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ADB:Bacmeister, Adolf

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Artikel „Bacmeister, Adolf“ von Julius Hartmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 434–437, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bacmeister,_Adolf&oldid=- (Version vom 11. Oktober 2024, 05:46 Uhr UTC)
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Bacmeister *): Lukas Adolf B., Germanist, 1827–1873. In seinen Germanistischen Kleinigkeiten (Stuttgart 1870), dem Abschnitt: Alte Familiennamen, lesen wir: „Meinen eigenen Namen betreffend, der auf den ersten Blick die norddeutsche Form und Quelle verräth, so lautet die Ueberlieferung also: [435] Lütke oder Lüdike (= Ludwig) Willen war oberster Bäcker bei dem Herzog von Braunschweig zu Lüneburg, und da er hiernach aller anderen Bäcker Meister war, so wurde er von den Hofleuten gemeiniglich Lütke Backmeister genannt. Sein Fürst, als er dieses hörte, befahl, daß er und seine Nachkommen diesen Namen immer als einen Geschlechts- und Zunamen führen sollten. Mit ihm ist der Vorname Lucas seit dem Enkel jenes Lütke Willens, Lucas Bacmeister, geboren 1530, bis auf diesen Tag in der Familie erblich, sonder Zweifel nur eine gelehrte Latinisirung des niederdeutschen Lüdke, wie auch die alte sonderbare Schreibung Bacmeister auf eine Professorenlaune des 16. Jahrhunderts deutet.“ In einem früher nach Schwaben verpflanzten Zweig dieser Familie wurde dem Stiftungsverwalter der ehemaligen Reichsstadt Eßlingen am 9. Juli 1827 zu zwei Brüdern und vier Schwestern, denen noch vier Brüder folgten, unser Adolf geboren. Daß der zarte, leicht lernende Junge Theolog, mit dem durch „Landexamen“ und „Concurs“ zu erlangenden Benefiz der Seminare werden sollte, stand für die Eltern, die beide aus Pfarrhäusern stammten und wenig bemittelt waren, von vornherein fest. Im „niedern“ Seminar Blaubeuren, demselben, durch das auch Strauß und Vischer gegangen waren, erwarb sich der Fleißige bei den Lehrern gute Zeugnisse, bei den Mitschülern bald durch seinen Humor, sein Dichten und Declamiren Achtung und Zuneigung. Auf der Hochschule überwog dann der Verkehr in einer leben- und geistsprudelnden Gesellschaft, deren witzige Kneipzeitung B. ins Leben rief, und die Beschäftigung mit einem Konradindrama das Studium. Mehr und mehr empfand er die Unvereinbarkeit des damals noch recht klösterlichen Stiftes und des theologischen Berufes mit seiner überquellenden Natur. Als der 48er Sturm in die Zeit fuhr, zerriß auch er die Fesseln und floh in einer Märznacht in das Land der neuerwachten Freiheit, nach Straßburg, schloß sich dort der Herwegh’schen Freischar an und zog mit ihr, obgleich der Hecker’sche Aufstand bereits in den letzten Zügen lag, nach dem badischen Oberland, wo er am 27. April in dem hitzigen Gefecht bei Dossenbach gegen seine württembergischen Landsleute focht, gefangen genommen und in das Zellengefängniß nach Bruchsal, von da auf den heimischen Asperg gebracht wurde. „Es war ihm zum Heil, es riß ihn nach oben“, sagt sein Biograph und innigster Freund Rudolf Schmid (s. u.): im Gefängniß begann eine, im Elternhauss fast über Kraft fortgesetzte Zeit eifrigsten Studirens, dessen Mittel- und Zielpunkt die vergleichende Sprachforschung wurde.

