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ADB:Brühl, Karl Graf von

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Artikel „Brühl, Karl Friedrich Moritz Paul Graf von“ von August Förster in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 417–419, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Br%C3%BChl,_Karl_Graf_von&oldid=- (Version vom 4. Dezember 2024, 19:15 Uhr UTC)
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Brühl: Karl Friedrich Moritz Paul Graf v. B., geb. 18. Mai 1772 zu Pförten in der Niederlausitz, † zu Berlin 9. August 1837. Der Sohn der geistvollen Margarethe geb. Schleierweber und Neffe des prachtliebenden, geistreichen und für alle Künste, namentlich die theatralischen, warm interessirten Friedrich Aloys v. B. (s. o.), wurde Moritz Graf v. B. schon in früher Jugend mit begeisterter Liebe für alle Künste erfüllt. Er erhielt eine ausgezeichnete Erziehung, erfreute sich der Theilnahme Goethe’s, dem er bei einem Besuche seiner Eltern am weimarischen Hofe schon im Jahre 1785 bekannt geworden war, und erlangte in mehreren Künsten, wie Musik, Malerei, Radirkunst, eine nicht gewöhnliche Fertigkeit. Goethe hatte in dem jungen B. die Neigung für Naturwissenschaften erweckt und war ihm sogar persönlich Lehrer in der Mineralogie geworden. Auch Herder und Wieland betheiligten sich an seiner Ausbildung. Ursprünglich als Eleve beim Berg- und Hüttenwesen in Berlin angestellt, ging er bald zur Forstwissenschaft über, für die er sich theoretisch und praktisch mit Eifer und Erfolg ausbildete. 1796 trat er als Forstreferendarius der kurmärkischen Kammer in den preußischen Staatsdienst. Mächtig auf seinen späteren Beruf wirkte ein zweiter Besuch, den er im Jahre 1798 am weimarischen Hofe machte. Er nahm Theil an den Festen unter Goethe’s Leitung und spielte mit auf dem herzoglichen Privattheater. Nachdem er mehrere hohe Chargen am preußischen Hofe bekleidet hatte, machte er den Feldzug von 1813 als Freiwilliger mit und begleitete den König nach Paris und London. Auf seinen Reisen beschäftigten ihn hauptsächlich Bühnen und Bühnenwesen. Im Jahre 1814 war er preußischer Commandant in Neufchatel, wo er sich am 19. October mit der Gräfin Jenny v. Pourtalis verheirathete. Nach Iffland’s Tode ernannte ihn Friedrich Wilhelm III. am 14. Februar 1815 zum General-Intendanten der königlichen Schauspiele. Diese Ernennung war von den wichtigsten Folgen für die Entwicklung der Schauspielkunst in den nächsten Decennien begleitet. Obwol Graf B. mit allen Eigenschaften eines Bühnenleiters ausgestattet schien, waren die Resultate seiner Verwaltung, im Großen und Ganzen überblickt, doch negativer Natur. Er war ein Mann von wahrhaft adelichem Sinn, von lebhaftem Geiste und gefühlvollem Herzen, von leidenschaftlicher Liebe für das Theater erfüllt und von reicher Kenntniß auch des Technischen im Theaterbetriebe. Die großen Geldmittel, die ihm zu Gebote gestellt wurden, bewirkten zunächst eine auffallende Veränderung in der äußeren Ausstattung der Theaterstücke. Er hatte eine große [418] Vorliebe für Decoration und Costüm, und führte namentlich die historische Richtigkeit der Kleidertracht mit so viel Consequenz, Glanz und Solidität durch, daß das Costümwesen der deutschen Bühne durch ihn in eine neue Phase gehoben wurde. Dies war aber auch das einzige positive Resultat seiner Intendanz. Denn obwol B. auch für den innern Lebensgeist der Schauspielkunst einen richtigen und feinen Sinn hatte und den guten Geist der Ifflandischen Schule ehrte und zu erhalten suchte, ja durch die Erwerbung des Wolff’schen Ehepaars, das in Weimar unter Goethe’s Leitung ausgebildet war, die idealere Richtung der Schauspielkunst auf den gesunden Stamm der Ifflandischen Spielweise zu pfropfen und diese dadurch zu veredeln bestrebt war, so erwies sich doch am Ende seines Wirkens, daß die echte Kunst in Verfall gerathen und der Demoralisation der schauspielerischen Gesinnung Thor und Thür geöffnet worden war. Das war allein