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ADB:Albrecht II. von Regenstein

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Artikel „Regenstein, Albrecht II., Graf von“ von Eduard Jacobs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 53 (1907), S. 260–267, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Albrecht_II._von_Regenstein&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 01:49 Uhr UTC)
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Regenstein: Albrecht II., Graf von R., geboren gegen 1290, † 1348. Das nach den harzischen Berg- und Felsenschlössern Blankenburg und Regenstein genannte, seit den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts in die Geschichte eintretende Herrengeschlecht, das sich schon zu Kaiser Lothar’s des Sachsen Zeit im Besitze der im J. 1052 dem Bisthum Halberstadt verliehenen Grafschaftsrechte im größten Theile des Harzgaues befand, nahm im 13. und im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts unter seinen Standesgenossen am Nordharz entschieden die erste Stelle ein. Immerhin bewegen sich die Geschicke und Thaten seiner weltlichen Mitglieder nur auf einem engeren landschaftlichen Boden. Verhältnißmäßig zahlreich treten dagegen geborene Grafen und Gräfinnen von Blankenburg und Regenstein im geistlichen Stande hervor. Nennenswerth sind unter den ersteren in der zweiten Hälfte und gegen Ende des 12. Jahrhunderts Judith, Aebtissin zu Drübeck, Margareta, Pröpstin zu Gernrode, Mechtild, die Stifterin des Klosters St. Jacobi zu Halberstadt. Viel weiter greifen namhafte Kirchenfürsten aus diesem nordharzischen Grafenhause in unsere Geschichte ein: der ernstgerichtete Bischof Reinhard von Halberstadt (1106–1123), Siegfried II., Bischof von Samland (1296–1318), Erzbischof Burchard von Magdeburg (1296–1305) und Bischof Hermann von Halberstadt (1296–1303).

Von den weltlichen Mitgliedern dieses zeitweise weitverzweigten Hauses hat nur eines in der geschichtlichen Ueberlieferung eine größere Bedeutung gewonnen, nämlich der im J. 1310 zuerst urkundlich genannte, im J. 1348, vielleicht auch erst im nächsten getödtete Graf Albrecht II. v. R. Freilich lebt sein sehr entstelltes Bild als das des „Raubgrafen“ mehr in Dichtung und Sage, als in der wahren geschichtlichen Ueberlieferung unter uns fort, obwohl seine Geschicke und Thaten es wohl werth sind, der Wahrheit und Wirklichkeit entsprechend der Nachwelt übermittelt zu werden.

Um sein Wirken und seine Bedeutung zu verstehen, müssen wir auch auf Person und Werk seines Vaters Graf Ulrich’s III. (1287–1322), der nächst ihm wohl der bedeutendste unter den weltlichen Mannssprossen des Hauses ist, den Blick richten. Beide gehörten einer im 13. Jahrhundert abgezweigten, nicht regierenden Linie des Hauses an, die nach dem westlich von Blankenburg gelegenen Schlosse Heimburg genannt wurde. Zu Ulrich’s III. Zeit saß auf dem Halberstädter Bischofsstuhle Albrecht I. aus dem Geschlecht der Fürsten von Anhalt, dessen eifrig und glücklich verfolgtes Bemühen auf die Mehrung [261] der weltlichen Besitzungen des Hochstifts gerichtet war. Letztere beschränkten sich zu Anfang seines Regiments auf die Städte Halberstadt und Osterwiek und die Schlösser und Festen Hornburg und Langenstein, während den Grafen von Blankenburg und Regenstein ausgedehnte Besitzungen und Rechte von den Höhen des Harzes bis zum Großen Bruch bei Oschersleben und Hornburg und von der Oker im Westen bis zur Bode im Osten zustanden. Durch kluge Verhandlungen erreichte der Bischof bei der regierenden Linie der Regensteiner die Rückgabe des verpfändeten Schlosses Emersleben und bei den Grafen von Mansfeld die käufliche Ueberlassung eines größeren Besitzthums in Schwanebeck. In klugberechneter Weise übertrug er dann die Bewachung des starkbefestigten Schwanebeck dem Grafen Ulrich III. von der Heimburger Linie, wodurch der Unwille des Regensteiner Vetters Heinrich erweckt wurde. Wohl mit dem für Schwanebeck gelösten Gelde kaufte er im Westen die