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ADB:Camphausen, Otto von

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Artikel „Camphausen, Otto von“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 428–431, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Camphausen,_Otto_von&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:01 Uhr UTC)
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Camphausen: Otto von C., preußischer Staatsmann, wurde am 21. October 1812 geboren in Hünshoven als jüngster der drei Söhne des Kaufmanns Gerhard Gottfried C. und der Maria Wilhelmine geb. Peuchen. Nach dem Studium der Rechte und der Cameralwissenschaften in Bonn, Heidelberg, München und Berlin wurde er im Herbst 1834 zum Referendar bei der [429] Bezirksregierung in Köln bestellt, 1837–40 war er als Assessor bei der Regierung in Magdeburg thätig, sodann kurze Zeit als Hülfsarbeiter bei der Abtheilung für Etats- und Cassenwesen im Finanzministerium zu Berlin beschäftigt. Im December 1840 war er Assessor bei der Regierung in Koblenz, seit Februar 1842 bei der in Trier, wo 1844 seine Ernennung zum Regierungsrath erfolgte. Hiernach abermals in das Finanzministerium berufen, bearbeitete er die Grundsteuerangelegenheiten. 1845 zum Geh. Finanzrath ernannt, entwarf er das 1847 dem Vereinigten Landtage vorgelegte, hier von seinem Bruder Ludolf warm empfohlene Gesetz wegen Einführung einer Einkommensteuer sammt Denkschrift. In finanziellen Fragen war er ferner thätig als gemäßigt liberaler Abgeordneter sowol der zweiten Kammer von 1849 als auch der von 1850 sowie des Volkshauses des Reichstags zu Erfurt. 1854 erfolgte seine Ernennung zum Präsidenten der Preußischen Seehandlung in Berlin, 1860 wurde er auf Lebenszeit ins Herrenhaus berufen und am 26. October 1869 ward ihm, an Stelle des ausscheidenden v. d. Heydt, das Finanzministerium übertragen. Schon sein erstes Auftreten im Abgeordnetenhause am 29. October erweckte allgemeines Vertrauen. Er hege, sagte er, die Zuversicht, daß das Haus ihm in der Ordnung der Finanzen, unter möglichster Schonung der Steuerkraft des Landes, die Unterstützung nicht versagen werde. Grade dies, Ordnung und Schonung, war es, was man an v. d. Heydt zuletzt vermißt hatte. Dabei fand C. die finanzielle Lage Preußens gar nicht übel. Ein Staat von der Größe Preußens, der nur 424 Millionen Schulden im Budget habe und neben einem Deficit von 5½ Millionen eine Summe von 8½ Millionen zum Zweck der Schuldentilgung aufweise, sei in einer Lage, „um die uns die meisten Staaten Europas beneiden könnten“. Jedoch glaubte er, daß zur Herstellung einer richtigen Finanzpolitik grade mit der Staatsschuldentilgung eine Aenderung vorgenommen und der Finanzminister in den Stand gesetzt werden müsse, in günstigen Jahren größere Tilgungssummen zu verwenden. Am 16. November legte C. seinen Consolidationsplan vor, wonach durch Verwandlung eines Theils der Staatsschuld in eine consolidirte Schuld die übermäßige Tilgung gemindert und die Staatsausgaben um etwa 3½ Millionen erleichtert werden sollten. Bereits im December wurde diese Vorlage von beiden Häusern des Landtags genehmigt. Am 16. November, als es sich im Abgeordnetenhause um die Bewilligung von 60 000 Thalern für die Lehrer-Wittwen- und Waisencasse handelte, trat er für die Würde des Staats ein. Während der Cultusminister v. Mühler für eine solche Ausgabe kein Geld hatte, erklärte C., daß es, wenn das Haus die Ausgabe genehmige, an seinen wärmsten Sympathien für die Sache nicht fehlen werde. Eine ungünstige Lage der Finanzen werde ihn nicht abhalten, vielmehr werde er sich nur von der Erwägung leiten lassen, was die Würde des Staats in solcher Lage erfordere. Am 29. November 1871 legte C. dem Abgeordnetenhause das Gesetz über Aufhebung des preußischen Staatsschatzes vor, er sprach über die Verwendung der dadurch flüssigen Gelder und gab eine Uebersicht über die gesammte Finanzlage, aus welcher hervorging, daß Preußen im Kriegsjahr 1870 einen Ueberschuß von mehr als 6 Mill. Thalern hatte. Seine gleichzeitige Finanzdarstellung ergab, daß für 1872 mehr als 8 Mill. Thaler für Mehrausgaben verfügbar blieben, die größtentheils für Gehaltsaufbesserung, Erhöhung des Fonds für Universitäten und für die Akademie der Künste verwendet werden sollten. Auch nach Camphausen’s Rede vom 22. Oct. erwies sich der Etat für 1872 so günstig, daß der reichliche Ueberschuß größtentheils für Volksschulwesen, Kunstzwecke, Dotirung der Provinzialfonds und Einrichtung der Kreisverwaltung dienen konnte. Mit noch größerer Genugthuung nahm die Volksvertretung [430] das am 20. Februar 1873 von C. vorgelegte, einen Ueberschuß von 20 Mill. aufweisende Budget auf. Von Bedeutung war ferner die Rede, welche er