ADB:Hendreich, Christoph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Hendreich, Christoph“ von Hermann Pieper in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 183–185, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hendreich,_Christoph&oldid=- (Version vom 28. April 2024, 16:06 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Helwing, Ernst
Nächster>>>
Henke, Ernst
Band 50 (1905), S. 183–185 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Christoph Hendreich in der Wikipedia
Christoph Hendreich in Wikidata
GND-Nummer 124601766
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|183|185|Hendreich, Christoph|Hermann Pieper|ADB:Hendreich, Christoph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=124601766}}    

Hendreich: Christoph H., brandenburgischer Geschichtschreiber und Bibliothekar des Großen Kurfürsten, geboren 1630 (oder frühestens 1629) zu Danzig, † am 26. August 1702 zu Berlin. Er entstammte einer in Nordfrankreich ansässigen Familie („Henriques“), von der ein Zweig nach Deutschland ausgewandert war und hier den Namen „Hendreich (Hendrich)“ angenommen hatte. Der Urgroßvater unseres Christoph wurde von dem Kaiser in den Adelstand erhoben; der Vater lebte als Privatmann in Danzig. Ueber Christoph’s Jugend wissen wir nur, daß er 1648 zusammen mit einem jüngeren Bruder Namens Peter in Frankfurt a. d. O. als Student immatriculirt wurde. Sechzehn Jahre später wurde er auf Grund seines wissenschaftlichen Werkes: „Carthago, sive Carthaginiensium respublica, quam ex totius fere antiquitatis ruderibus primus instaurare conatur Ch. H.“ (Frkf. a. O. 1664) an derselben Universität Professor der Jurisprudenz und der Geschichte; aber schon im nächsten Jahre wurde er nach Berlin berufen, um daselbst, infolge seines eigenen Anerbietens, zusammen mit seinem Bruder Peter in kurzer Zeit die kurfürstliche Bibliothek, welche damals der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden war, zu ordnen und zu katalogisiren. Nachdem er dies zur Zufriedenheit des Kurfürsten gethan hatte, siedelte er 1666 ganz nach Berlin über und wurde 1668 unter gleichzeitiger Verleihung des Rathstitels zum Bibliothekar ernannt. In dieser Stellung verblieb er bis zu seinem Tode. – 1670 verheirathete er sich mit einer Tochter des Hofpredigers Bergius. Der Ehe entsprossen vier Kinder. Ein Sohn, Peter Ludwig, wurde später des Vaters Gehülfe an der Bibliothek und dann Hofprediger in Potsdam.

Drei größere wissenschaftliche Arbeiten haben H. während der letzten drei Jahrzehnte seines Lebens beschäftigt, allerdings auch die Arbeitskraft des ohnehin mit Amtsgeschäften schon stark überbürdeten Mannes derartig zersplittert und vermindert, daß er zur Herausgabe umfangreicher Werke eigentlich nicht gekommen ist: eine zusammenhängende Darstellung der brandenburgischen Geschichte, ein märkisches Familien- und ein allgemeines Gelehrten-Lexikon.

[184] Gleich andern Gelehrten, die vom Großen Kurfürsten aufgefordert waren, eine Geschichte seines Staates zu schreiben, erhielt auch H. auf seinen Wunsch den Auftrag (1669), daß er mit Benutzung der Vorarbeiten von Martin Schook(-ius, † 1668) eine Geschichte der Mark Brandenburg verfasse. Sogleich trat H. mit einem fertigen Plane hervor. Das ganze Werk sollte aus fünf Theilen bestehen. Die älteste Zeit der märkischen Geschichte wollte er selbst neu bearbeiten; für die folgende Epoche bis 1500 sollten die entsprechenden Abschnitte aus den (damals nur handschriftlich vorhandenen) „Successiones“ des Zach. Garcaeus (Gartz, 1544–86) gedruckt, für das 16. und 17. Jahrhundert die „Commentarii“ des Nic. Leutinger (1554–1612) und die „Genealogia Electorum et Marchionum Brandenb. ex Burggraviis Norimbergensibus“ O. Boettcher’s, diese allerdings in verbesserter und fortgeführter Bearbeitung, wiederholt werden, worauf eine Sammlung von Urkunden und andern Geschichtsquellen das Ganze beschließen sollte. Aber von diesem Werk ist außer dem „Prodromus ad Annales Marchiae Brandenburgensis“ (Berlin 1669), dem orientirenden Plan, nichts erschienen, und abgesehen von einem geringen Bruchtheil des ersten Theiles, den G. G. Küster in seiner „Collectio opusculorum historiam Marchicam illustrantium“, 6. und 7. Stück, Berlin 1730, S. 47–83, wiederabgedruckt bei Kleyb-Schmelzeisen, Scriptores rerum Marchiae Brandenburgicae, P. I, Frkf. a. O. 1742, S. 161–191, veröffentlicht hat, liegen die inzwischen veralteten und werthlos gewordenen Vorarbeiten (1 Folioband, enthaltend den 1. Theil der Annales, und 4 Cartons loser Blätter mit Notizen für die späteren Theile) ungedruckt und unbenutzt in dem Geh. Staatsarchiv zu Berlin. Man darf wol annehmen, daß die Vollendung und Publication des Werkes unterblieben ist, weil eine solche aus verschiedenen Schriften zusammengesetzte Darstellung der märkischen Geschichte die Billigung des Großen Kurfürsten nicht gefunden hat.