verschuldet durch die Organisation des Hoftheaters, welche er einführte. Als vornehmer Mann, als kunstfremder Chef stand er nicht mitten im Betriebe des Schauspielwesens und dirigirte von oben herab, mit Hülfe eines überreich verzweigten Bureaukratenthums. Bald erwies dieses Bureaukratenthum seine destructive Macht. Die sachgemäße künstlerische Leitung des Theaterbetriebes durch die unmittelbare Thätigkeit sachverständiger Regisseure ward gelähmt, da diese nicht mehr in directem Verkehr mit dem Haupte der Leitung standen, sondern durch ein Heer von Beamten ihre Vorschläge hinauf gelangen lassen mußten, ihre Befehle herunter zu erhalten hatten. Nörgelnd und hemmend trat diese Einrichtung in den Theaterorganismus, welcher nur leben kann im unmittelbarsten Verkehr aller schaffenden Kräfte. Die Regisseure ermüdeten und resignirten sehr bald, wie Wolff, Beschort und Devrient. Das Amt der Regisseure wurde herabgedrückt von seiner Bedeutung, die Möglichkeit schöpferischer Thätigkeit ward ihm entzogen, die Regisseure wurden nach und nach zu Organen der theatralischen Polizei, welche nur die äußere Ordnung überwachten. Der Geist der Schule, das Ensemble verfiel, mit ihm die republikanische Gesinnung, welche vom Schauspieler, soll die Kunst gedeihen, Unterordnung unter gemeinsame Zwecke, Verzicht auf Geltendmachung der einzelnen Persönlichkeit gebieterisch fordert. Der Vortheil ward der Gott der Künstler, die heilige Begeisterung erlosch. Die freudige Hingabe an allgemeine Ziele erstarb. Dieses Resultat wird immer die nothwendige Folge sein, wo der Schauspielkunst kunstfremde Führer aufgenöthigt werden. Die Geschichte der deutschen Hoftheater im 3., 4., 5. und 6. Decennium des Jahrhunderts stellt es mit überzeugender Klarheit ins Licht, daß die Creirung der Theater-Intendanzen als Hofstellen für das Gedeihen der Schauspielkunst absolut todtbringend gewirkt hat und es wäre kaum begreiflich, daß noch immer diese Einrichtung an maßgebenden deutschen Bühnen aufrecht erhalten wird, wüßte man nicht, daß von dem Wesen des theatralischen Kunstbetriebes bei denen, die über die Bühnen zu verfügen haben, selten eine Vorstellung herrscht, und daß der Dilettantismus in keiner Kunst sich leichter und mit größerem Anschein von Berechtigung geltend machen kann, als in der theatralischen. Brühl’s absolute Machtstellung im Berliner Theaterstaate ward erschüttert durch die Berufung Spontini’s, dem gleichfalls eine unumschränkte Herrschaft auf dem Gebiete der Oper eingeräumt worden war. Das vertrug sich nicht; es entbrannte nach und nach ein heftiger administrativer Krieg, den Spontini mit verletzender Hartnäckigkeit führte. Brühl’s Gesundheit wurde in der ewigen Aufregung untergraben, er verfiel im Herbste 1828 in eine tödtliche Krankheit, und der König genehmigte endlich seine schon öfter erbetene Demission. Das Resultat der glanzvoll begonnenen, und darum anfangs so laut gepriesenen Intendanz Brühl’s war ein klägliches. Zwar waren die äußeren Verhältnisse der Künstler gebessert worden, die sociale Stellung des Standes hatte sich gehoben, aber in seiner staatlichen Bedeutung [419] war das Theater nicht anerkannt worden. In glanzvollem Außenwesen leuchtete die Bühne wol, aber der Geist der Kunst war verdrängt und ertödtet worden. Die Lehre, daß nur künstlerische Führer die Schauspielkunst fördern und erhöhen können, eine Lehre, welche doch das Beispiel Schröder’s, Eckhof’s, Iffland’s laut predigte, war überhört worden. Die standesfremden Intendanten leiteten von ihren Bureaux die Kunstthätigkeit, welche nur von ihrem Mittelpunkte, von der Scene aus, zu löblichen Zielen geführt werden kann. Mit dem Intendanzwesen verfiel die Bühne in Systemlosigkeit und Desorganisation, an denen sie noch heute leidend ein kränkelndes Dasein führt. B. fand durch eine Reise nach Süddeutschland und der Schweiz und durch längeren Aufenthalt auf seinem Gute Seifersdorf in Sachsen seine Genesung. 1830 ernannte ihn der König zum General-Intendanten der Berliner Museen.