Zum Inhalt springen

ADB:Bergmann, Friedrich Wilhelm

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Bergmann, Friedrich Wilhelm“ von Ernst Martin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 383–385, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bergmann,_Friedrich_Wilhelm&oldid=- (Version vom 18. November 2024, 21:25 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Bergk, Theodor
Band 46 (1902), S. 383–385 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Friedrich Wilhelm Bergmann in der Wikipedia
Friedrich Wilhelm Bergmann in Wikidata
GND-Nummer 116132949
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|46|383|385|Bergmann, Friedrich Wilhelm|Ernst Martin|ADB:Bergmann, Friedrich Wilhelm}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116132949}}    

Bergmann: Friedrich Wilhelm B., elsässischer Sprachforscher, geboren zu Straßburg am 9. Februar 1812, veröffentlichte als Baccalaureus der Theologie die These „De religione Arabum anteislamica“, studirte dann in [384] Göttingen, wo ihn Ewald und O. Müller besonders anzogen, hierauf in Berlin, endlich in Paris, wo er Silvestre de Sacy und Burnouf näher trat. Der zuletzt genannte wies ihn auf die altnordischen Studien hin. 1838 erschien zu Paris Bergmann’s Ausgabe der Poëmes Islandais (Voluspa, Vafthrudnismal, Lokasenna). Die Einleitung gibt gut Auskunft über die Vorgänger; selbständig ist der Nachweis, daß die Liederedda erst nach Snorris Prosawerk gesammelt worden ist; ebenso die Rechtfertigung der vierzeiligen Abtheilung des Fornyrdislag im Gegensatz zu der achtzeiligen bei Rask und den späteren nordischen Herausgebern. Die grammatischen Auseinandersetzungen im Glossar zeigen die Kenntniß sowol des Altnordischen als einer Reihe von indogermanischen und semitischen Sprachen, aber zugleich die Neigung zu höchst gewagter Verallgemeinerung seiner Beobachtungen. Die Wurzel TaNa die er für τείνειν, tendere, Dehnen annimmt, setzt er zusammen aus ta hier und na dort (dem Sinne nach = frz. ); er findet sie wieder im hebräischen Natan geben; er vermuthet zu den einzelnen Lauten entsprechende Geberden, z. B. zu N eine ablehnende Handbewegung von links nach rechts. Diese Neigung, welche ihn von den wissenschaftlichen Fortschritten Anderer nur das annehmen ließ, was zu seinen verwegenen Lehren und Erklärungen paßte, mußte ihn natürlich bald außer Zusammenhang mit den meisten Fachgenossen bringen, von denen Jacob Grimm früher mit ihm correspondirt hatte, später noch Liebrecht und Simrock mit ihm in Verbindung standen. 1838 schon wurde ihm der Lehrstuhl für fremde Sprachen an der Straßburger Faculté des lettres übertragen. 1838 vertheidigte er zwei Doctorthesen, eine Théorie de la quantité prosodique, an deren Schluß er sagt: la prosodie dorénavant est une science, und de linguarum origine atque natura. Seine sprachphilosophischen Studien faßte er zusammen als „Resumé d’etudes d’Ontologie générale et de linguistique générale“, wovon die 3. Auflage Paris 1875 erschien. Die Entwicklungslehre hat B. schon vor seiner Bekanntschaft mit Darwin mit der Sprachgeschichte in Verbindung gebracht, und in die nach französischer Art knappe, lichtvolle, fast mathematische Darstellung manche gute Beobachtung eingekleidet. Hübsch ist auch seine kleine Schrift „La priamèle dans les différentes littératures anciennes et modernes“, Straßburg und Colmar 1868 (Ausschnitt aus der Revue d’Alsace), worin sich wieder seine ausgedehnte Belesenheit und sein geschmackvoller Vortrag zeigt, wenn er auch zu weit geht, indem er den Gebrauch dieser Form durchweg aus dem Indischen ableiten will. In der Revue d’Alsace) veröffentlichte er auch kleinere Artikel, über die Amazonen u. s. w., im Bulletin der Société littéraire einen Vortrag über Shakespeare. Seine Eddastudien setzte er im Solarliod 1858 und in Gylfaginning 1861 fort. Den Kreis seiner Vorlesungen dehnte er bis auf das Sanskrit aus, welches er zuerst in Frankreich, abgesehen von Paris, in akademischen Vorträgen behandelte. Seine eigentliche Aufgabe wies ihn, außer dem Deutschen, auch auf das Englische und Italienische hin. Bergmann’s Buch, „Dante, sa vie et ses oeuvres“, erschien in 2. Auflage 1881; auch hier urtheilte er richtig über fremde Irrthümer, ohne eigene zu vermeiden. Im J. 1861 wurde er ständiger Decan der Facultät: französische, italienische, schwedische Orden, später auch preußische wurden ihm zu Theil. Als 1872 die neue Straßburger Universität die philosophische Facultät, welche bis dahin wesentlich nur ein Anhängsel der protestantisch-theologischen gewesen war, selbständig und mit den höchsten Anforderungen neu gestaltete, trat er zwar in diese über und lehnte ein Anerbieten der französischen Regierung, ihn nach Dijon zu versetzen, ab. Aber neben der jugendlich-kräftigen, geistvollen und namentlich methodischen Thätigkeit W. Scherer’s war kein Platz für Bergmann’s Wirksamkeit; er ließ sich fünf Jahre später emeritiren. Er hat auch nach 1870 noch eine Reihe weiterer Schriften veröffentlicht; besonders Erläuterungen [385] zu Eddaliedern, die er auf seine Kosten drucken ließ und verschenkte; zuletzt, indem er zu Jugendstudien zurückkehrte, Arbeiten über das Hohelied, den Prediger Salomonis, Jonas. Auch die elsässischen Dialektstudien suchte er durch die Ausgabe der „Straßburger Volksgespräche“ 1873 zu fördern, setzte aber leider die z. Th. aus dem vorigen Jahrhundert stammenden Aufzeichnungen dieser satirischen Fraubasengespräche in eine eigenthümliche Orthographie um. Noch etwa 10 Jahre lebte er im Ruhestand, bis ihn am 14. November 1887 ein Schlaganfall wegraffte. Im Directorium der Augsburgischen Confession, in welches er 1869 gewählt worden war, stand er mit Reuß für die liberale Richtung ein; und von dieser Seite ist das Andenken des persönlich milden und würdigen Mannes biographisch erhalten worden.

Le Progrès religieux, XXe année, Strasbourg 1887, p. 371–373 (Rod. Reuß).