Gewissermaßen als Abschlagszahlung kann das für den Schulgebrauch bestimmte, in deutscher Sprache verfaßte, anonym erschienene Schriftchen: „Deren die Mark zu Brandenburg betreffende Sachen. Erster Entwurff. Verfaßt in zwo Theile. Der I. handelt von der Beschreibung des Landes … Der zweite stellet für aller Markgrafen und Churfürsten zu Brandenb … Geschlecht Register bis aufs Jahr 1681“ (Berlin 1681, in 12°) angesehen werden, welches G. G. Küster noch 50 Jahre nach dem Erscheinen als das beste Compendium der märkischen Geschichte bezeichnete.

Unvollendet und infolgedessen auch ungedruckt geblieben sind die „Genealogiae praecipuorum Marchicorum“, vorliegend in zwei Quartbänden, welche sich gleichfalls in dem Geh. Staatsarchiv zu Berlin befinden. Die erst 1725 als Anhang der (anonym erschienenen) Schrift: „De scribenda historia bibliothecae regiae Berolinensis consilium et occasio“ veröffentlichte „Notitia Bibliothecae, quam … Fredericus Wilhelmus, Marchio et Elector Brandenburg., in aula sua Colonia ad Spream fundavit“, eine an den Großen Kurfürsten gerichtete, vom 25. April 1687 datirte „Epistola de … Bibliothecae incunabulis“, ist weiter nichts als eine Art Rechtfertigungsschrift für Hendreich’s bibliothekarische Thätigkeit, werthvoll jedoch für die Geschichte der ersten Anfänge dieses großartigen Institutes.

Das bedeutendste Werk Hendreich’s, von dem wenigstens ein, wenn auch nur geringer Theil erschienen ist, sind die „Pandectae Brandenburgicae“, die erste litteraturhistorische und bibliographische Encyklopädie, die nach Vollständigkeit strebte. Leider ist von diesem Werk, das, wie sein Titel andeutet, den Ruhm der Mark Brandenburg und ihrer Landesbibliothek verherrlichen sollte, nur ein Band, umfassend die Buchstaben A und B (Berlin 1699, in [185] Folio) erschienen; der zweite Band, welcher die Buchstaben C und D bringen sollte und bereits im Manuscript druckfertig vorlag, sowie die folgenden, für welche die Vorarbeiten schon gemacht waren, sind ungedruckt geblieben, ja das gesammte Material ist, wie es scheint, jetzt vollständig verschollen. Von den zahlreichen Katalogen der Kurfürstlichen Bibliothek, die H. selbst angefertigt hat, besitzt die jetzige Königl. Bibliothek zu Berlin noch eine Anzahl; auch sie zeugen von dem unermüdlichen Fleiß und der großen Arbeitskraft des Mannes.

Wenn auch H. nicht zu den großen Gelehrten des 17. Jahrhunderts zu rechnen ist, so verdient doch die gewissenhafte Gründlichkeit, mit der er die übernommenen amtlichen und wissenschaftlichen Arbeiten auszuführen bemüht war, unsere volle Anerkennung.

G. G. Küster, Collectio opusculorum historiam Marchicam illustrantium, Stück 6 u. 7, S. 181–189. – Friedr. Wilken, Geschichte d. Kgl. Bibliothek zu Berlin (Berlin 1828), S. 32 ff. – Ernst Fischer, Die officielle brandenburgische Geschichtschreibung zur Zeit des Großen Kurfürsten in der Zeitschr. f. Preuß. Geschichte u. Landeskunde XV (1878), S. 408 bis 411. – Gust. Oppenheim, Christoph Hendreich, Churfürstlich-Brandenburgischer Rat und Bibliothekar, Wissenschaftliche Beilage z. Jahresbericht d. zweiten Realschule zu Berlin, Ostern 1904, 32 Seiten in 4°.