoben, welche nicht nur die von den Türken begangenen Unmenschlichkeiten zu beschönigen, sondern auch die Zustände der Rajah ihnen selbst zur Last zu legen versuchten; sie kamen vorzugsweise aus englischen und magyarischen Federn, und beide logen aus allbekannten selbstsüchtigen Gründen. Die österreichische Occupation wird die volle Wahrheit an den Tag bringen. Eben deshalb ist es an der Zeit, durch einen, wenn auch raschen, Rückblick auf die Vergangenheit Bosniens zu erkunden, durch welche Schicksale es dort so geworden ist, wie wir es heute finden. Die Geschichte Bosniens ist reich an denkwürdigen Thaten, die eine eingehendere Schilderung verdienten; wir gewinnen wohl auch dafür Raum, wenn die Erfüllung der Hoffnungen, die wir auf die Erschließung des Landes durch Oesterreich setzen, Land und Volk unserer Theilnahme noch näher gerückt hat. Vor der Hand müssen wir uns auf wenige große Züge der bosnischen Geschichte beschränken.

Jedes Volk, dem Freiheit und Selbstständigkeit nicht allzu lange ganz verloren gegangen, hat in Sagen und Volksliedern sich Zeugen seiner frühesten Vorzeit gerettet. Die Bosnier und trotz ihrer langen Knechtschaft noch immer nicht arm an Sage und Liedern, aber die Freude am Singen wird ihnen durch ihr hartes Loos nur zu oft vertrieben; zur Erntezeit wird es jedoch laut in der Flur, wohl oft angeregt durch die serbischen Hülfsarbeiter, welche dann zahlreich aus dem freieren Lande nach Bosnien herüberkommen. In der Herzegowina, wo das Volk in seiner Felsenfeste dem türkischen Druck nicht so völlig erlag, wie in Bosnien, ist auch mehr Sangeslust gerettet und erzählen die Sänger gern von den Thaten gefeierter Helden ihres Volks. Während aber ihre glücklicheren Nachbarn in Serbien und Montenegro noch Heroen aus uralten Tagen im Liede preisen, ergeht das dichtende Volksgedächtniß der Herzegowina sich am liebsten in Kämpfen gegen den türkischen Unterdrücker.

Die gelehrte Forschung läßt aus der Sagenzeit verschiedene indogermanische Völkerschaften im Kampfe um das Land westlich von der Drina in die Dämmerung der Geschichte eintreten, die erst heller wird mit der Gründung des Illyrischen Reichs, des Nachbars von Macedonien unter seinen berühmtesten Königen Philipp und Alexander dem Großen. Im Jahre 168 vor Chr. waren beide Reiche den Römern erst zum Theil und 90 Jahre später ganz unterworfen. Bei der Theilung des römischen Reiches bildete die Drina die Grenze zwischen dem ost- und weströmischen Reiche, und Westillyrien mit Bosnien folgte fortan in politischer und kirchlicher Beziehung den Gebote Roms, bis auch dieses durch die Völkerwanderung über den Haufen gerannt wurde.

In Folge der Völkerwanderung, an der Pforte des Mittelalters, drangen neue Völker auch in Illyrien ein und besetzten die Gebiete, die sie noch heute inne haben. Gegen die Avaren, die schon zur Zeit des Kaisers Heraclius das Land heimgesucht hatten, zogen die slavischen Chrobaten und Sorben (Serben) heran. „Die Chrobaten oder Croaten,“ berichtet A. von Schweiger-Lerchenfeld,[1] dem wir hier folgen, „kamen wahrscheinlich von der Nordseite der Karpathen, die Sorben aber, ein Jahrzehnt später, aus der Lausitz.“ Die Croaten wurden nach langem Kampfe der Avaren Herr, und die serbischen Stämme ließen sich schließlich in der heutige Herzegowina nieder, die diesen Namen erst erhielt, als das Land sich dem Kaiser Friedrich dem Dritten unterworfen hatte, welcher es zu einem „Herzogthum St. Sawa“ erhob; Herzegowina bedeutet „das Land des Herzogs“.

