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ADB:Böhm, Hans

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Artikel „Böhm, Hans“ von August Schäffler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 62–64, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:B%C3%B6hm,_Hans&oldid=- (Version vom 30. November 2024, 21:07 Uhr UTC)
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Böhm: Hans B., „der Pauker von Niklashausen“, „das Pfeiferhännsle“, † 19. Juli 1476. Wann und wo B. geboren, wer dessen Eltern gewesen, wissen wir nicht. In den siebenziger Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts lebte er als Hirte zu Helmstadt (einem Dorfe im nunmehrigen bairischen Kreise Unterfranken), schlug an den Feiertagen in den verschiedenen Herbergen im nahen Taubergrund zu den Tänzen der Gäste die Pauke und sang ihnen lustige Lieder vor. Plötzlich brach er mit seinem bisherigen Leben: Schwärmerei und Hang zum Mysticismus trieben den Jüngling auf eine andere, verderbenbringende [63] Bahn. Am Sonntag Lätare (24. März) 1476 verbrannte er vor der Pfarrkirche zu Niklashausen, einer alten stark besuchten Marienwallfahrt im heutigen Großherzogthum Baden, seine Pauke und ermahnte das dort versammelte Volk im Hinweis auf mehrere ihm angeblich gewordene Erscheinungen der heiligen Jungfrau zur Buße und Besserung. Von da an predigte B. jeden Sonntag und Festtag zu Niklashausen. Sein Ansehen und Anhang wuchsen von Tag zu Tag. Etwas die Menge Packendes und Hinreißendes muß in seinem ganzen Auftreten gelegen haben. Aber keine neuen, schöpferischen Ideen enthielten seine Vorträge: es waren die kaum unterdrückten hussitischen Ziele und Pläne, die schon bei ihrem ersten Auftreten Franken tief genug berührt hatten. Auch nicht aus eigenem Antrieb hat B. dieselben wieder erweckt: er gehorchte nur fremden Einflüsterungen. Der Pfarrer zu Niklashausen stand hinter dem schwärmerischen Jüngling aus Gewinnsucht, ob der reichen Opfer, die er bei den Predigten Böhm’s für seine Wallfahrtskirche zu erwarten hatte; ein fanatischer Bettelmönch – nach anderen Nachrichten ein Begharde – trieb den in religiösen Dingen völlig unwissenden Hirtenjungen zur Opposition gegen die herrschende Kirche, einige mißvergnügte fränkische Edelleute und Vasallen des Hochstifts Würzburg beförderten die social-politische Richtung der Lehren Böhm’s. Der Pauker eiferte gegen die Putzsucht der Welt und zog gegen die Habsucht, Lasterhaftigkeit und den Uebermuth der Geistlichen zu Felde. Vor allem erweckte er aber den Armen und Elenden die freudigsten Hoffnungen. Im Namen Maria’s erklärte er ihnen, daß das Reich Gottes auf Erden bevorstehe, daß es dann keine Obrigkeit und keinen Unterschied der Stände mehr geben, daß Habe und Erwerb, daß Jagd, Viehweide und Fischfang Allen gemeinsam sein, daß alle Arten von Abgaben für immer aufhören würden. Solche Lehren und Verheißungen, und dazu erdichtete Wunder des Paukers zogen alsbald nicht mehr aus Ostfranken allein Alt und Jung, Handwerker mit Weib und Kindern, Knechte und Mägde zu dem Wundermann, sondern in Zügen von vielen Tausenden strömten sie auch aus Baiern, aus dem Elsaß, von den Ufern des Rheins, aus der Wetterau, aus Hessen, aus dem Buchenlande, aus Thüringen, Sachsen und Meißen in dem kleinen Niklashausen zusammen. Ziemlich lange sahen die geistliche und die weltliche Obrigkeit, der Erzbischof von Mainz als Diöcesanherr, der Bischof von Würzburg, dessen Unterthan B. war, der Graf von Wertheim als Territorialherr von Niklashausen, dieser merkwürdigen Völkerwanderung des vierten Standes in den Taubergrund müßig zu. Erst am 13. Juni richtete der