Burg Wiedelah. Viel wichtiger war aber die Erwerbung der Grafschaft Aschersleben. Nach Fürst Otto’s von Anhalt zu Aschersleben Tode waren Wegeleben, Schneitlingen und Aschersleben im J. 1315 auf seinen Vetter Fürst Bernhard zu Bernburg und Ballenstedt, des Bischofs Bruder, und Fürst Albrecht zu Zerbst, Dessau und Cöthen vererbt. Bischof Albrecht trug aber kein Bedenken, den zu Zerbst Hof haltenden Fürsten Albrecht zu überreden, ihm den Gesetzen des Hauses Anhalt zuwider sein Erbe zu verkaufen. Fürst Bernhard’s wiederholte Verwahrungen dagegen halfen wenig; der Bischof behielt Wegeleben und Schneitlingen. Die übrigen Stücke des Erbes überließ ihm der Bischof zwar, Fürst Bernhard mußte ihn aber als Lehnsherrn anerkennen; auch wußte sich Bischof Albrecht seinen unmittelbaren Einfluß in Aschersleben zu sichern. Letzteres war nämlich der hinterlassenen Gemahlin Fürst Otto’s als Wittwensitz eingeräumt, und da sie wegen ihrer Wiederverheirathung des Segens der Kirche bedurfte, so ließ sie sich bestimmen, bischöfliche Mannschaften in Aschersleben einzulassen. Als dann Fürst Bernhard starb und sein gleichnamiger Sohn folgte, wußte Bischof Albrecht die Bürger zu bestimmen, ihm selbst unmittelbar als Landesherrn zu huldigen. Zwar griff der junge Fürst Bernhard, auf die ihm günstige Stimmung des kaiserlichen Hofes bauend, zu den Waffen, vermochte aber gegen die wohlbewehrten bischöflichen Burgen und Mannschaften nichts auszurichten. Und als endlich der Bischof noch Königshof auf dem Harz erwarb, hatte er mit zielbewußter, doch wenig rücksichtsvoller Politik die Besitzungen seines Stifts mehr als verdoppelt.

Durch solche Erfolge seines bischöflichen Nachbars sah Graf Ulrich von der jüngeren heimburgischen Linie des Hauses Regenstein sich gefährdet und strebte deshalb seinerseits auch nach thunlichster Mehrung seines Besitzes. Vom Fürsten Otto von Anhalt erwarb er kurz vor 1315 die Belehnung mit der Burg Gersdorf unweit Quedlinburg und dem zugehörigen Gericht auf dem rechten Ufer der Bode; von den verschuldeten Blankenburger Vettern erkaufte er einen ansehnlichen Bezirk auf dem Harze, der seinen Besitz auf dem Gebirge trefflich mehrte und abrundete. Nach N.O. wollte er in dem jetzt wüsten Neindorf in Bruch seine Stellung durch Anlage einer Burg stärken; das wollte aber der Bischof nur unter der Bedingung zulassen, daß er in unmittelbarer Nähe ein festes Trutz-Neindorf erbaue. Trat hierin des Bischofs Mißtrauen gegen den Grafen klar zu Tage, so forderte er ihn bald darauf zum Widerstande heraus, indem er offene Eingriffe in dessen Ditfurter Gerichtsbarkeit vornahm. Durch einen von den Grafen Burchard von Mansfeld und Konrad von Wernigerode gestifteten Vergleich, der Ulrich freilich nicht befriedigen konnte, wurde vorläufig der Ausbruch eines Kampfes vermieden.

[262] Bei solcher Lage der Dinge ging bald darnach gegen Ende des Jahres 1322 der Heimburger Graf mit Tode ab, und es folgte ihm sein Sohn Graf Albrecht II. Das heimburgische Erbe war durch den Vater an Land und Leuten bedeutend vermehrt worden; namentlich war es seine mit der Burg Gersdorf verbundene richterliche Gewalt, die seine Stellung zu einer nahezu fürstlichen erhob. Der männlich schöne, stattliche Sohn hatte auch des Vaters Muth und Tüchtigkeit im Kriege wie im Rath und der Verwaltung des richterlichen und Regentenamts geerbt. Wenn er aber dabei auch bestrebt war, durch Wahrung und Mehrung seiner Gerechtsame in des Vaters Bahnen fortzuschreiten, so mußte er auch befahren, daß er dem energisch verfolgten Machtstreben des Halberstädter Bischofs gegenüber einen schweren Stand haben werde. Gelegenheiten das zu erfahren wurden ihm genug geboten. Graf Albrecht’s Bestrebungen, Mühen und Arbeiten theilte mit hingebender Treue sein jüngerer Bruder Bernhard, der nach Bischof Albrecht’s I. Ableben im J. 1322 mit des Bruders Zustimmung von seiner Stellung als Domherr zu Halberstadt zurücktrat und als weltlicher Herr dem älteren Bruder mit Rath und That behülflich war.