Wir übergehen eine Reihe blutiger Kämpfe zwischen den Herren und Nachbarn des Landes, bis wir es als Königreich unter Stepan Twartko dem Ersten finden. Er erlebte noch die Schlacht auf dem Amselfeld, am 15. Juli 1389, welche die Osmanen Murad’s des Ersten zu seinen Nachbarn machte, und starb am 13. März 1391. Schwere Zeiten und große Thaten [679] erfüllen die Königstage Bosniens, und um so trauriger ist es, daß der letzte König kein Held war. Nach schmachvoller Demüthigung vor dem kriegerischen Sultan Mohammed dem Zweiten wurde er 1463 auf der Hochebene von Bilaj hingerichtet. Zwanzig Jahre später waren die Türken auch Herren der Herzegowina. Noch dreiundsechszig Jahre lang suchte Ungarn den Türken den Besitz Bosniens streitig zu machen, bis die Schlacht bei Mohacz für die Türken entschied. Kein späterer Türkenkrieg änderte diesen Besitzstand, und der Friede von Carlowitz (1699) erhob den Sultan zum anerkannten Herrn des gesammten Bosniens.

Vor zwei Jahren hätte die Pforte sich mit den Kränzen des vierthalbhundertjährigen Jubiläums der Beherrschung Bosniens schmücken können; das Land feierte es durch den Ausbruch der Empörung. Die Umgestaltung aller Besitzverhältnisse hatte sofort mit der vollbrachten Eroberung begonnen, und sie ging rasch von Statten, denn sie fand bereitwillige Hand gerade in den Schichten des Volkes, dem die Ehre desselben hätte am heiligsten sein sollen. Da in den Augen der Türken nur die Gläubigen zum Besitz berechtigt waren, so schwor zuerst der bosnische Adel den christlichen Glauben ab, um seine Vorrechte zu retten. Seinem Beispiel folgte ein Theil der Bevölkerung und als Dritte die Secte der Bogomilen. Es sollen dies versprengte Waldenser gewesen sein, die gegen Ende des zwölften Jahrhunderts nach Bosnien und Dalmatien gekommen waren, wohin sie zu den schon vorhandenen zwei confessionellen Gegensätzen noch den dritten gebracht hatten. Sie waren die Ursache vieler Kämpfe und Verwüstungen, bis sie, gegen 40,000 Seelen stark, wegen harter Bedrückung in Bosnien nach der Herzegowina auswanderten. Stets von den beiden christlichen Confessionen angefeindet, traten sie jetzt zum Islam über und sind mit der Zeit von allen Renegaten die furchtbarste Geißel der Rajah geworden.

Die osmanischen Eroberer theilten nach dem bei ihnen herkömmlichen Brauche alles Land in drei Theile; einen Theil erhielt der Sultan, den zweiten die „Todte Hand“ und den dritten der Lehensadel. An das Volk kam nichts. Einen klugen Schritt zu ihrer Machtstärkung thaten die Türken damit, daß sie das Land in fünf große Heerbanne mit etwa vierzig Spahiliks (Capitainschaften) eintheilten. An der Spitze der Heerbanne standen die Sandschak-Beys, an jener der Spahiliks die Spahis, die einen erblichen Kriegsadel bilden, steuerfrei bleiben und von den Erträgnissen des Bodens ihres Gebiets den Zehnten (Dessetina) erhalten sollten. Auch der kleinere und kleinste Adel (Beys und Agas) erhielt entsprechende Vorrechte, war jedoch kein eigentlicher Kriegsadel und hatte, trotz seines Grundbesitzes, auf welchem die Rajah (die ihrem Glauben treu gebliebene Landbevölkerung) nur Pächter (Kmets) waren, keinen Anspruch auf den Zehnt.

War diese rücksichtsvolle Behandlung des Renegatenthums schon geeignet, den christlichen Landbewohnern einen harten Stand zu bereiten, so kam das Aussaugesystem, dem sie schutzlos preisgegeben waren, doch erst recht in Flor, als die Nachkommen der Renegaten sich als geborene Mohammedaner fühlten. Sie trieben’s toller, als die wirklichen Osmanen. Um das Uebel ganz voll zu machen, kam dazu noch ein eingeborenes Janitscharencorps, das in seinen Ansprüchen an die Rajah jedoch die Spahis und Beys noch überflügelte. Alle diese Renegaten-Nachkommen waren es auch, welche jede den Christen von Constantinopel anscheinlich bestimmte Erleichterung unmöglich machten, ja, mit Revolutionen nicht nur drohten, sondern sie sogar ausführten, wenn irgend eine Maßregel zu Gunsten der Rajah ihrer Beutegier ein Hinderniß zu bereiten drohte.