Erzbischof Diether von Mainz ein Schreiben an den Würzburger Bischof Rudolf von Scherenberg, in welchem er denselben ersuchte, den verwegenen Prediger und dessen Anhang festzunehmen, sie zur Verantwortung und Strafe zu ziehen und alles Predigen und Messecelebriren auf freiem Felde zu verbieten. Rudolf zögerte und beschränkte sich lange Zeit auf Abmahnungen der Unterthanen, mit Berathungen und Tagfahrten, ohne zu einem Entschlusse gelangen zu können. Erst als der Pauker so kühn war, und am Schlusse seiner Predigt vom Sonntag vor Kiliani (7. Juli) seine männlichen Zuhörer aufforderte, sich am nächsten Samstag als am Margarethenfeste (13. Juli) ohne Weib und Kind, aber bewaffnet in Niklashausen einzufinden, da er ihnen auf Befehl der heil. Jungfrau drei ernste Worte zu sagen habe, wagte der Würzburger Bischof einen entscheidenden Schritt. Er ließ in der Nacht vom 12. Juli auf den 13. Juli den Pauker durch Reisige zu Pferd in Niklashausen heimlich aufheben und ihn auf das Schloß Marienberg bei Würzburg in den Kerker schaffen. Wie ein Wetterschlag aus heiterem Himmel fiel die Nachricht von der Gefangennahme des Propheten unter seine Anhänger, die sich am 13. Juli der Verabredung gemäß zu Niklashausen sammelten. Viele von ihnen wurden völlig eingeschüchtert und kehrten noch am [64] selben Tage in ihre Heimath zurück. Die Muthigeren jedoch, über zwölf tausend Mann stark, erschienen geführt von einigen Vasallen des Würzburger Hochstifts: Contz von Thünfeld, einem von Vestenberg und zweien von Stetten am frühen Morgen des kommenden Tages vor der Feste Marienberg, um B. zu befreien. Unterhandlungen mit den Aufständischen zerschlugen sich, dagegen ein paar wohlgezielte Schüsse und ein Reiterausfall sprengten die fanatisirten Haufen nach allen Richtungen auseinander; einige dreißig Mann lagen todt vor den Wällen; hundert und acht Mann wurden gefangen. Gegen B. leitete der Würzburger Bischof ein sehr summarisches, von vielen scharf getadeltes Verfahren ein: der Spruch lautete auf Feuertod für den Ketzer und Zauberer. Schon am 19. Juli wurde dieses Urtheil auf dem Schottenanger in der Vorstadt zu Würzburg an dem bethörten Hirtenjungen vollzogen. Vor seinen Augen sah er noch zwei seiner Unglücksgefährten aus dem Bauernstande durch das Schwert enden. Ueber die Strafe der Verführer Böhm’s und der eigentlichen Urheber der ganzen Bewegung sind wir nicht sicher unterrichtet. Der Pfarrer von Niklashausen und der Bettelmönch oder der Begharde wurden gefangen; ihr weiteres Schicksal kennen wir nicht. Einer der Edelleute, Contz von Thünfeld, mußte mit schwerem Güterverlust seine Theilnahme büßen. Die übrigen Gefangenen wurden nach beschworener Urfehde alsbald wieder freigelassen. Der Zulauf nach Niklashausen wollte aber mit dem Tod Böhm’s nicht enden. Verbote über Verbote ergingen, Bann und Interdict wurden verhängt, sie halfen nichts. Im J. 1477 wurde die Kirche zu Niklashausen abgebrochen; in die dort aufgehäuften reichen Opfergeschenke an Gold und Silber und anderen Kleinodien theilten sich der Erzbischof von Mainz, der Bischof von Würzburg und Graf Johann von Wertheim. Nun betete das Volk zur Nachtzeit zwischen den Ruinen. Die Richter Böhm’s scheinen die Bedeutung des Vorgangs nicht erkannt zu haben, der doch nur eines der mehreren Anzeichen des sich vorbereitenden allgemeinen Sturmes war.

Dr. A. K. Barack, Hans Böhm und die Wallfahrt nach Niklashausen im J. 1476, ein Vorspiel des großen Bauernkrieges, nach Urkunden und Chroniken bearbeitet, im Archiv des hist. Vereins v. Unterfr. u. Aschaffenb. (1858) Bd. 14, Heft 3, S. 1–108; v. Liliencron, Hist. Volkslieder, II. Nr. 148.