ADB:Coen, Johann Peterssohn

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Artikel „Coen, Johann Peterssohn“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 391–393, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Coen,_Johann_Peterssohn&oldid=- (Version vom 29. März 2024, 02:11 Uhr UTC)
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Coen: Johann Peterssohn C., der Gründer des niederländischen Colonialreichs, geb. 8. Jan. 1587 zu Hoorn in Nordholland, † 1629, brachte seine Jugend großentheils auf Reisen und in Handelshäusern des Auslandes zu und trat 1607 in den Dienst der ostindischen Compagnie. Er zeichnete sich in Indien als Unter- oder Oberkaufmann (so waren die Beamten der Compagnie benannt, die bald als Handelsagenten, bald als militärische und bürgerliche Beamte, ja als Flottencommandeure auftraten) so sehr aus, daß er schon 1613 zum Mitglied des Raths von Indien, des Collegiums, welches dem General-Gouverneur zur Seite stand, befördert wurde. Bald darauf ward er zum General-Director des Handels ernannt, der zweiten Stelle in der Regierung. Speciell war ihm die Führung der Geschäfte auf Java aufgetragen, als Präsident der Factoreien Bantam und Jacatra, wo eben die Feindseligkeit der Bantamer Regierung und noch mehr die Concurrenz der Engländer den niederländischen Handel mit Vernichtung bedrohten. C. war der rechte Mann auf dieser [392] Stelle, denn er vereinigte die Gewandtheit des Kaufmanns mit der des Diplomaten und mit einer Energie, wie sie nicht oft von seinen Landsleuten übertroffen ward. Schonungslos deckte er der Regierung im Mutterlande, den sogenannten Herren Siebzehn, Delegirten der verschiedenen Kammern, die Fehler ihres rein kaufmännischen Regiments auf und sagte ihnen derbe Wahrheiten. Namentlich rügte er die kleinliche Gewinnsucht der Directoren, die nur hohe Dividenden zu erzielen suchten und darum die Colonialregierung ohne Geld, ohne Waffen und Munition und namentlich ohne Soldaten und Kriegsschiffe ließen. Der sonst einem Vorgesetzten gegenüber sehr ungewöhnliche Ton seiner Briefe, die Bestimmtheit seines Auftretens im Rath, wo der wenig energische General-Gouverneur Reael ihm öfters zu weichen genöthigt war, machten überall Eindruck. Es waren schwere Zeiten für die Compagnie. Die Zwistigkeiten mit England, mit dem die Staaten um keinen Preis in Krieg gerathen mochten, mehrten sich. C. brauchte in Bantam seine ganze Fähigkeit, ihnen und dem die Niederländer gründlich hassenden Pangeran (Großvezier) von Bantam Stand zu halten. Er sah die Nothwendigkeit ein, den Hauptsitz des Handels und zugleich den Hauptwaffenplatz und Regierungssitz irgendwo auf Java, aber nicht im mächtigen Bantam aufzustellen. Er kaufte dazu vom Regenten von Jacatra, einem Vasallenfürsten von Bantam, ein Grundstück zur Erbauung eines Forts bei der Factorei daselbst und brachte daselbst seine Hauptmacht unter, während die Angriffe der Engländer und Javanesen sich fortwährend mehrten. Indessen ward C. October 1617 von den Directoren zum General-Gouverneur erwählt, ungefähr in denselben Tagen, als er ihnen in einem ausführlichen Briefe über den gefährlichen Zustand schrieb: „Desesperirt nicht, es kann in Indien was Großes gethan werden.“ Bald nachdem er seine neue Würde angetreten, fingen die Engländer Feindseligkeiten an und versperrten die Sundastraße, den Eingang der indischen Meere, den holländischen Schiffen, December 1618. Bald hernach sah er die noch nicht vollendeten Befestigungen der Factorei in Jacatra von den Jacatranen und Engländern mit Batterien und sonstigen Angriffswerken bedroht. Bis jetzt stand die Hauptmacht der Niederländer meistens noch in den Molukken, während auf Java nur wenige Schiffe und Truppen anwesend waren, nicht genügend, den verbündeten Engländern und Javanesen zu widerstehen. Ein Ausfall brachte kein Resultat und ein Angriff auf die überlegene englische Flotte ebensowenig. In dieser schwierigen Stellung wußte C. einen Entschluß zu fassen. Er ließ die Festung unter einem, wie er meinte, zuverlässigen Befehlshaber, v. d. Broecke (s. d.) und wandte sich 31. Decbr. 