Ueber drei Jahre, anderthalb minder befriedigende im pfälzischen Deidesheim, die größere Hälfte, an die er immer mit einem Glücksgefühl zurückdachte, in Crefeld, war er nun als Hauslehrer thätig, machte dazwischen in der Heimath seine philologische Prüfung und wurde im April 1854 in der Kernerstadt Weinsberg zweiter Lehrer an der Lateinschule, nach zwei Jahren Gymnasiallehrer in Ulm, schließlich nach kurzer Verwendung in seiner Vaterstadt im October 1857 Präceptor in Reutlingen, eine Stellung, in der er bis November 1864 verblieb. Sanskritstudien, eingehende Beschäftigung mit der germanistischen Wissenschaft, eigenes Dichten (Deutsche Sonette, Ulm 1860), Vorlesungen über deutsche Litteratur für Männer und Frauen machten dem zu Höherem Angelegten das Betreiben der lateinischen Elemente mit kleinen Schülern erträglich; es entstanden, außer Aufsätzen in Zeitungen und Zeitschriften, sowie einem gern gebrauchten „Liederbuch für die Jugend bis zum 14. Jahr“ (Heilbronn 1856 u. a.), gute Bearbeitungen der Nibelungen (Stuttgart 1858) und der Gudrun (Reutlingen 1860), Herausgabe einer alten, sprachlich und inhaltlich wichtigen Chronik der Stadt Reutlingen von einem seiner Amtsvorfahren aus dem 17. Jahrhundert, Johann Fizion (Stuttgart 1862); Uebersetzung eines reizenden englischen [436] Büchleins, das seine an den Missionar Mögling verheirathete Schwester aus Indien mitbrachte: Der Haushalt von Sir Thomas More (Stuttgart 1861; neue Ausgaben unter dem Titel: Margaret More’s Tagebuch 1522–1535).

Nach vergeblichen Versuchen, als Bibliothekar oder im Statistisch-topographischen Bureau seines Heimathlandes eine seinen Neigungen und Leistungen entsprechende Anstellung zu finden, nahm er im November 1864 einen Ruf nach Augsburg an die Cotta’sche Allgemeine Zeitung, deren geschätzter Mitarbeiter er seit Jahren gewesen, mit Freuden an. Hier rang er der anstrengenden, besonders der Beilage des Blattes, aber auch der Politik gewidmeten Redactionsarbeit, nicht zum Vortheil für seine Gesundheit meist nächtlicherweile, die Zeit auch für selbständige Arbeiten ab. Er hatte in Reutlingen „durch Klänge wie Achalm, Echaz, Erms u. dgl. gelockt“, angefangen, „das Ohr an den Boden zu legen, ob nicht eine Quelle der Vorzeit rauschte, mit dem Stab an den Felsen zu rühren, ob nicht eine verschollene Sprache noch einmal nachklingen wolle“; jetzt konnte er an die dritte Bearbeitung des Manuscriptes seiner „Alemannischen Wanderungen“ gehen und 1867 den Anfang dieses groß angelegten Werks: „Ortsnamen der keltisch-römischen Zeit. Slavische Siedlungen“ (Stuttgart, Cotta 1867) erscheinen lassen, leider ohne eine Fortsetzung der Schrift fertig zu stellen, die so reizend des Verfassers ganz einzige Kunst offenbart, das in tiegründiger Forschung Errungene scherzend hinauszugeben, „mit gefälligem Finger dem Leser den labyrinthischen Pfad zu weisen, der durch die wirren Blöcke von der fernen Vorzeit zur Gegenwart führt“. (Nur ein Bruchstück der „Germanischen Ortsnamen“ konnte aus einer Fülle von Materialien und Gedankensplittern durch den Unterzeichneten in den Württembergischen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde 1874 und 75 zum Druck gebracht werden.) Neben zahlreichen Aufsätzen in der Allgemeinen Zeitung, dem Ausland und andern Blättern, wovon eine Auswahl theils in den „Germanistischen Kleinigkeiten“ (Stuttgart 1870) theils in der unten zu erwähnenden Erinnerungsschrift von 1886 mitgetheilt ist, erschienen in dieser Augsburger Zeit anerkannt treffliche Uebersetzungen von Tacitus’ Germania und Agricola (Stuttgart 1868, 1871) und von Horazens Oden (ebenda 1871).