Wenn es trotz alledem in der letzten Zeit den Anschein hatte, als wollten die Verhältnisse der Rajah sich etwas erträglicher gestalten, so kam dies daher, daß der mohammedanische Bauer zuletzt nicht viel besser daran war, als der christliche, und daß Beide keine Abhülfe mehr von Stambul erwarteten. Das Grundübel lag an der „Efendi“-Wirthschaft in Stambul, welche durch den Erlös der verkauften Beamtenstellen ihr Lotterleben möglich und dagegen jede Steuerordnung unmöglich machte. Je theurer eine solche Stelle war, desto mehr beeilte sich der Beamte, innerhalb seines Verwaltungsbezirkes rücksichtslos zusammenzuscharren, so viel er vermochte. Was half alles Ach und Weh dem christlichen Bauern, dessen Zeugniß vor Gericht gegen jeden Mohammedaner ungültig war und der für jede Beschwerde sich unmenschlicher Rache aussetzte?

Wie ungeachtet aller Verordnungen und Befehle von Stambul in den Provinzen Alles beim Alten blieb, dafür lassen wir zwei Beispiele sprechen.

„Hatischerif von Gülhane“ hieß das Verfassungsstatut vom 2. November 1839, welches verkündete: „Die Regierung werde die Sicherheit des Lebens, der Ehre und des Eigenthums ihrer Unterthanen ohne Unterschied des Glaubens mit aller Energie zu wahren wissen.“ Trotz dieser Glaubens-Sicherung verurtheilte der Stambuler Staatsrath einen Armenier, der den Islam angenommen und später reuig wieder aufgegeben hatte, zum Tode. Als der englische Gesandte Einspruch erhob, warf im Rathe der Großmufti nur die Frage auf: „Sind wir Mohammedaner?“ Das Urtheil ward unter dem Jubel des Volkes vollzogen, und zum Hohne aller Giaurs setzte man dem am Fischmarkt auf einen Spieß gesteckten Kopf des Hingerichteten einen Cylinderhut auf.

Dieselbe Beachtung fand der „Hati Humajun“ von 1856, welcher die völlige Gleichstellung der Christen mit den Mohammedanern aussprach. Als der Pascha von Erzerum den armenischen Bischöfen das großherrliche Schriftstück mittheilte, that er es mit der Bemerkung: wenn sie dasselbe öffentlich bekannt machten, so möchten sie für ihre Köpfe sorgen. Derselbe Pascha steckte nach wie vor jährlich nur an ungesetzlichen Steuern das Sümmchen von 800,000 Franken in seine Tasche.

Die politischen Humanitäts-Schauspiele der Pforte, deren Vorhang bald aus Haß gegen Rußland, bald zur Beschwichtigung der Großmächte des Abendlandes aufgezogen wurde, blieben für die Rajah selbst ohne jede Bedeutung. Nach wie vor lebte die christliche Bewohnerschaft im Sclavendienste der osmanischen Herren und mußte den Sclavenzoll der Kopfsteuer („Haradsch“) für die Erlaubniß ihres rechtlosen Daseins erlegen.