Graf Albrecht’s starken Arm bekamen die Walkenrieder Mönche bald nach seines Vaters Ableben zu fühlen, als sie, unterstützt von den Grafen von Wernigerode, die Gerechtsame der älteren Linie zu Bruchschauen nicht anerkennen wollten. Graf Albrecht leistete dem schwächeren Vetter mit Erfolg Hülfe. Vorsichtig vermied er zunächst jeden Anstoß mit dem Halberstädter Bischof, so sehr auch dessen auf Machterweiterung gerichtete Pläne ihn zu einem Kampfe herauszufordern schienen. Dagegen trug er kein Bedenken, als bei den Streitigkeiten Erzbischof Burchard’s von Magdeburg mit seinen Städten Magdeburg, Halle und Calbe der Halberstädter Bischof sich mit dem Erzbischof verband, mit dem Herzoge Otto von Braunschweig und einer Anzahl von Harzgrafen und -herren auf die Seite der Städte zu treten. Zu einem feindlichen Zusammenstoße kam es nicht, da Bischof Albrecht I. bereits am 14. September 1324 mit Tode abging.

Für den Grafen Albrecht kam sehr viel darauf an, wer des auf stete Machterweiterung hinstrebenden Anhaltiners Albrecht I. Nachfolger auf dem Halberstädter Bischofsstuhle werden würde. Schon schien er hoffen zu dürfen, daß auf den eifrigen Politiker in dem friedlichen aber machtlosen Ludwig von Neindorf ein für ihn erwünschter Träger des Krummstabes folgen werde. Aber gerade die Besorgniß, daß ein mit ansehnlichen Machtmitteln ausgestatteter Bischof zur Behauptung der errungenen Machtstellung des Vorgängers Regiment fortsetzen werde, welche die entschiedene Mehrheit des wahlberechtigten Capitels auf den bescheidenen friedlichen Neindorfer gelenkt hatte, war für fünf Wähler der Anlaß, ihre Stimmen für eine Persönlichkeit abzugeben, von der zu erwarten war, daß sie durch ihre mächtigen Familienbeziehungen, wohl auch durch die bereits bekannte Energie ihres Willens, in der Lage war, das politische Ansehen des Bisthums zu behaupten und zu mehren, nämlich für den Domherrn Albrecht, geborenen Herzog von Braunschweig, der denn auch als Albrecht II. im J. 1324 den bischöflichen Stuhl bestieg. Schon bei der Bestätigung und Einführung durch den Metropolitan Erzbischof Matthias von Mainz machte sich die Bedeutung der Machtstellung des Hauses Braunschweig geltend. In kaum erhörter Weise hat dann Bischof Albrecht sich über ein Menschenalter gegen den Willen und die Candidaten und Schützlinge von vier aufeinander folgenden Päpsten theils durch die Hülfe seiner fürstlichen Brüder, theils durch sein kluges, formell maßvolles Verfahren und durch lang hingezogenes Proceßverfahren in seiner Stellung behauptet. Das war der Mann, mit dem es [263] Graf Albrecht II. v. R. der Natur der Dinge nach zu thun bekommen mußte, und von dem sein und seines Hauses Geschick bestimmt wurde.

