Zum Inhalt springen

ADB:Bessel, Gottfried

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Bessel, Johann Georg“ von Adalbert Horawitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 567–569, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bessel,_Gottfried&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 14:11 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Bessell, Willy
Band 2 (1875), S. 567–569 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Gottfried Bessel in der Wikipedia
Gottfried Bessel in Wikidata
GND-Nummer 118662562
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|2|567|569|Bessel, Johann Georg|Adalbert Horawitz|ADB:Bessel, Gottfried}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118662562}}    

Bessel: Johann Georg B., mit dem Klosternamen Godfried, der fünfzigste Abt von Göttweig, wurde zu Buchhain im Mainzischen 5. Sept. 1672 geboren, † 1749, studirte zu Aschaffenburg, Bamberg und Würzburg und endlich an der Universität Salzburg. Am 21. Juni 1693 legte er zu Göttweig die Ordensgelübde ab und trat in dieses Benedictinerkloster ein. Theologie studirte er zu Wien, wo er am 7. Mai 1696 zur Erlangung des Doctorgrades der Theologie disputirte. Reiches Wissen und eine eigenthümliche Energie des Charakters ließen in B. den Wunsch nach einer exemten Stellung im Kloster [568] aufkommen, was zu steten Reibungen und zur endlichen Entlassung Godfrids aus dem Klosterverbande (10. August 1696) führte. B. begab sich nun ins mainzische Benedictinerstift Seligenstadt und erwarb sich dort als Lehrer der Philosophie den Beifall des Kurfürsten von Mainz, Franz Lothar von Schönborn, der ihn am 3. Febr. 1699 als Ehrenhofcaplan und geistlichen Rath nach Mainz berief und zwei Jahre später nach Rom zur Erlernung der Curialpraxis absendete. Am 10. Mai 1703 promovirte B. daselbst im Collegio della Sapienza als Doctor utriusque juris, am 27. August d. J. erhielt er den Titel: Miles et eques auratae militiae et sacri palatii et aulae lateranensis comes palatinus. Nach Mainz zurückgekehrt erlangte er dort die Würde eines geheimen Rathes und wurde am 4. Sept. 1704 zum größten Aerger des adeligen Collegiums zum Vicarius generalis in spiritualibus und Officialis archiepiscopatus ernannt. Von nun an wurde B. auch in diplomatischen Sendungen verwendet, wie er denn u. A. Elisabeth Christine von Wolfenbüttel zum Katholicismus bekehrte, um ihre Vermählung mit Karl, König von Spanien, möglich zu machen (1. Mai 1707). Drei Jahre später gelang ihm auch die Convertirung des Herzogs Anton Ulrich von Wolfenbüttel. – In diese Zeit fallen seine zweite (1708) und dritte (1710) Reise nach Rom. Auf der letzteren berührte B. Göttweig, wo man sich sofort veranlaßt fühlte, in feierlicher Capitelsitzung (11. Mai) die Entlassung Bessel’s zurückzunehmen. Mannigfache Reisen und Missionen – u. a. die Reise nach Rom (1711), auf der er die Beilegung der Streitigkeiten zwischen Papst und Reich wegen Commachio[WS 1] versuchen sollte – füllten die Zeit bis 1714; am 7. Februar d. J. aber wurde B. zum Abte von Göttweig, am 5. December zum Rector magnificus der Wiener Universität erwählt. Auch als Abt unternahm er im Auftrage des Kaisers zahlreiche Missionen, so z. B. die Reise nach Mecklenburg, um den Herzog Karl Ludwig zur katholischen Kirche zurückzuführen – was ihm übrigens nicht gelang – und gegen die Allianz mit Rußland zu operiren. 1716 wurde B. zum Hoftheologen ernannt, in der Zeit von 1717–1729 war er zweimal ständischer Verordneter und entwickelte als kaiserlicher Commissarius eine große schiedsrichterliche Thätigkeit. Am 22. Jan. 1749 starb der Hochbetagte zu Göttweig. – Seinem Kloster, das am 17. Juni 1718 völlig abbrannte und durch die schamlosen Plünderungen der Franzosen (26. Oct. 1741) große Einbußen erlitt – der greise Abt ward in gröbster Weise mißhandelt – ist B. so recht der zweite Stifter geworden. Er war es, der das Kloster in einheitlicher und großartiger Weise wieder aufbauen ließ, der daselbst eine Schule gründete, er legte den Grund zu der werthvollen Bibliothek und den reichen Sammlungen an Münzen, Kupferstichen, Mineralien, Muscheln, Gemälden etc. Unter ihm war das