am 6. Mai 1873 im Reichstage über das Reichsmünzgesetz hielt. Als sodann Fürst Bismarck am 9. November 1873, nach dem Ausscheiden des Grafen Roon, aufs neue das Präsidium des Ministeriums übernahm, wurde C. zu dessen Vicepräsidenten ernannt, eine Stellung, vermöge deren er mehrmals in den folgenden Jahren den Landtag zu eröffnen hatte. Am 22. November 1873 beantwortete er im Abgeordnetenhause Windthorst’s Anfrage über die Bedeutung der Wiederschaffung jener Stelle durch beruhigende Erklärungen und trat einem Antrage wegen Aufhebung der Stempelsteuer auf Zeitungen entgegen. Im Reichstage vertheidigte C. am 16. November 1874 mit Eifer den Entwurf des Bankgesetzes. Hinsichtlich des Budgets, das er am 19. Januar 1875 dem Landtage vorlegte, hob er wiederum rühmend hervor, daß wol kein Staat sich ähnlicher finanzieller Verhältnisse zu erfreuen vermöge. Um eine günstige Gestaltung der Reichsfinanzen nicht minder besorgt, machte er am 20. November 1875 bei Berathung der Gesetze über Brau- und Börsensteuer im Reichstage darauf aufmerksam, daß es eine schlechte Finanzpolitik sei, die Vorräthe der früheren Jahre völlig aufzuzehren. Am 26. April 1876 sprach sich C. im Reichstage für das von Bismarck vorgelegte Reichseisenbahngesetz aus, dagegen gerieth er allmählich in einen gewissen Gegensatz zu dem von dem Freihandel sich abwendenden Reichskanzler. In den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses vom 27. October 1877 über den langen Urlaub des Ministers Grafen zu Eulenburg trat C. den Aeußerungen Windthorst’s über die Stellung der Minister als Commis des Fürsten Bismarck entgegen und am 21. November 1877 gab er nähere Auskunft über die Verwendung des sog. Welfenfonds. Bei der Berathung des Reichstags über die Vorlagen wegen Tabaksteuer, Stempelabgaben und Spielkartensteuer am 22. Februar 1878 kam es zum Bruch zwischen C. und dem Reichskanzler, indem dieser die alleinige Verantwortung für jene von C. herrührenden Vorlagen nicht übernehmen zu können erklärte. Als ferner in der Sitzung vom 23. Februar Lasker jeden reformatorischen Gedanken in diesen Vorlagen vermißte, auch dem Reichskanzler vorwarf, Vorlagen, von deren Mißerfolg er vorher überzeugt sein müsse, nicht zurückgehalten zu haben, und zugleich die Schaffung eines selbständigen Reichsministers verlangte, fühlte sich C. tief verletzt. Es war eine peinliche Scene, als er unter Weinen der nationalliberalen Partei vorwarf, ihn von seiner Stelle zu verdrängen, um sie durch einen der ihrigen einnehmen zu lassen. Durch seine fernere Erklärung, daß er dem Plane des Reichskanzlers wegen Einführung des Tabakmonopols im Reiche zwar zuneige, jedoch ein Uebergangsstadium für nöthig halte, erklärte sich Fürst Bismarck zwar befriedigt, auch sprach dieser die Hoffnung aus, daß er C., der schon oft den Wunsch nach Rücktritt geäußert, noch länger zum Collegen haben werde; C. sah sich jedoch durch diese Vorgänge bewogen, am 27. Februar 1878 um Entlassung zu bitten, die ihm am 23. März zu Theil wurde. Als Mitglied des Herrenhauses trat er sodann am 17. December 1879 dem Gesetzentwurf wegen Verstaatlichung einer Reihe von Eisenbahnen und am 16. Februar 1881 der Vorlage über den Steuererlaß entgegen, worauf Fürst Bismarck sich überrascht zeigte, „von einem langjährigen Kampfgenossen eine Störung in seinem Reformwerk zu erfahren“. C. ließ sich hierdurch nicht beirren, sondern übte nun am 17. Februar eine scharfe Kritik an den Etats der letzten Jahre. Entrüstet erwiderte Fürst Bismarck, die ungünstige Finanzlage rühre gerade von Camphausen’s Wirthschaft her, der Jahre lang im Golde gewühlt, aber nicht bedacht habe, daß magere Jahre folgen könnten, dessen Ressort zwar stets in [431] musterhafter Ordnung gewesen sei, der aber ein Finanzsystem für die Zukunft nicht gehabt habe. Daß die Mehrheit des Hauses sich auf die Seite des Fürsten stellte, veranlaßte C., sich vom politischen Leben zurückzuziehen. Er verbrachte den Rest des Lebens in Berlin. Am 18. Januar 1896 wurde ihm der Schwarze Adlerorden und damit der Adel verliehen, den er jedoch, da er unvermählt geblieben, nicht vererben konnte. Sein Tod erfolgte in Berlin am 18. Mai 1896. Im Auftrage des Kaisers legte der Minister Graf B. zu Eulenburg einen Kranz auf den Sarg. Die Nekrologe in der Presse kamen darauf hinaus, daß C. zwar kein schöpferischer Staatsmann ersten Ranges gewesen sei, wol aber ein politisch und wirthschaftlich freigesinnter, hochbegabter Mann aus der Beamtenschule, die nach den Freiheitskriegen den preußischen Staat reorganisirt und sodann den Uebergang in die constitutionellen Formen verständnißvoll geleitet hat.

Vgl. auch Nat.-Ztg. v. 18. u. Berl. Tagebl. v. 19. Mai 1896, A. Bettelheim, Biogr. Jahrb. Bd. 2, Berl. 1898, S. 435.