Recht nachtheilig für den Grafen Albrecht war es, daß sein natürlicher Verbündeter Fürst Bernhard der Beraubte von Anhalt den Kampf zur Wiedergewinnung des ihm Entrissenen erst begann, als Bischof Albrecht trefflich gerüstet dastand, sodaß er nun nichts mehr ausrichtete. Durch einen von Graf Heinrich von Blankenburg vermittelten Waffenstillstand wurde der gegenwärtige Besitzstand vorläufig anerkannt, die Erledigung der Rechtsfrage aber dem Kaiserlichen Hofgericht anheimgestellt. Nun galt es aber seitens des Bischofs, dem Grafen von Regenstein-Heimburg, der ihm im Harzgau als angesehener Mitbewerber gegenüber stand, seine Ueberlegenheit zu zeigen und des Grafen Ansehen zu schwächen. Zunächst nöthigte er ihn zur Herausgabe des verpfändeten Schwanebeck, worein der Graf, wie ungern auch immer, ohne Widerstand willigte. Viel empfindlicher war ihm aber die Schwächung seines Ansehens und seiner Gerechtsame der Stadt Quedlinburg gegenüber, wozu der Bischof dieser die Hand bot. Als Edelvögte des reichsunmittelbaren Stiftes Quedlinburg hatten die Grafen von Regenstein die Landeshoheit und Obrigkeit über Quedlinburg und sein Gebiet; nur eine beschränkte Gerichtsbarkeit und untergeordnete Verwaltungsbefugnisse waren der Stadt von der Aebtissin und den Grafen zugestanden. Die Stadt behauptete aber, alle Befugnisse, welche die Grafen nicht durch besondere Urkunden und Privilegien als ihnen zustehend erweisen könnten, stünden ihr zu. Dem Grafen blieb nichts übrig, als seine Rechte durch Zwang zu behaupten. Die Mittel, welche der damalige Rechtsbrauch an die Hand gab, die Pfändung quedlinburgischer Bürger durch die Dienstleute und Mannschaften des Grafen von seinen Burgen Lauenburg und Gersdorf aus, erweckte bei den Bürgern nur Erbitterung gegen das gräfliche Regiment; man nannte diese Maßregeln Friedensbruch und Raub. Diese feindliche Stimmung der Bürger wußte der Bischof für seine Zwecke auszunützen. Im J. 1325 verband er sich mit der Stadt und sicherte ihr seinen Schutz gegen Jedermann zu, der ihr Gewalt anthun würde. In einem gleichzeitigen Schutzbriefe des Halberstädter Domcapitels wurden zwar die Rechte der Aebtissin und der gräflichen Vögte vorbehalten; es sind aber darin die Privilegien der Stadt zu Ungunsten der Grafen erweitert. Da nun aber auch die bischöflichen Städte Halberstadt und Aschersleben sich mit Quedlinburg zu Schutz und Trutz verbanden, so bedurfte es für gewöhnlich gar nicht eines unmittelbaren Eingreifens des Bischofs. So zwiefach gedeckt, trat die Stadt dem Grafen zeitweise feindselig gegenüber, der sie doch im Februar 1327 nebst seinem Bruder mit der Neustadt belehnte und ihr seine Besitzungen innerhalb der Mauern, namentlich in der Neustadt, überließ. Einige Jahre später war es dann eine schwere Beeinträchtigung des Grafen Albrecht, die eine Störung des Friedens zwischen ihm und dem Bischof herbeiführte. Mit dem Grafen Otto von Valkenstein war der letzte weltliche Mannessproß jenes in unserer Rechtsgeschichte bekannten Geschlechts dahingestorben, das eine ansehnliche Herrschaft im Unterharz hinterließ. Zwar war Otto’s Bruder Bernhard, Domherr zu Halberstadt, in den weltlichen Stand zurückgekehrt und in der Hoffnung auf einen Erben in die Ehe getreten. Als aber sein Gemahl nach kurzer Zeit, ohne daß des Grafen Hoffnung erfüllt worden wäre, dahingestorben war, trat der Wittwer im J. 1332 wieder ins Domcapitel zu Halberstadt ein, um hinfort mit einer Leibrente vom Bischof ausgestattet frei von weltlichen Sorgen zu leben. Dafür ließ letzterer sich vom Grafen die Stammgrafschaft Valkenstein schenken. Durch diese Abmachung um das Erbe seiner Gemahlin Oda, der Schwester der beiden letzten Grafen von Valkenstein, betrogen, suchte Graf Albrecht sein Erbe mit den Waffen zu erringen [264] und warb, da er sich allein nicht stark genug fühlte, um Bundesgenossen. Solche fand er in dem Grafen Burchard von Mansfeld, der seinerseits auf Ansprüche an valkensteinische Nebenländer verzichtete, und an den Grafen von Hohnstein und Wernigerode sowie an den Städten Halberstadt, Quedlinburg und Aschersleben. Daneben schloß sich diesem Bündnisse auch Fürst Bernhard der Beraubte von Anhalt zu Bernburg eifrig an. Aber auch sein Vetter von Anhalt-Zerbst, dessen Vater einst seine Rechte an den Bischof von Halberstadt verkauft hatte, trat dem Bunde bei. Hatte doch auch Graf Albrecht II. von Regenstein gewiß nicht ohne politische Berechnung nach der Valkensteinerin Oda Absterben mit der Schwester des Zerbster Fürsten einen zweiten Ehebund geschlossen!

