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ADB:Arends, Leopold

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Artikel „Arends, Leopold“ von Christian Johnen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 27–33, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Arends,_Leopold&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 12:10 Uhr UTC)
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Arends: Leopold Alexander Friedrich A. ist geboren in Rakischek (Rakishi, Gouvernement Wilna, jetzt Kowno in Westrußland) am 22. November/4. December 1817 (nicht am 1. December, wie sogar auf dem Grabdenkmal Arends’ angegeben ist). Sein Vater, ein aus Braunschweig eingewanderter Gärtner, starb 1822. Die Mutter, die ebenfalls aus einer deutschen, in Livland eingewanderten Familie der Ostseeprovinzen stammte, heirathete 1823 den Gärtner Gradke in Ruhenthal (Kurland), der 1826 als kaiserlicher Krongärtner nach Riga zog. Hier besuchte A. 1830 die Domschule, wo sich auch sein Sinn für Musik und Dichtkunst, sowie für die Natur entwickelte. Nachdem Gradke 1834 gestorben war, konnte A. seinen Wunsch, Medicin zu studiren, nicht mehr verwirklichen; er verließ 1834 die Domschule und trat 1835 als Lehrling in eine Apotheke in Riga ein. Nach dreijähriger Lehrzeit bestand er 1838 die Gehülfenprüfung an der Dorpater Universität mit Auszeichnung und bezog 1839 diese Hochschule zum Studium der Pharmacie. Neben naturwissenschaftlichen trieb er mit großem Eifer sprachliche, geschichtliche und philosophische Studien, verließ aber aus Mangel an Mitteln bereits 1840 die Universität, um bei einer adeligen Familie in Rosenhof (Kurland) Hauslehrer zu werden. Hier entstanden auch seine dramatischen Schöpfungen „Demosthenes oder Hellas’ Untergang“ und „Libussa’s Wahl oder der würdigste Mann“. 1844 ging A. nach Berlin und veröffentlichte 1844 die Libussa und 1848 den Demosthenes (unter dem Schriftstellernamen Arend), ohne damit besonderen Erfolg zu erringen. An dem Kampf der Schleswig-Holsteiner gegen die dänische Herrschaft nahm A. als Mitglied des hauptsächlich auf seine Anregung organisirten und besonders aus Studenten bestehenden Berliner Freicorps des schleswig-holsteinischen Contingentes theil. Nach dem Feldzuge nahm er seine private wissenschaftliche Thätigkeit in Berlin wieder auf, beschäftigte sich auch mit paläographischen Studien.

Bereits auf der Domschule in Riga hatte er 1834 an einem Cursus in der Gabelsberger’schen Stenographie theil genommen und seitdem eifrig auch stenographische Studien betrieben. Bereits Ende der 40er Jahre lehrte er sein neues Stenographiesystem. Er veröffentlichte es unter dem Titel „Die Stenographie [28] in 6 Lectionen zu erlernen. Neues, einfachstes System der Stenographie, gegründet auf die Gesetze der Wortbildung und der Schreibschrift, für jeden faßlich und anwendbar, von L. A. F. Arends, Privatlehrer und Lehrer der Stenographie“, Berlin 1850, Gustav Hempel (folio), nach dem Verlage die Hempel’schen Tafeln genannt. A. ertheilte auch hiernach, sowie nach den 1852 von ihm autographirten Vorlageblättern (den sogen. Hannoverschen Tafeln) Unterricht in Berlin, Hamburg, Hannover und Karlsruhe. 