ADB:Bähr, Otto

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Artikel „Bähr, Otto“ von Albert Teichmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 747–748, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%A4hr,_Otto&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 12:10 Uhr UTC)
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Bähr *): Otto B., Rechtsgelehrter und Parlamentarier, geboren am 2. Juni 1817 zu Fulda als Sohn eines Regimentsarztes, bezog Ostern 1834 die Universität Marburg, wurde dort durch Vangerow und durch Albrecht in Göttingen der Jurisprudenz zugeführt, bestand 1838 glänzend sein erstes Staatssexamen, 1843 das zweite zum Eintritt ins Obergericht berechtigende und 1844 das letzte Examen. 1848 wurde er in eine Commission zum Entwurfe einer Civilproceßordnung für Kurhessen berufen, 1849 Obergerichtsrath in Kassel. In letzterer Stellung trat er denen zur Seite, die sich gegen die Rechtsgültigkeit der Maßregeln Hassenpflug’s erklärten und wurde dafür am Neujahrstag 1851 mit einer Einquartierung von 10 „Strafbayern“ heimgesucht, auch an das Obergericht in Fulda versetzt, von wo er erst nach dem Ausscheiden Hassenpflug’s nach Kassel zurückkehrte. 1857 durch die Universität Marburg zum Ehrendoctor ernannt, lehnte er Berufungen dorthin und an zwei andere Universitäten, 1863 einen Ruf nach Lübeck ab, wofür er nunmehr Oberappellationsgerichtsrath wurde. Die Vernichtung der kurhessischen Selbständigkeit schmerzte ihn nicht, trotzdem er seiner Heimath stets patriotisch [748] zugethan blieb, wie er dies durch eine Schrift über den Hessischen Wald bethätigte. 1867 wurde er an das in Berlin errichtete Oberappellationsgericht für die neuen Provinzen, das 1874 mit dem Kammergerichte verschmolz, berufen. Er vertrat als Anhänger der nationalliberalen Partei die Stadt Kassel im Norddeutschen Bundestage, im Reichstage und im preußischen Abgeordnetenhause. Wie der ihm lange Zeit befreundete v. Ihering gegen die Begriffsjurisprudenz auftrat, so bekämpfte er namentlich die Buchstabenjurisprudenz und sonstige Mängel der praktischen Jurisprudenz. Großen Erfolg erzielte er durch seine Monographie „Die Anerkennung als Verpflichtungsgrund“ (Cassel 1854, 2. Aufl. Gött. 1867, 3. Aufl. Lpz. 1894) und die publicistische Skizze „Der Rechtsstaat“ (Gött. 1864). Fragen des Immobiliarrechts behandelte er in den Schriften „Die Preuß. Gesetzentwürfe über die Rechte am Grundvermögen“ (Jena 1870, mit Langerhans); „Das Gesetz über die Enteignung von Grundeigenthum vom 11. Juni 1874“ (Berlin 1875, 2. Aufl. 1878) und civilprocessualische in „Das Rechtsmittel zweiter Instanz im deutschen Civilproceß“ (Jena 1871); „Der deutsche Civilproceß in praktischer Bethätigung“ (ebd. 1885); „Noch ein Wort zum deutschen Civilproceß“ (ebd. 1886); „Die Proceß-Enquête des Prof. Dr. Wach“ (Kassel 1888). Als scharfer Kritiker des Entwurfs zum Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch zeigte er sich in „Zur Beurtheilung des Entwurfs“, (München 1888), dem ein „Gegenentwurf“ (Kassel 1892) folgte und schilderte humorvoll seine Heimath in „Eine deutsche Stadt vor 60 Jahren“ (Lpz. 1884, 2. Aufl. 1886); auch schrieb er über „Das Tonsystem unserer Musik“ (Lpz. 1882). An den Arbeiten der Reichsjustizcommission nahm er 1875/76 Theil und gab mit Ihering die „Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts“ Bd. 12–25 heraus. Von seinen Rechtsgutachten seien genannt das „in Sachen der Gotthardbahngesellschaft gegen die Unternehmung des großen Tunnels“ (Luzern 1884) und das weitere „in der Rechtssache der Baugesellschaft Flüelen-Göschenen in Zürich gegen die Direction der Gotthardbahn in Luzern“ (Luzern 1887). Im J. 1879 war er in das Reichsgericht berufen worden, schied jedoch wegen Nervenleidens schon 1881 aus. In glänzender Weise behandelte er dessen Rechtsprechung in dem Werke „Urtheile des Reichsgerichts mit Besprechungen“ (München 1883). Den Lebensabend verbrachte er in Kassel, wo er am 17. Februar 1895 starb. Kurz vorher hatte er noch seine hie und da zerstreuten Abhandlungen juristischen und gemischten Inhalts in zwei Bänden als „Gesammelte Aufsätze“ (Lpz. 1895) veröffentlicht.

Nekrolog von Gustav Pfizer († am 24. Dec. 1899) in der Beil. 105 der Allgem. Ztg. 1895. – Kritische Ueberschau IV, 1–47, 219–247. – Heidelberger krit. Jahrbücher III, 496 ff. – Erwiderung Bähr’s in den Jahrbüchern f. d. Dogm. II, 283 ff., 367 ff. – Grünhut’s Zeitschr. XII, 513 ff. – Archivio giuridico I, 261; XV, 591–93. – Jahrbücher f. d. Dogm. XXIV, 1–32. – Archiv f. d. civilist. Praxis LXII, 82 ff. – Zeitschr. f. dtsch. Civilproceß VII, 149–151; IX, 508–520; X, 269; XII, 172 ff.; XIX, 75–103. – Teichmann, Repertorium d. Dtsch. Reichstages. Berlin 1872, S. 310, 484, 639, 649. – Zeitschr. f. vergl. R.wiss. X, 474. – Deutsche Literaturztg. 1883, S. 889–896. – Bursian’s Jahresbericht d. klass. Alterthumsw. Bd. 42. – Ahrens, Naturrecht, 6. Aufl. Wien 1871, Bd. II, 368. – A. de Gubernatis, Dictionnaire international des écrivains du jour. Florence 1891, I, 125.

[747] *) Zu Bd. XVLI, S. 189.