Eine Volkszählung nach unseren Begriffen fand dort nie statt; sie war schon unmöglich, weil bei dem mohammedanischen Theil der Bevölkerung das weibliche Geschlecht davon ausgeschlossen worden wäre. Nur ungefähre Schätzung ist es, welche Zahlen aufstellt, die zwischen 1,105,000 und 1,242,000 schwanken. Berechnet man, daß durch den Berliner Friedensvertrag ein Theil der Herzegowina an Montenegro abgetreten wurde und daß die letzten Revolutionen und Kriege viel Menschenleben gekostet, so wird die jetzige Bevölkerungszahl wohl hoch genug zur runden Summe von einer Million angeschlagen. Von diesen gehört etwa die Hälfte den beiden christlichen Confessionen an, von welchen wiederum etwa Vierfünftel dem griechisch- und der Rest dem römisch-katholischen Cultus huldigt. – Da eigentliche Osmanen nur in geringer Zahl in den größeren Städten zerstreut leben und nirgends in einflußreichen Massen auftreten, so ist die gesammte mohammedanische wie christliche slavische Bevölkerung Bosniens und der Herzegowina in ihrem ursprünglichen Wesen unberührt geblieben. Körperlich ihren Stammverwandten im östereichischen Croatien und in Serbien noch vollkommen gleich an hohem Wuchs, an Haltung und Gesichtsbildung und nur geistig gedrückter, haben sich ihre guten und schlimmen Sitten und Gebräuche aus uralter Zeit ziemlich unverändert erhalten. Ihre schöne Sprache, die bosnisch-serbische, hat besonders auf dem Lande nicht das Geringste an Reinheit und Wohllaut verloren, und ebenso fest bewahrten sich selbst die mohammedanischen Bosnier ihre alten Familiennamen.

Von den beiden christlichen Confessionen ist leider gerade die stärkste, die griechische, in jeder Beziehung, auch hinsichtlich der Geistlichkeit, am schlimmsten daran. Während bei den Katholiken der Orden der Franziskaner (schon seit dem Anfange des dreizehnten Jahrhunderts dort thätig) durch Beispiel und Lehre, durch Uneigennützigkeit und Opferfreudigkeit wirklich ein Segen für das unterjochte Volk war, sind die griechischen Geistlichen dem ihren nur eine Last mehr. Von Metropoliten bis zum untersten Popen, von denen viele weder lesen noch schreiben können, sucht Jeder die Kirchenabgaben möglichst hoch zu steigern, und so ist es wohl möglich, was Maurer und Thoemmel in ihren Büchern über Bosnien erzählen, daß dort erwachsene Personen noch ungetauft herumlaufen, weil ihre Eltern die Taufgebühren nicht zu erschwingen vermochten.

Es ist selbstverständlich, daß ein solches Volk auch in seiner äußeren Erscheinung das armselige Innere treu widerspiegelt. Wie stattlich auch der Körperbau dieser Menschen sich erhalten hat, so können sie die Gewohnheiten ewiger Unterwürfigkeit nicht verbergen. Nur in den Augen leuchtet manchmal noch ein Blitz,

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Bosnische Volks-Typen.
Nach dem Leben gezeichnet von Franz Zverina.

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Bosnisches Haus und Rajah-Hütte.
Nach der Natur aufgenommen von Franz Zverina.

[682] der uns mit der Hoffnung erfreut, daß auch diese so ganz niedergedrückten Naturen wieder zu heben seien. Es wäre von Seiten der Osmanen gar nicht nöthig gewesen, den Christen das Tragen gewisser Stoffe und jeder Art von Waffe zu verbieten: man hätte sie doch erkannt an ihrer Tracht. Der christliche Bosnier kleidet sich, wie unser Berichterstatter schildert, meist in dunkle Stoffe, er trägt das einfache Fez von einem braunrothen oder noch dunkleren Tuche umwunden, hüllt seine Beine in faltenreiche blaue Beinkleider, die bis zum Knie reichen. Eine Art Gamaschen, dann Opanken (Bundschuhe) und ein Tuchgürtel, über dem meist noch ein lederner Taschengürtel befestigt ist, in welchem sich einige Habseligkeiten befinden, und mitunter ein „Jelek“, eine Art Spenser von gestreiftem Baumwollenzeug mit langen quergestreiften Aermeln – das ist Alles, was er auf dem Leibe trägt. Daß auch die langen weiten ungarischen Beinkleider mit vorkommen können, zeigt unsere Abbildung eines griechischen „Insurgenten“, der, wie der sitzende Junge, den der Künstler „Siromacek“ (Waise) nennt, als bosnischer Flüchtling abgebildet worden ist.