1860 erschien sein System in wenig veränderter Gestalt im „Vollständigen Leitfaden einer rationellen, ebenso leicht erlernbaren wie sicher auszuführenden Stenographie oder Kurzschrift für Schulen und zum Selbstunterricht“ (Verlag von Friedr. Schulze, Berlin), mit einer wissenschaftlichen Abhandlung „Briefe über die nothwendigen Principien zur Erreichung eines Ideals der Schrift oder des eigentlichsten schriftlichen Aequivalents der Sprache“, die er bereits 1852 Alexander v. Humboldt zur Prüfung unterbreitet hatte. In den nächsten Jahren war er für die Verbreitung seines Systems thätig, namentlich als Lehrer im Berliner Handwerkerverein (seit 1859), in dem er Februar 1860 die „Arends’sche Stenographen-Classe“ als den ersten Verein seines Systems gründete. 1862 unternahm er Reisen nach Stuttgart und Zürich, woran sich die Gründung weiterer Vereine in diesen Städten anschloß. Sonst lebte A. in Berlin als Schriftsteller und Privatgelehrter, war in den 50er Jahren auch Redacteur und Mitarbeiter verschiedener technischer Zeitschriften. An stenographischen Werken schrieb er noch: „Rationelle Volks-Stenographie in 6 Unterrichtsbriefen, herausgegeben vom Bureau für Arends’sche Stenographen“ (Gaillard), Berlin 1876, sowie das „Vollständige Lehrbuch einer rationellen Militär-Stenographie“ (Berlin, P. Gustedt, 1876). Der „Leitfaden“ erschien 1882 in 12., 1884 in 15. Auflage (in 2 Theilen, erster methodischer Theil, zweiter theoretischer Theil), zuletzt 1893 in 21. Auflage. Auch bearbeitete er eine Uebertragung seines Systems auf das Ungarische und Englische und war noch in seinen letzten Lebenstagen mit der Uebertragung auf das Russische, sowie mit der Herausgabe einer Blinden-Stenographie beschäftigt.

Außerdem veröffentlichte A. eine populäre Darstellung der Physik und Chemie unter dem Titel: „Das Wunderreich der Natur“ (Berlin, Sacco und Co. 1848), versuchte sich auch während des Krimkrieges auf dem Gebiete des zeitgeschichtlichen Romans und gab eine Sammlung lyrischer Gedichte, Sprüche und Epigramme unter dem Titel „Festgabe für Gemüth und Verstand“ heraus (Berlin 1878, Erich Wallroth). Besonders eingehende Studien trieb er auf dem Gebiete der Musikgeschichte. 1867 wollte er in einem Werke „Ueber den Sprachgesang der Vorzeit und die Herstellbarkeit der althebräischen Vocalmusik“ (Berlin, Fr. Schulze, 1867) die Noten der verloren geglaubten hebräischen Vocalmusik für die poetischen Stücke des alten Testaments in den Consonanten der hebräischen Quadratschrift wieder aufgefunden haben, ohne daß er damit freilich bisher Zustimmung in wissenschaftlichen Kreisen gefunden hat; auch schrieb er über arabische und germanische Musik in Mendel’s musikalischem Conversationslexikon, wobei er ebenfalls dem altgermanischen Stabreim eine besondere Bedeutung beilegte.

1856 hatte A. die Wittwe seines verstorbenen Freundes Karl Gaillard geheirathet, mit der er in kinderloser Ehe lebte. Er starb am 22. December 1882 an den Folgen des Speiseröhrenkrebses und der Lungenentzündung. Bereits 1881 wurde ihm zu seiner silbernen Hochzeit eine Ehrengabe überreicht, um die Herausgabe der Blinden-Stenographie zu ermöglichen, auch 1882 von dem Verein in Hamburg eine „Arendsstiftung“ begründet. An seinem Wohnhause in Berlin, Besselstraße 16, wurde am 1. December 1885 eine Gedenktafel, auf dem französischen Kirchhofe in Berlin am 1. December 1889 ein Grabdenkmal von seinen [29] stenographischen Schülern enthüllt. Seine Wittwe, Marie Auguste geborene Hintberg, starb am 27. September 1897 im 79. Lebensjahre.