Für die Verbündeten war es wichtig, daß Fürst Bernhard der Beraubte soeben ein günstiges Urtheil des Kaiserlichen Hofgerichts erhalten hatte, wodurch der Bischof von Halberstadt angewiesen wurde, das ganze Aschersleber Gebiet herauszugeben. Dieser dachte freilich nicht daran, dieser Weisung zu folgen, hatte vielmehr die von ihm besetzten Plätze so gut bewehrt, daß sie dem Ansturm der Verbündeten zu widerstehen vermochten. Bischof Albrecht forderte nun aber den Grafen von Regenstein zum Kampfe heraus, indem er ihn des Gersdorfer Gerichts für verlustig erklärte, weil er die Belehnung damit nicht bei ihm gesucht habe. Als dann der Graf sein Gericht hier doch ausüben wollte, erschien der Bischof persönlich im Geleit quedlinburgischer Bürger auf der Gerichtsstätte, um ihm das Gericht zu verbieten. Dabei trat denn auch das geheime Bundes- und Schutzverhältniß der Stadt mit dem Bischof zu Tage und der Ausbruch des offenen Kampfes war unvermeidlich. Wenig half es dem Grafen, daß er ohne Schwierigkeit die mit der Grafschaft Valkenstein verbundene Herrschaft Arnstein mit dem gleichnamigen Schlosse sowie Hettstedt einnahm; denn auf Arnstein, als magdeburgisches Mannlehen, konnte er seiner ersten Gemahlin Oda wegen keinen Anspruch erheben; die festen Punkte aber, auf die es ankam: Aschersleben, Wegeleben, Schneitlingen, Emersleben und der Valkenstein trotzten wohlverwahrt allen Anläufen. Bischof Albrecht versäumte auch nicht, durch kluge Verhandlungen und Manifeste für sich Stimmung zu machen. So kam es im Sommer 1335 zu einem durch seinen Bruder Herzog Otto von Braunschweig vermittelten Frieden, der den augenblicklichen Besitzstand anerkannte, fernere Ansprüche der Parteien vorbehielt, aber den Bischof doch nöthigte, dem Grafen Albrecht das Gericht Gersdorf zu lassen und sich von Quedlinburg loszusagen.

Gegen Letzteres wendete sich Graf Albrecht nun mit allem Eifer. Zur besseren Einschließung der Stadt verwandelte er das Wipertikloster und den Capellenberg in kleine Festungen. Und wenn auch die Halberstädter und Aschersleber der befreundeten Stadt gelegentlich Hülfe leisteten, so schien doch des Grafen energisches Vorgehen ihr ein schlimmes Schicksal zu drohen. Da gab ein unerwartetes Ereigniß dem sich lange hinziehenden Kampfe eine für den Grafen unglückliche Wendung. Bei einem der Ausfälle der Belagerten, wobei der Graf sich zuweit vorgewagt hatte, gelang es den Quedlinburgern in einem wiederholten Treffen bei Gersdorf, diesen in ihre Gewalt zu bringen und innerhalb ihrer Mauern gefangen zu halten. Bisher waren es außer der Volksüberlieferung nur die Chronisten seit dem 16. Jahrhundert, die berichteten, daß Graf Albrecht in einen zu diesem Zweck gefertigten, noch heute im Quedlinburger Rathhause vorhandenen Kasten aus Eichenholz gesperrt worden sei und anderthalb Jahre lang darin geschmachtet habe. Da gleichzeitige Chroniken aus Quedlinburg und Nachbarschaft nicht erhalten sind, so kann aus dem Umstande, daß die Friedens- und Aussöhnungsurkunden einer solchen Haft nicht gedenken, [265] noch nicht die Unrichtigkeit der Ueberlieferung dargethan werden, da Urkunden nur aussagen, was sie sagen wollen. Allerdings verursachte die anderthalbjährige Haft sammt den damit zusammenhängenden chronologischen Schwierigkeiten einiges Bedenken. Dieses wird nun durch eine unverfängliche Angabe des Quedlinburger Stadtschreibers in der Rechnung von 1562 gehoben, wonach Graf Albrecht am Tage vor St. Kilian am 7. Juli vor Gersdorf 1337 gefangen, oder wie die Nachricht zunächst nur besagt, der denkwürdige „Sieg“ errungen wurde. Die immerhin grausame Gefangenschsaft wird darnach nur etwa ein halbes Jahr gedauert haben. Eine solche Zwangsmaßregel kann aber nur aus der rohen Weise der Zeit beurtheilt werden.