1618 mit der Flotte nach den Molukken, um von dort seine Hauptmacht zum Entsatz herbeizuführen, obgleich inzwischen die Festung der äußersten Gefahr bloßstand. Es gelang ihm, in den Molukken eine kräftige Flotte zu organisiren und damit im Mai 1619 nicht allein die durch die Zwistigkeiten der Bantamer und Engländer und nicht durch die eigene kräftige Vertheidigung erhaltene Festung zu entsetzen, sondern auch die Stadt Jacatra mit Sturm zu erobern, und so den Boden für die neue Hauptstadt von Indien, Batavia, zu gewinnen. „Seht doch, was eine gute Courage thut,“ schrieb C. den geängsteten Directoren im Mutterlande. Indessen hatten die Regierungen einen Tractat zwischen den englischen und niederländischen Compagnien zu Stande gebracht, der nicht allein den von C. mit Energie fortgesetzten Feindseligkeiten ein Ende machte, sondern auch ein Zusammenwirken herbeiführte. Jetzt erhielt C. die Zeit, den Handel und die inneren Angelegenheiten der Compagnie in Indien zu organisiren. 1620–21 baute er an die Stelle des zerstörten Jacatra ganz nach dem Muster einer holländischen Stadt Batavia, wo er eine blühende europäische Colonie zu gründen hoffte. Ueberhaupt beabsichtigte C. nicht, wie die Compagnie damals, nur Handelsgewinn, [393] sondern dauernde Colonisation und Erwerbung von Länderbesitz. Unter seiner kräftigen Leitung wurde die Macht der Compagnie in dem ganzen Archipel, namentlich aber in Java ausgebreitet und die der Engländer mehr und mehr zurückgedrängt. Als er 1623, vier Jahre, nachdem er Jacatra erobert, seine Stelle niederlegte, war sie befestigt, und konnte er seinem Nachfolger eine ganz andere übergeben, als er 1618 vorgefunden hatte. Nach Holland zurückgekehrt, suchte C. seinen Colonisationsentwürfen und sonstigen Plänen bei den Directoren, den Herren Siebzehn, Eingang zu verschaffen. Seine Wiederernennung, die ihm gleich angeboten wurde, haben die Engländer, welche ihn fürchteten und haßten, in soferne verhindert, als seine Abreise bis 1627 aufgeschoben wurde, in welchem Jahre der Tractat der beiden Compagnien, namentlich durch die Vorgänge in Amboina, wo die Niederländer einige Engländer des Verrathes angeklagt und nach kurzem Proceß hingerichtet hatten – was englischerseits als ein Justizmord und Bruch des Tractats angesehen ward – aufgelöst und der englische Handel in Indien so ziemlich ruinirt wurde; zugleich war ein Krieg mit Bantam und mit dem weit mächtigeren Beherrscher Ost-Java’s, des Susuhunans von Mataram, ausgebrochen, welcher der neuen Colonie Verderben drohte. Wiederum belebte das kräftige Auftreten Coen’s, obgleich sein Stellvertreter Carpentier ein sehr tüchtiger Gouverneur gewesen war, den Muth der Niederländer, und sowol die Bantamer, wie die Ost-Javanesen wurden kräftig zurückgeschlagen. Große Schwierigkeiten erwuchsen C. aus inneren Zwistigkeiten. Mit der äußersten Anstrengung suchte er innere Disciplin und gute Sitten aufrechtzuhalten, was bei den Dienern der Compagnie, öfters unbändigen Gesellen, verlorenen Söhnen ihres Vaterlandes, sehr schwierig war und wodurch er sich in seiner Strenge dann und wann zur Härte, ja zu Thaten despotischer Willkür, wie sie nur ein asiatischer Fürst üben kann, fortreißen ließ. Hatte er sich schon in seiner ersten Regierungsperiode viele Feinde erworben, so häuften sich jetzt die Klagen über ihn und nicht immer mit Unrecht. Unterdessen hatte der Susuhunan mit einer gewaltigen Armee von über 100000 Mann Batavia belagert, während aber C. die Maßregeln zur Vertheidigung traf, ward er von Dysenterie oder wahrscheinlich von der Cholera ergriffen und verschied nach kurzem Leiden den 21. Sept. 1629, kurz bevor die javanesische Armee, mehr vom Hunger, Elend und Krankheit, als vom Schwerte der Niederländer aufgerieben, in voller Auflösung abzog. C. ist einer der interessantesten Charaktere der niederländischen Geschichte, eine mächtige Persönlichkeit, die unter unendlich schwierigen Verhältnissen, mit inneren und äußeren Feinden und namentlich mit dem Unverstand der Regierung im Mutterland und dem Mangel an Disciplin der Beamten in den Colonien im fortwährenden Kampf, die Macht der Niederländer im indischen Archipel auf unzerstörbaren Grundlagen aufbaute. Es gibt in der Colonialgeschichte nur Wenige, die sich ihm vergleichen lassen; Hastings vielleicht am meisten, den er jedoch durch Ehrlichkeit weit überragt. Die beste Quelle über ihn ist De Jonge, De Opkomst van het Nederlandsch gezag in Oost-Indien, Thl. IV und V, eine vollkommen actenmäßige Darstellung.