Die Tracht der Frauen ist theils der serbischen oder morlackischen, theils der türkischen nachgeahmt. In der letztern zeigen sie sich mit einer gelben, rothen oder braunen weitärmeligen, vorne offenen Jacke bekleidet, unter welcher ein niederes Mieder das bis zum Gürtel offene Hemd theilweise bedeckt. Keine sonderliche Zierde sind meistentheils die Beinkleider von dunkler Farbe, die ihnen von den Hüften bis zu den Knöcheln reichen; die gewöhnlich bloßen Füße stecken entweder in Pantoffeln oder in weit ausgeschnittenen, am Fuße festgebundenen Schuhen. Das Haupt der Bäuerinnen bedeckt entweder ein Fez oder der sogenannte „Tarposch“, ein weiter, haubenartiger Kopfputz, den unsere Abbildung von drei Bosniakinnen von allen Seiten zur Anschauung bringt. Die Kleidung des mohammedanischen Bauern ist von der des christlichen auf den ersten Anblick wenig zu unterscheiden; nur trägt er gern hellere Farben, am liebsten hochrothe, und schließt sich im Uebrigen meist der allgemeinen türkischen Tracht mehr an.

Eine eingehendere Schilderung des Lebens und der Lebensnothdurft der Rajah müssen wir uns für einen spätern Artikel vorbehalten, um für diesmal noch einen Blick auf das bosnische Haus werfen zu können.

Wie überall der Hausbau sich nach dem zugänglichsten Material richtet, so finden wir denselben auch in der steinreichen Herzegowina anders als im holzreichem Bosnien. Das bosnische Haus besteht meistens aus Fachbau von ziemlich schwachen Balken. Die Fächer mauert man entweder mit Lehmziegeln aus, oder sie werden mit Fachhölzern versehen, dann mit Fachgerten durchflochten und mit Lehm verschmiert. Als Fenster läßt man kleine Löcher frei, für die freilich nur selten der Schutz des Fensterglases vorhanden ist. Das Haus eines Mohammedaners ist sofort an dem buntbemalten Holzgitter zu erkennen, welches die Fenster des Frauengemachs verschließt. Das Schindeldach ist gleich so eingerichtet, daß der Rauch von Herden, Kaminen und Oefen keines Schornsteins zum Abzug bedarf. Das Erdgeschoß ist gewöhnlich für das Vieh und oft auch für das Gesinde bestimmt. Zum oberen Stock führt in der Regel eine bedeckte Freitreppe aus Gebälke und Brettern, die zunächst in eine Art Veranda („Divanhan“) mündet, den Lieblingsaufenthalt der Familie in den guten Jahreszeiten (vgl. unsere Abbildung S. 681). Von da gelangt man auf den Vorplatz und in die einzelnen Wohnräume. Da diese häufig keine Decke, sondern gleich das Dach über sich haben, so hat es etwaiger Rauch um so leichter, ins Freie zu gelangen. Hausrath, wie in unseren Bauernstuben, sucht man hier vergebens. Dafür findet man stets Wandschränke, die mitunter künstliche Schnitzerei zeigen, vor Allem aber eine Art Pritschen, die etwa acht Zoll über dem Boden mehrere Wände entlang und gewöhnlich drei Fuß breit angebracht und, je nach dem Wohlstand der Familie, mit Matratzen, Teppichen oder Rohrmatten belegt sind. Das sind schon stattliche Häuser. Neben ihnen leistet die Baukunst auch Geringeres, wenn auch bisweilen Kühneres, wie (in unserer Abbildung) die malerische Hütte zeigt, die man offenbar auf abgesägten Baumstämmen errichtet hat.

In der Herzegowina herrscht der Steinbau vor, wenn man die dort am häufigsten vorkommenden steinernen Höhlen mit ihren platten Dächern, niedriger Thoröffnung und ganz kleinen Fensterluken, die häufig auch ganz fehlen, noch Häuser nennen will. – Die Bedürfnißlosigkeit wächst mit dem Unwerth des Lebens. Möge auch für diese Völker die Zeit kommen, wo sie den wahren Werth des Daseins erkennen lernen und dort der Mensch der vom Himmel so reich gesegneten Natur froh wird und ihr zum Schmuck dient!

H. v. C.
  1. Bosnien. Das Land und seine Bewohner. Geschichtlich geographisch, ethnographisch und social-politisch geschildert von Amand Freiherr von Schweiger-Lerchenfeld. Mit acht Original-Illustrationen und einer Uebersichtskarte. Wien, L. C. Zamarski, 1878.