Ueber den großen „Sieg“, den die Quedlinburger mit der Gefangennahme des Grafen errungen hatten, läßt der Inhalt des im März zwischen der Stadt und dem Grafen geschlossenen Friedens keinen Zweifel, da dieser für die Stadt ein äußerst vortheilhafter war. Zunächst sah der Graf sich am 20. März d. J. genöthigt, darein zu willigen, daß sein Hauptgegner Bischof Albrecht die Stadt in seinen Schutz nehme. Zwei Tage später müssen die gräflichen Gebrüder Albrecht und Bernhard von Regenstein der Stadt eine Reihe von Privilegien, besonders in Bezug auf die Stadtbefestigung und die Gerichtsbarkeit verleihen. Bischof Albrecht ist natürlich der Hauptvermittler des ganzen Friedens, wenn auch sein Name nur an der Spitze der Zeugen steht und die Urkunde die Entscheidung von seinem Bruder Herzog Otto von Braunschweig ausgehen läßt. Daß der Bischof die übertriebenen Forderungen der Stadt abwehrt, ist leicht erklärlich; denn die Bürger hätten am liebsten jede gräfliche und fürstliche Obrigkeit abgeschüttelt. Aber der Bischof war Schutzherr der Stadt und war bestrebt, später ihr gegenüber ganz an die Stelle der Grafen zu treten. Im J. 1339 müssen die Grafen versprechen, die Stadt bei ihren Rechten zu lassen, vorkommende Streitigkeiten der Entscheidung beiderseits zu wählender Schiedsleute anheimzustellen.

Ein Hoffnungsstrahl schien dem schwer gedemüthigten Grafen zu winken, als durch den demagogischen Domdechanten Jacob Snelhard eine große Empörung gegen Bischof Albrecht angezettelt wurde, der sich nicht nur ein Theil des Domcapitels und der anderen Stifter, sondern auch der niederen Geistlichkeit und der aufgewiegelten Volksmassen anschlossen. Aber durch Muth, Klugheit und Entschlossenheit wußte der Bischof des Aufstandes Herr zu werden und als gefeierter Sieger in die wetterwendische Stadt zurückzukehren. Neu befestigt war er bald in der Lage, seine feindseligen Unternehmungen gegen die Regensteiner fortzusetzen, indem er die Walkenrieder Mönche, auch die Bürger von Osterwiek ermunterte, sich der Gerichtsbarkeit der Grafen zu entziehen. Graf Albrecht war dabei mit betheiligt, weil sein schwacher Vetter von der älteren Linie die Heimburger Gebrüder mit in die Regierung aufgenommen hatte. Im J. 1343 kam es wieder zum Kriege, wobei abermals Graf Burchard Bundesgenosse der Regensteiner war, während der Bischof die Wernigeröder Grafen auf seine Seite gebracht hatte. Kaum war für den Grafen Albrecht und die Seinigen viel zu hoffen, wenn man auch dem Bischof durch Aufwiegelung des niederen Clerus und der Volksmassen Schwierigkeiten zu bereiten suchte. Da führte die zweite Gefangennahme eines Grafen von Regenstein abermals eine plötzliche Wendung zum schnelleren Sturze des Hauses herbei: dem Grafen Konrad von Wernigerode gelang es, den Grafen Heinrich von der älteren Linie Regenstein gefangen zu nehmen. Zu seiner Lösung mußten so schwere Opfer gebracht werden, daß das Haus fürderhin zu einem erfolgreichen Widerstande gegen den so klugen als mächtigen Bischof außer Stande schien. Was im Westen und Nordwesten von ihrer Herrschaft noch [266] übrig blieb, lag nun von ihren nächsten Stammbesitzungen so abgetrennt, daß die Grafen diese Güter an des Bischofs Brüder Otto, Magnus und Ernst, Herzöge zu Braunschweig, zu verkaufen sich gedrungen fühlten. Das ihnen günstig gelegene Schloß Westerhausen