Die Arends’sche Stenographie beruht auf dem von Gabelsberger für die deutsche Kurzschrift begründeten sogenannten graphischen oder cursiven Schreibprincip, d. h. die Schreibelemente bestehen aus Theilzügen der gewöhnlichen Schrift. Als die drei „Principien des Systems“ stellten die Hempel’schen Tafeln 1850 hin, daß 1. die Hauptzeichen für die Consonanten schräg von oben nach unten verlaufen, so daß durch die verschiedenen Modificationen in der unteren Gestaltung derselben nicht allein alle Vocale, sondern auch viele gleichlautende Silben mit der einfachsten Bezeichnung gegeben werden können; 2. wenige Zeichen, die von unten nach oben steigen, nach ihrer Höhe und Richtung eine besondere Bedeutung erhalten, wodurch sie, z. B. bei dem Hilfszeitwort werden oft der Inbegriff von mehreren Consonanten und ihren Vocalen werden können; 3. die Buchstaben in ihren Verbindungen die möglichst große Aehnlichkeit mit der gewöhnlichen Schrift haben, auch wie dieselbe zu ihrem Verständnisse nicht eines schwächeren oder stärkeren Schriftzuges oder einer Abweichung von der Linie bedürfen. Die Schrift selbst sei „mit Vergleichung der deutschen, lateinischen, griechischen und russischen Schriftzüge“ gebildet. Dagegen sucht der Leitfaden von 1860 folgende vier „Hauptprincipien“ des Systems zu begründen: 1. Die Natur des Lautes, ob Vocal oder Consonant, soll in den Schriftzügen zum Ausdruck gelangen, indem die Vocale grundsätzlich Aufstriche, die Consonanten Abstriche erhalten; 2. Größte Bildsamkeit der Zeichen, indem sie sämmtlich in geradem Striche gleichförmig abschließen („Stabprincip“); ihr unteres Ende soll in die Vocalzeichen übergehen, so daß diese mit dem Consonanten eine Einheit bilden, gerade wie in der gesprochenen Silbe; 3. Die Stammsilbe soll als der, den eigentlichen Begriff enthaltende Theil des Wortes vor den Vor- und Nachsilben hervortreten; ebenso sollen die untergeordneten Theile des Satzes zurücktreten: beides unter Zuhülfenahme von kleineren Neben-, Hülfs- und Schlußzeichen; 4. Weitere systematische Abkürzung der Schrift, indem in geschlossenen Gruppen gleich und ähnlich klingende Wörter vereinigt und gleichmäßig gekürzt werden (besondere Bezeichnung des auslautenden in, ern, n, aft, uft, aupt, nft, rer, ker, Bezeichnung des in- und auslautenden l durch Stellung des Wortes über der Schriftlinie, des auslautenden w durch ein aufsteigendes Nebenzeichen, des s durch das Strich-s. u. s. w.).

