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ADB:Devrient, Eduard

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Artikel „Devrient, Eduard“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 47 (1903), S. 669–670, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Devrient,_Eduard&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 09:45 Uhr UTC)
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Deurient: Philipp Eduard D., geboren zu Berlin am 11. August 1801, war der dritte Sohn des Berliner Kaufmanns Philipp D. und wurde, wie seine beiden Brüder Karl und Emil, im Geschäfte seines Vaters für den kaufmännischen Beruf vorgebildet. Aber die durch den Ruhm seines Onkels Ludwig D. genährte Begeisterung für den Schauspielerberuf trieb ihn ebenso wie seine beiden Brüder trotz des heftigen Widerstandes seiner Eltern zum Theater. Kaum 18 Jahre alt, trat er im J. 1819 als Baritonist in den Verband der kgl. Oper in Berlin ein. Im J. 1834 ging er ganz zum Schauspiel über, und im J. 1844 wurde er als Regisseur an das Dresdner Hoftheater berufen. Seine Dresdner Anfänge übertrafen seine Erwartungen. Er wurde der Führer und Berather der jüngeren Schauspieler und fand mit seinen auf die Herstellung eines geregelten Ensemblespiels gerichteten Bestrebungen bei dem Damenpersonal, namentlich bei Marie Bayer und Franziska Berg, Beifall und Unterstützung. Nur die Matadore der Dresdener Bühne wollten von seinem Einfluß nichts wissen. Den größten Widerstand leistete sein Bruder Emil, der das Sonderinteresse des modernen Virtuosen vertrat, während Eduard verpflichtet war, das Gesammtinteresse zu wahren. So kam es zum Kampf zwischen den beiden Brüdern, der damit endete, daß Eduard im Februar 1846 den Regisseurposten aufgab und sich auf seine Schauspielerthätigkeit und das ihm aufgedrungene nominelle Amt eines dramaturgischen Beirathes des Theaters zurückzog. Er spielte Charakterrollen wie den Nathan, Menenius, Erbförster, Vetter, Riccaut u. a. m. Im J. 1852 ernannte ihn der Regent Friedrich von Baden zum Leiter des Karlsruher Hoftheaters, dem er volle 18 Jahre lang mit großer Treue und unter dem nie fehlenden Schutze des Großherzogs vorstand. Es gelang ihm, die arg verwahrloste Karlsruher Bühne zu reorganisiren und in kurzer Zeit eine Einheitlichkeit des Geistes in die Vorstellungen zu bringen, die nur durch sein Geschick und durch seine alle Virtuosengelüste ausschließenden Grundsätze möglich war. Nachdem er im J. 1869 das 50jährige Jubiläum seines künstlerischen Wirkens begangen hatte, trat er 1870 in den Ruhestand. Er starb in Karlsruhe am 4. October 1877. – Als darstellender Künstler lange nicht so genial wie seine beiden Brüder und auch von zahlreichen anderen Genossen übertroffen, hat er sich vorzüglich durch seine dramaturgischen Schriften einen Namen gemacht, dessen guter Klang ihn überlebt hat und noch lange überleben wird. Seine „Geschichte der deutschen Schauspielkunst“, die in den Jahren 1848–74 in fünf Bänden erschien, ist ein heute noch unübertroffenes, durch vornehme Gesinnung, seltene Fachkenntnisse und umsichtige Forschung ausgezeichnetes Werk, das freilich heute dringend einer Revision bedarf, obwohl es erstaunlich ist, was D. bei dem damaligen Stand des theatergeschichtlichen Wissens geleistet hat. Weniger bedeutend erscheinen seine eigenen poetischen Versuche. Seine Stellung bei der Oper veranlaßte ihn zunächst, sich als Operndichter zu bethätigen. Er schrieb den durch Marschner’s Musik berühmt gewordenen Text zu „Hans Heiling“ auf Grund deutsch-böhmischer Volkssagen (1827) und die zwei völlig in Vergessenheit gerathenen Opern: „Die Kirmeß“ (1831) und „Der Zigeuner“ (1832). Später ging er zum Drama über. Schon im J. 1833 erschien „Das graue Männlein. Schauspiel in 5 Acten“ und im J. 1835 folgte das Lustspiel: „Die Gunst des Augenblicks“, 1837 „Die Verirrungen. Ein bürgerliches Schauspiel“, 1839 „Der Fabrikant. Schauspiel in 3 Acten“ und 1841 „Treue Liebe. Schauspiel in 5 Acten“. Sein dramatisches Talent erhebt sich in diesem letzten Stück zu poetischer Höhe, doch haben alle seine Dichtungen nicht innere Kraft genug besessen, um nicht der Vergessenheit anheimzufallen. Unter seinen übrigen Schriften sind noch zu erwähnen die programmatischen Beiträge „über Theaterschule“ (Berlin 1840) [670] und „Das Nationaltheater des neuen Deutschland“ (Leipzig 1849). Der Besuch des Passionsspieles in Oberammergau regte ihn zu einer Würdigung des Unternehmens an (Leipzig 1851). Schließlich sind noch zu erwähnen: „Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn-Bartholdy“ Leipzig 1869), mit dem er namentlich in seiner Jugend viel verkehrt und Jahre lang in Briefwechsel gestanden hatte. In den letzten Jahren seines Lebens vereinigte er sich mit seinem Sohne Otto zur Bearbeitung und Herausgabe eines „Deutschen Bühnen und Familien-Shakespeare“, von welchem sechs Bände erschienen sind.

Heinrich Kurz, Geschichte der deutschen Litteratur. Leipzig 1872. 4. Bd., S. 542–545. – Ed. Devrient, Geschichte der deutschen Schauspielkunst. Leipzig 1874. 5. Bd. (Register). – Illustrirte Zeitung. Leipzig 1853. Bd. LXIX S. 323–324. 1869 Bd. IV., S. 25/6. 1887 Bd. LXIX S. 343–346. Die Neue Welt. Leipzig 1879. Bd. IV. S. 581. 588. 600. 601. – Deutscher Bühnen-Almanach. 42. Jahrg. Herausg. von A. Entsch. Berlin 1878,. S. 122–125. – Almanach der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. Herausg. von E. Gettke. 7. Jahrg. 1879. Berlin o. J. S. 128/9. – Friedrich Haase, Was ich erlebte. 1846–96. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o. J. S. 47. Eugen Kilian, Beiträge zur Geschichte des Karlsruher Hoftheaters, Karlsruhe 1893.