mit dem Gericht Warnstedt kauften sie von den Grafen von Blankenburg. Dem Halberstädter Bischof gelang es auch noch, den schwachen Grafen Heinrich von Blankenburg im J. 1344 zu vermögen, ihm den Rest seines Besitzes, darunter die Burg Schlanstedt, zu verkaufen, sodaß den Grafen von Regenstein-Heimburg auch diese Herrschaft entging und von den Besitzungen der älteren Linie nur Derneburg und der Regenstein übrig blieben. Da schien dem geschwächten Grafengeschlecht noch einmal die Hoffnung aufzuleuchten, wider den Zertrümmerer ihrer Macht obzusiegen: Durch eifriges Betreiben des verbündeten Grafen Burchard von Mansfeld wurde Papst Clemens VI. veranlaßt, dessen Sohn Albrecht nach Ableben des Gegenbischofs Giseler von Holstein mit dem Bisthum Halberstadt zu providiren. Als nun im J. 1347 Ludwig der Baier starb und der von der päpstlichen Partei erhobene Karl von Böhmen unbestrittenes Haupt im Reiche geworden war, wurden die Erzbischöfe von Mainz und Magdeburg und der Bischof von Carpentras beauftragt, Albrecht von Mansfeld als Bischof von Halberstadt einzuführen, den Albrecht von Braunschweig aber, wenn nöthig, mit weltlicher Hülfe zu entfernen. Wem hätte eine solche Aufgabe näher gelegen und wer konnte zu ihrer Ausführung geeigneter erscheinen, als Graf Albrecht von Regenstein, dem dann auch eine Entschädigung für seine vielen Verluste in Aussicht stehen mußte. Aber zum dritten Male machte ein außerordentliches Ereigniß, dieses Mal ein Todtschlag, alle Berechnung zu Schanden: Als Graf Albrecht sich mitten im Frieden, von wenigen Getreuen begleitet, von Derneburg nach der Westerburg begeben wollte, wurde er bei Danstedt von einer Schar halberstädtischer Ritter und Knappen angefallen und erschlagen. Als darüber ein Schrei der Entrüstung laut wurde und man den Bischof als Anstifter dieser That ansah, erbot sich dieser, sich durch einen Eid, den er dann doch nicht geschworen hat, von diesem Verdachte zu reinigen. Man glaubte ihm nicht, zumal er sich von den Thätern nicht lossagte, sondern sie in seinen Diensten behielt. Des gefürchtetsten Gegners ledig, konnte er die verzweifelten Anstrengungen des Bruders Bernhard und des Grafen Burchard von Mansfeld, den Ermordeten am Bischof zu rächen, leicht vereiteln, den Besiegten noch mehr von ihren Besitzungen nehmen und sich noch etwa ein Jahrzehnt in seiner Stellung als Bischof behaupten. Das Schicksal des unglückseligen Regensteiners ist von nicht geringer Bedeutung für die deutsche Geschichte; denn auf seine und des mitbetroffenen Hauses Anhalt Kosten gedieh das vor den Bischöfen Albrecht I. und II. territorial ganz unbedeutende Bisthum Halberstadt im wesentlichen zu dem Umfange, den es von da an behielt, um so nach dem dreißigjährigen Kriege dem brandenburgischen, dann preußischen Staate einverleibt zu werden. Daneben gelangte auch die bis dahin unbedeutende Grafschaft Wernigerode zu der abgerundeten Gestalt, in der sie im J. 1429 an das Haus Stolberg überging, dessen wichtigstes Besitzthum sie blieb. Dagegen sank nun das Haus Blankenburg-Regenstein ganz zur Unbedeutendheit herab, höchstens daß noch einmal in der Gräfin Elisabeth eine Tochter dieses Geschlechts von 1574 bis 1584 die Stellung als Aebtissin des kaiserlichen freiweltlichen Stifts Quedlinburg einnahm. Daß aber der edle ritterliche Regensteiner in der Erinnerung des