Nach A.s Lehrbuch von 1850 war die Stenographie „durch ihre den Lauten entsprechende Kürze der eigentlichste schriftliche Ausdruck der Sprache“; sie soll „die so viel Zeit und Mühe erfordernde Kurrentschrift vollständig ersetzen“ (Einleitung). Der Leitfaden beruht dagegen auf dem Gedanken, daß es in erster Linie gelte, das „Ideal einer Schrift“ aufzustellen, daß aber „jedes vollkommene Abbild der Sprache nothwendig auch eine Stenographie sein müsse“. Der Hauptunterschied des Systems von anderen besteht in der Bezeichnung des Vocals durch Veränderung des unteren Theils der geradlinig endenden Consonanten (dem sog. Stabprincip); alle übrigen Bestimmungen beruhen nur auf dem Streben nach größerer Kürze. Den gleichen Grundsatz befolgten schon mehrere französische Systeme (Painparé 1831, Fayet 1832, Dujardin 1834, Senocq 1834), sowie das deutsche System von Rahm (veröffentlicht von Rahn 1849), und man glaubte namentlich einen Einfluß von Fayet und Rahm auf A. nachweisen zu können; doch hat A. selbst stets versichert, daß er bei Aufstellung seines Systems beide nicht gekannt habe. A. gebührt das Verdienst, daß er die alleinige Durchführung dieses, auch schon von Gabelsberger zuweilen befolgten Grundsatzes in der deutschen Kurzschrift zur Geltung gebracht hat, und zwar in Verbindung mit einem anderen Grundsatze, dem der Verwerfung der noch von Rahm beibehaltenen doppelten Druckstärke. Er erreichte diese Eigenheiten freilich nur dadurch, daß er einzelne [30] Consonanten durch ihre verschiedene Stellung zur Linie unterschied, auch mehrfach zu peinlicher Unterscheidung greifen mußte. In der weiteren Ausbildung der Schrift hat auch das Streben nach Kürze zu vielfacher Durchbrechung der ursprünglichen Principien geführt. Auch wußte A. die Fülle „neuer productiver Kürzungsgedanken nicht zu zügeln, sodaß das System außerordentlich unregelmäßig und verwickelt wurde. Hierdurch, sowie durch die unpraktische Gestaltung des Leitfadens wurde auch sein Streben nach einer größeren Popularisirung der Stenographie wesentlich beeinträchtigt und der Keim zu den vielfachen Kämpfen und der schließlichen Zersplitterung seiner Schule gelegt.

Geschichte der Arends’schen Schule und Schrift. Die von A. gegründete Stenographen-Classe des Berliner Handwerkervereins ging 1861 in den „Berliner Centralverein“ auf. Neben anderen Vereinen wurde 1864 der „Apollo-Bund“ gegründet, 1867 schlossen sich die damals bestehenden Vereine zu einem „Verbande Arends’scher Stenographen-Vereine“ zusammen (erster Vorsitzender Christian Roller). Bereits 1862 und 1865 waren Zeitschriften des Systems erschienen, die aber bald wieder eingingen, während die 1866 begründete Antitironia (A. faßt in den oben genannten „Briefen“ sämmtliche bisherige Systeme unter dem Namen der Tironianischen Schriften zusammen und setzt ihnen seine „rationelle Schrift“ als die „antitironianische Methode“ entgegen) bis 1880 bestand. Leider wollte A. die wenig den Anforderungen des Schulunterrichts entsprechende Gestalt seines Leitfadens nicht ändern, und dies verwickelte ihn in eine heftige Fehde mit Roller, der 1871 von der Leitung des Centralvereins zurücktrat und den „Arends’schen Stenographen-Bund“ gründete, 1872 eine eigene Zeitschrift „Der Tachygraph“ herausgab, dann 1873 ein neues Lehrbuch der Arends’schen Schrift veröffentlichte und sich 1875 ganz von A. trennte und ein eigenes System als wesentliche Vereinfachung des Arends’schen veröffentlichte. Auch Lehmann, der bisherige Vorsitzende des Arends’schen Vereins „Merkur“ in Berlin, trat 1875 mit einem eigenen, freilich auf anderen Grundsätzen beruhenden System der „Stenotachygraphie“ hervor. Aehnliche Auseinandersetzungen hatte A. mit Gustav Wendtland durchzufechten, der 1876 einen „Praktischen Lehrgang“ veröffentlichte, auch seit 1875 den „Stenographischen Kurier“ herausgab. Eine weitere Zeitschrift, „Der Stenograph“, erschien seit 1878 in Aachen (bis 1896). 1880 begründete Matschenz in Berlin, der Vorsitzende des Hauptverbandes, die „Stenographischen Blätter“. An größeren Verbänden waren 1873 der Osterländische Verband, 1877 der Westdeutsche Verband, der 1882 in den „rheinisch-westfälischen Verband“ überging und 1882 der „Schlesische Verband“ gegründet worden. Bei Arends’ Tode zählte die Schule 60 Vereine mit 1010 Mitgliedern.