Capitel reich mit Promovirten besetzt; gelehrte Männer gehörten dazumal schon dem Göttweiger Hause an. Geradezu staunenswerth aber ist B. als Verwaltungsmann; sein administratives Talent ist ein höchst bedeutendes, dafür zeugen die zahlreichen Instructionen für alle Würdenträger und Beamte des Klosters, die B. sämmtlich eigenhändig ausfertigte. Er überwacht Alle und Alles und ist über die kleinste Thätigkeit der Untergebenen unterrichtet; seiner Sparsamkeit und Umsicht gelang es auch, Erwerbungen zu machen und Bauten auszuführen. Wenn aber auch das administrative Talent Bessel’s noch nicht hinlänglich gewürdigt ward, über seine hervorragende wissenschaftliche Bedeutung sind Zeitgenossen wie Späterlebende einig. Nicht bloß Karl VI. sprach bei dem Gerüchte von Bessel’s Tode die Beide ehrenden Worte: Perdidimus gemmam de annulo nostro, auch andere Zeitgenossen ehrten den Gelehrten B. hoch. Der Senat von Nürnberg u. A. ließ eine Goldmünze zum Andenken des Verfassers des Prodromus schlagen. Dieser Prodromus, der unter dem Titel: „Chronicon Gotwicense, seu Annales liberi et exempti monasterii Gotwicensis, O. S. B. inf. [569] Austriae, faciem Austriae antiquae et mediae usque ad nostra tempora, deinde ejusdem monasterii fundationem, progressum, statumque hodiernum exhibens, ex codicibus antiquis, membranis et instrumentis tum domesticis, tum extraneis depromptum: pro quorum faciliori intellectu tomus prodromus de Codicibus antiquis Manuscriptis, de Impp. ac Regum Germaniae diplomatibus, de eorundem palatiis, villis et curtibus regiis, atque de Germaniae medii aevi pagis praemittitur etc. Tegernsee 1732, erschien, begründet Bessel’s unvergänglichen Ruhm und seine Stelle in der Geschichte der historischen Wissenschaft. Denn in der That ist Bessel’s Werk „eines der größten diplomatischen Prachtwerke, das Mabillon’s Arbeiten würdig zur Seite steht und der ganzen deutschen Litteratur Ehre macht“. Reiches Wissen, heller kritischer Blick, lebendiger Eifer für die Wahrheit zeichnen dieses Werk aus, zu dem, wie der Verfasser sagt, Vaterlandsliebe geführt, und bei dem ihm die Unterstützung des Erzbischofs von Mainz und zahlreicher Aebte zu Theil ward. – Die übrigen Schriften Bessel’s sind meist theologischen Inhalts; 1708 erschien zu Mainz (tecto nomine) die Schrift: „Quinquaginta romano-catholicam fidem omnibus aliis praeferendi motiva“. 1732 edirte er aus dem Codex Gotv. 14 „St. Augustini Aurelii ad Optatum Millevitanum de natura et origine animae ep. II. Accessit ejusdem Augustini epistola: de poenis parvulorum, qui sine baptismo discedunt. Prodeunt nunc primum ex membr. saec. XII. Bibl. Gotv.“, Viennae Austriae, fol. Schon als junger Mann hatte B. ein Schriftchen: „Margerita pretiosa“ 1696 zu Wien erscheinen lassen; außerdem existiren noch Gutachten und polemische Schriften von ihm, namentlich gegen Jansenismus und Quietismus (um 1721). – Sein Nachlaß befindet sich zu Göttweig und bildet eine Reihe von 23 Foliobänden. Reiche Vorarbeiten für die übrigen Bände seines Chronicon, sowie viele Reiseberichte, Gedichte und besonders die überaus stattliche, sechs Foliobände füllende Correspondenz lassen den Wunsch rege werden, daß dieser Nachlaß für die gelehrte Welt nicht verloren gehe. – Eine Münze mit Bessel’s Bilde findet man im Museum Mazzuchellianum t. II. t. 46 ad pag. 227 und sein Portrait im Göttweiger Hause auf einem großen Oelgemälde. Die starken Züge, der festgeschlossene Mund und die kräftige Nase erinnern an das Antlitz des Reichsfreiherrn von Stein, dessen durchgreifende Energie auch in Bessel’s Wesen erscheint.

Die meisten älteren und neueren Angaben über B. sind fehlerhaft, so z. B. der Artikel in der Ersch und Gruber’schen Encyclopädie; das beste, was über ihn geschrieben ward, ist die verläßliche, durchaus auf Urkunden und Originalquellen fußende, handschriftliche Biographie des Göttweiger Bibliothekars P. Vincenz Werl, die auch hier benutzt ward. Ueber das Chronicon Gotwicense vgl. namentlich Erhard in der Zeitschrift für Archivkunde, Diplomatik und Geschichte. Hamburg 1836. B. II. S. 244 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe den Artikel Comacchiokrieg in der Wikipedia.