Volkes und in der Dichtung zum Raubgrafen gestempelt wurde, kann bei näherer Erwägung nicht befremden: Um sein gekränktes Recht zu wahren, mußte er sich stets der scharfen Waffe, auch wohl des gehässigen, aber seiner Zeit üblichen Mittels der Beschlagnahmung von Kaufmannsgut bedienen, während [267] der über reichere Macht- und Geldmittel verfügende Gegner sich meist hinter wohlbewehrten Mauern vertheidigen konnte. Sehr nachtheilig mußte es für seinen Ruf sein, daß Stadtgemeinden seine Feinde waren, in denen sich leicht ein scharfer, schmähender Ausdruck der Volksstimme und -Leidenschaft herausbildet. Zunächst kam hierbei nur Quedlinburg in Betracht, während in Halberstadt das aufgewiegelte Volk, des Grafen Hauptgegner, gelegentlich aus den Mauern getrieben wurde. Das war aber doch nur vorübergehend, während meist der gemeine Mann unter der gegen den Bischof geführten Fehde zu leiden hatte, der Bischof aber doch mit der seinigen auch die Sache der Stadt verfocht und über geistige und materielle Mittel verfügte, seine Bürger und Unterthanen zu gewinnen. Dazu kommt noch als ein besonders wichtiger Umstand, daß der in der Wahl seiner Mittel keineswegs wählerische geistig bedeutende und kluge Bischof einen gleichzeitigen Herold seiner Thaten gefunden hat, der den Gegenstand seiner Darstellung zugleich zu seinem Helden macht, während wir von Niemand wissen, der es übernommen hätte, Leben und Thaten des unglücklichen Grafen zu behandeln. Und jener Biograph des Bischofs (sei es der bischöfliche Kanzler Themo oder ein anderer) beschimpft dessen unglücklichen Gegner als einen grausamen nächtlichen Raubgesellen, als einen, der als ein wilder Feind die Kirche allzeit mit Betrug und Ränken öffentlich und heimlich verfolgt habe. Nichts kennzeichnet den Geist, mit welchem dieser offenbar gut unterrichtete Bedienstete des Bischofs die Thatsachen entstellt, deutlicher, als sein Bericht über die Ermordung Graf Albrecht’s. Während es urkundlich feststeht, daß es eine Anzahl Dienstmannen des Bischofs aus angesehenen Familien war, die den jedenfalls nicht mit großem Gefolge ausreitenden Grafen – natürlich mit ihren Knappen – überfiel, verschweigt es der Biograph ganz, daß bischöfliche Mannen den friedlich Reisenden überfielen, und sagt, es seien wenige Personen niederen Standes (personis humilibus et paucis) gewesen, die den als wilden Bösewicht gebrandmarkten Grafen tödteten, während dessen Diener, durch Gottes Wink erschreckt, entflohen seien.

C. v. Schmidt-Phiseldeck, Der Kampf um die Herrschaft im Harzgau. Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Alterthumskunde 7 (1874), S. 297–319. – R. Steinhoff, Gesch. der Grafsch. Blankenburg u. Regenstein u. s. f. Quedlinburg 1891, S. 67–84. – H. Lorenz, Die Besiegung der Grafen von Regenstein durch die Bürger von Quedlinburg. Zeitschr. d. Harzver. u. s. f. 35 (1902), S. 440–443. – Chron. Quedlinb. bei Abel, Chroniken S. 501 f – Gesta Alberti episc. Halb. Mon. Germ. XXIII, 123–129. – Budaeus, Bisch. Alberti II. von Halb. Leben u. s. f. Halberstadt 1624. – K. Wehrmann, Der Streit um den Halberstädter Bischofsstuhl. Kieler Doctordiss. v. J. 1893. – Ders., Bischof Albrecht II. von Halberstadt in der Zeitschr. d. Harzvereins u. s. f. 26 (1893), S. 142 bis 192. – Schmidt, Urkdb. d. Hochst. Halb. – Janicke, Urkdb. der Stadt Quedlinburg.