A. hatte durch letztwillige Verfügung seine Wittwe veranlaßt, weder eine Umgestaltung des Leitfadens noch eine Aenderung des Systems zuzulassen. Angesichts der mehrfach erscheinenden einfacheren Lehrbücher (Rosenberg 1883, Auerbach 1883) sah sich aber der Hauptverband zu einer Bearbeitung des Arends’schen Leitfadens veranlaßt (15. Auflage 1884). Das Erscheinen einer besonderen Debattenschrift des Systems von G. Wendtland (1885) rollte weiter die Frage einer Trennung des Systems in Schul- und Debattenschrift auf (so B. Blank, Die Arends’sche Stenographie ein Bild der Sprache). Der Apollobund beschäftigte sich 1888 auch mit einer weiteren Vereinfachung der Schrift und nahm ein von seinem Vorsitzenden Matschenz vorgeschlagenes neues Nebenzeichen für l an. Der Hauptverband, dem sich 1888 die früheren Verbände, sowie die neu gegründeten Verbände, nämlich der Hannover-Braunschweigische, der Märkisch-Pommersche, der Sächsisch-Anhaltische und der Schweizerische Verband als Unterverbände angeschlossen hatten, setzte 1889 einen Systemausschuß „zur Prüfung der die Schule bewegenden Fragen“ ein. Matschenz veröffentlichte aber bereits [31] Ende 1889 seine „neue L-Regel“ und 1890 ein „Lehrbuch der vereinfachten Stenographie Arends’ und berief, als der Systemausschuß der Schule zu keinem Ergebniß kam, 1890 einen Sonderausschuß, der das „ganz vereinfachte Arends’sche System“ feststellte, das gegenüber dem Originalsystem eine Vertauschung der Zeichen von l und k aufweist. Der Systemausschuß schloß seine Arbeiten ab mit der Empfehlung der Herausgabe eines billigen Lehrbuches, dem von Korb und von Fr. Spahr und P. Hirsch entsprochen wurde. Ein neu gebildeter Systemausschuß, dessen Vorsitz 1892 Engelbrecht übernommen hatte, legte 1893 dem Verbandstage zu Dortmund den Entwurf eines vereinfachten Arends’schen Systems vor; dieser lehnte die Annahme ab, verwies den Entwurf aber an einen „erweiterten Systemauschuß“, dessen Beschlüsse bindend sein sollten. So wurde 1894 dem Verbandstage zu Magdeburg ein neues System (sogen. Reform-Arends) vorgelegt, das ebenfalls mehrere Buchstabenänderungen gegenüber dem Originalsystem aufweist und mehrere Kürzungsregeln desselben theils ganz beseitigt, theils erheblich einschränkt. Trotz dieser inneren Wirren hatte die Propaganda nicht geruht, und 1892 war ein Süddeutscher Verband, sowie 1894 ein Brandenburgisch-Pommerscher Verband gegründet worden. Dagegen ging die wesentlich zur Propaganda 1888 gegründete „wissenschaftliche Anstalt Arends’“ 1892 ein, wurde aber von Matschenz gleich wieder neu gegründet. Außer einer 1884/85 kurze Zeit bestandenen „Freien Stenographenzeitung“ war 1893 die „Freie Stenographische Presse“ von Hirsch und Engelbrecht zur Vertretung der Interessen der „Reformschrift“ begründet worden, die 1896 sich mit den Stenographischen Blättern verschmolz. Dagegen vertrat der „Apollo“ das „ganz vereinfachte System“ von Matschenz und Fr. Spahr gab die „Arendsia“ 1894 für die dem alten System Treubleibenden („Alt-Arends“) heraus. Eine weitere Systemreform („Neu-Arends“) veröffentlichte 1895 Wendtland. Am 1. October 1895 erklärten sich von den bestehenden 173 deutschen Vereinen 93 mit 1992 Mitgliedern für Matschenz, 42 mit 736 Mitgliedern für die Reformschrift und 32 mit 770 Mitgliedern für