War B. in seiner Jugendverirrung von 1848, dann in seinen wuchtigen „Deutschen Sonetten“ und den Festreden zur Schillerfeier 1859, am Schwäbischen Turnfest 1861, zu Uhland’s Gedächtnis 1863, auch Leitartikeln der Allgemeinen Zeitung stets der feurige, Deutschlands Freiheit und Einheit heiß ersehnende Patriot gewesen, so erkannte er nach der Entscheidung von 1866 sofort, früher als die Mehrzahl seiner schwäbischen Landsleute, die volle Bedeutung Preußens für Deutschlands Wiedergeburt, und vollends im großen Jahr 70/71 „machte er in vielen begeisterten und begeisternden Worten seinem deutschen Herzen Luft und feierte in manchem Gesang jene Hochfluth unseres nationalen Lebens“. Aber in der gehäuften Redactionsarbeit dieser Monate brustkrank geworden, sah er sich genöthigt, seinen Abschied zu nehmen, ließ jedoch, als Oskar Peschel die Redaction des Cotta’schen „Ausland“ mit einer Professur in Leipzig vertauschte, sich bestimmen, jene zu übernehmen, bis er, dessen Gebiet die in der Zeitschrift hauptsächlich vertretenen Naturwissenschaften weniger waren und den die materialistische Richtung ihrer Hauptvertreter anwiderte – eine seiner letzten Recensionen war die möglichst mäßig gehaltene, aber im ganzen verurtheilende Anzeige von Strauß’ Altem und Neuem Glauben in der Kölnischen Zeitung – auch diese Fessel sprengte und im Sommer 1872 in den Stand eines Privatgelehrten zurücktrat. Die Wiener „Presse“ wollte ihn als Bibliothekar und litterarischen Redacteur gewinnen, aber ein Besuch in der Donaustadt überzeugte ihn, daß diese kein Aufenthalt für seine schon damals sehr angegriffene [437] Gesundheit sei, und als ihm gestattet wurde, in Stuttgart, wohin es ihn zog, als der literarische Referent des Blattes zu leben, auch ständiger Mitarbeiter am Feuilleton der Kölnischen Zeitung zu bleiben, zog er im November 1872 – mit seiner Schwester, die dem Junggesellen seit den Reutlinger Jahren treulich den Haushalt geführt, dahin, sorgenfrei wie nie, voll großer Entwürfe, von den Verwandten und Freunden bestens aufgenommen, aber – den Todeskeim im Herzen. Nur um so mehr bedacht, seine Zeit auszukaufen, „nicht gebrochen, nur veredelt vom Anhauch der nahenden Vollendung“, ging der Tapfere dem Ziel entgegen, schrieb noch an seinem Todestag, den 25. Februar 1873, an seinen „Keltischen Briefen“, die mit den Uebertragungen von Juvenal’s Satiren und Horazens Episteln nahezu druckfertig auf seinem Tische lagen, während in den Fächern eine Fülle von Stoff der Nutzbarmachung für die Wissenschaft und das Volk harrte. Otto Keller hat dann die Keltischen Briefe (Straßburg 1874) und später die Horazischen Episteln (Leipzig 1891), beide erweitert und ergänzt, zum Druck gebracht. Diese Posthuma zeigten uns noch einmal, wie viel die deutsche Wissenschaft und ihre edelste Popularisirung durch das frühe Hinscheiden des Reichbegabten verloren hat. Denn B., der fast ganz sein eigener Lehrer gewesen, war in den Geist und die Geschichte der Sprache, in die Entwicklung des Menschen- und des vaterländischen Volkssthums tief eingedrungen wie Wenige, hatte, wie selten einer, sein reiches Wissen und tiefes Erforschen wie seine Sprachmächtigkeit in den Dienst der Forderung gestellt, die er selbst mit den Worten bezeichnete, daß der heitere Scherz und die freie Phantasie die Bahnen der menschlichen Arbeit und Wissenschaft begleiten, ihre Ziele dichterisch idealisiren soll (Germanistische Kleinigkeiten, Vorwort).

Abhandlungen und Gedichte von Adolf Bacmeister. Mit einer Biographie und dem Bilde Bacmeister’s. Herausgegeben von J. Hartmann, J. Klaiber und Rud. Schmidt. Stuttg., Kohlhammer, 1886. Vgl. auch J. Klaiber im Württ. Staatsanzeiger vom 1. März 1873 und H. Fischer in Lindau’s Gegenwart 1873, S. 203 f.

[434] *) Zu Bd. XLVI, S. 175.