Alt-Arends. Zur Herstellung einer größeren Schrifteinheit trat 1895 ein Einigungsausschuß unter dem Vorsitze von Kunow zusammen; als aber in diesem die Alt-Arendsianer und Matschenzianer im Gegensatze zu den Anhängern der Reformschrift von 1894 eine Einigung erzielten, verlangten die letzteren, veranlaßt durch die zwischenzeitlich aufgetauchten Bestrebungen zur Herbeiführung einer größeren Einheit in der deutschen Stenographie und das Einigungssystem Stolze-Schrey, auf dem Verbandstage in Berlin 19. September 1897 eine Einigung aller „vocalschreibenden Systeme“. In den „Einigungsausschuß der vocalschreibenden Systeme“ traten außer Anhängern der drei Arends’schen Richtungen auch Vertreter der Systeme Roller, Brauns und Kunowski ein; nachdem die Braunsianer ausgetreten waren, empfahl der Einigungsausschuß am 2. Januar 1898 die „National-Stenographie“ der Gebrüder von Kunowski zur Annahme, ein System, das ebenfalls auf dem Arends’schen Stabprincip beruht, aber im Gegensatze zu diesem die Vocale durch Abstriche und die Consonanten durch Aufstriche wiedergibt. Wegen dieses durchgreifenden Unterschiedes vom Arends’schen System fand die „National-Stenographie“ daher auch keine einheitliche Annahme in der Arends’schen Schule, vielmehr lehnte der Alt-Arends’sche „Central-Verein“, sowie der Matschenz’sche „Apollo-Bund“ die Annahme derselben ab, während sie von den vier Verbänden des Hauptverbandes angenommen wurde, worauf der Verband sich auflöste. Nachdem im Sommer 1898 Matschenz und Roller vergebens eine Einigung versucht hatten, nahm der Apollobund weitere Aenderungsvorschläge von Matschenz an, der Ostern 1898 einen Bund aller Arendsianer unter dem Namen „Hauptverband“ gründete. Im März 1899 haben sich auch die Freunde der „Reformschrift“ [32] wieder gesammelt, die inzwischen eingegangenen „Stenographischen Blätter“ neu herausgegeben und den „Arends’schen Stenographenbund“ neu begründet.

Die Zählung vom 30. Juni 1899 wies 101 Vereine mit 2696 Mitgliedern in Deutschland auf, von denen im Deutschen Reiche 12 V. mit 602 M. für Alt-Arends, 78 V. mit 1864 M. für Matschenz-Arends und 9 V. mit 194 M. für Reform-Arends wirken.

Uebertragungen des Arends’schen Originalsystems sind erfolgt: 1. auf das Englische von a) Möller-Ingram, † 19. Januar 1871, im J. 1866; b) von Arends-Timme 1881 (nicht veröffentlicht); c) von Max Berthold 1882; d) von Medron 1886; e) von Emter 1887; f) von F. Skoog 1894; 2. auf das Französische von F. Grebe (1872) und von Dr. H. Grosse (1873); 3. auf das Italienische von C. Mehnert 1888; 4. auf das Lateinische von Dr. Grosse 1868/69 (Antitironia) und von W. Konrad (=Benno Mühlenthal) 1884; 5. auf das Schwedische von Erik Bergsten (unter Mitwirkung von A., 1881); Bergsten gab 1893 eine Debattenschrift für die schwedische Sprache heraus und bearbeitete 1895 die Schrift nach der Reform des deutschen Systems von 1894; 6. auf das Dänische und Norwegische von W. de Shârengrad 1892; 7. auf das Spanische von C. Möller-Ingram 1869; 8. auf das Ungarische von Prof. Dohnányi 1873 (2. Auflage 1878); 9. auf das Russische von A. selbst (nicht veröffentlicht, Manuscript verloren); 10. auf das Holländische von F. Grebe 1874 (Tachygraph). Von diesen Uebertragungen hat namentlich die schwedische vielfachen Anklang gefunden.

Dr. Grosse, Leopold Arends, eine biographische Skizze. Berlin 1878. – Dr. Grosse, Leopold Arends’ Werden und Wirken. 1. Buch: Die Jugendzeit des Meisters. Heiligenbeil 1896. (Bisher nicht mehr erschienen.) – Autobiographie Arends’ im Leitfaden, 15. u. folgende Auflagen. – Biographische Einzelheiten: Antitironia 1868. – Gustav Wendtland, Leop. Arends (Archiv f. St. 1883, S. 40, 74). – Max Bäckler, Leop. Arends (Magazin f. St. 1883, S. 5). – Wendtland, Leopold Arends und seine Schule, Brieg 1883 (unvollständig). – H. Müller-Bohn, Erinnerungen an L. Arends (Bär Nr. 12, 18. December 1886). – Jos. Meyer, Biographie Arends’ (in dem Instructiven Dictierbuch von Wrubel, Wetzikon). – Paul Hirsch, Geschichte der Arends’schen Stenographie. Nach authentischen Quellen. 2 Theile. Berlin 1894 und 1895. – Rösener, Geschichte des Arends’schen Stenogr.-Vereins Apollobund. Berlin 1889. Mit einem Litteraturverzeichniß der Arends’schen Schule. – Rösener, Die Trennung Rollers von Arends (Wissenschaftl. Centralblatt f. St. 1890, Nr. 4, 5). – Denkschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens der Arends’schen St. in Magdeburg 1888. – Mertens, Deutscher Stenographen-Kalender. Seit 1891. – Arends’scher Stenographen-Kalender. Seit 1878. – Dr. Rätzsch, Ueber den Ursprung des Arends’schen Systems (Correspondenzblatt des Stenogr. Instituts, Dresden 1883, S. 5, 17; vgl. auch Krieg, Katechismus der Stenogr., 3. Aufl., Leipzig 1900, S. 163). – Hein. Grosse, Die Pädagogik und die Stenographie, 1872. – Ders., Die theoretischen Grundlagen eines Ideals der Lautschrift und dessen praktische Verwirklichung. 1889. Mit Anhang von E. Nordmann, Die Arends’sche St. u. ihre Nachbildungen. – E. Nordmann, Alt-Arends und seine Verbesserungen. Freie Stenogr. Presse 1895, 2. Jahrg., S. 107. – Paul Hirsch, Die Lage der Arends’schen Schule. Berlin 1893. – W. Engelbrecht, Die Reform der Arends’schen Kurzschrift. Berlin 1893. – J. Mansbacher, Zur Lage der Arends’schen Schule. Berlin 1893. – E. Nordmann, Kann die Arends’sche Stenogr. verbessert werden? (Freie Stenogr. Presse, 1. Jahrg. 1893/4, [33] Nr. 5 ff.) – P. Hirsch, Ist eine Einigung der verschiedenen Richtungen der Arends’schen Schule möglich? (Ebenda, Nr. 7 ff.) – Dr. Johnen, Die Reform des Arends’schen Systems. (Schriftwart 1895.) – Meinberg, Arends’ rationelle St. u. ihre Vereinfachung (Deutsche St.-Ztg. 1895). – Dr. Rätzsch. Das System Arends. Dresden 1884. – Schickenberg, Die Einigung der Stenographieschulen Arends und Roller auf Grund der National-Stenographie. Berlin 1898. – Kritiken des Systems z. B. bei Faulmann, Historische Grammatik der Stenographie, Wien 1887, und bei Kaselitz, Kritische Würdigung der deutschen Stenogr.-Systeme von Gabelsberger, Stolze und Arends. Berlin 1875.