ADB:Diesbach, von
Niklaus v. D. († im Juli 1475), so gehoben, daß sie fortan stets zu den vornehmsten Geschlechtern beider genannten Freistaaten zählte.
Diesbach: von D. Die angesehene schweizerische Familie dieses Namens, in Bern und seit der Reformation auch in Freiburg in einem katholisch gebliebenen Zweige angesessen, tritt geschichtlich zuerst im 14. Jahrhundert im Rathe zu Bern auf. Höchst wahrscheinlich von Diesbach bei Thun als dem Orte ihres Ursprunges benannt, erwarb sie im Anfange des 15. Jahrhunderts durch Handelsgeschäfte Reichthum, Ansehen und Grundherrschaften, u. a. auch einen Theil der Herrschaft Diesbach mit deren Wappen, und wurde dann durch den ersten der vielen ausgezeichneten Männer, welche ihren beiden Zweigen bis auf unsere Tage entsprossen, durchNiklaus v. D. war geboren um 1430, als einziger Sohn des Lucius (Loys) v. D., Herren zu Signau, bildete sich auf Reisen, unter anderm durch einen Aufenthalt in Barcelona, und trat nach seiner Heimkehr seit 1451 in öffentliche Aemter, in welchen er 1465 zur obersten oder Schultheißen-Würde stieg. Als gewandter Geschäft- und tüchtiger Kriegsmann zeichnete er sich unter Berns Häuptern überall aus. Ganz besonders fand er in den Beziehungen Berns und den Eidgenossen zu König Ludwig XI. von Frankreich die Gelegenheit, seine Gaben zu entfalten, für sich und seine Verwandten Einfluß, Ehren und Reichthümer in ungewöhnlichem Maße, aber auch Vergrößerung für Bern gegenüber dem benachbarten Savoyen zu erringen. Schon 1463 bei Verhandlungen mit Frankreich thätig, wurde er im Frühjahr 1466 zum Abgeordneten dorthin bezeichnet, als Graf Philipp von Savoyen in Bern mit der Bitte erschien, ihm zu einer beabsichtigten Reise an König Ludwigs Hof bernische Gesandte als Fürsprecher mitzugeben. D., dazu beauftragt, nahm zwei jüngere Verwandte, Wilhelm und Ludwig v. D., die mit seinen eigenen Kindern in seinem Hause lebten, zur Reise mit und fand beim Könige, den sie in Montargis in Gattinois trafen und der ihn bereits kannte, besonders günstige Aufnahme. Ludwig XI. gewann ihn ganz für seine Politik. Diese erste Gesandtschaftsreise Diesbach’s nach Frankreich wurde – wie die Selbstbiographie seines Vetters Ludwig v. D. berichtet – der „Anfang des Glückes und Heiles Derer v. D.“. Binnen wenig Jahren folgte ihr viermalige Wiederholung. Denn D. – mittlerweile in Berns Beziehungen zu Savoyen thätig (Bundeserneuerung Bern-Savoyen in Pignerol, 15. April 1467), dann Pilger nach Jerusalem und Ritter des heil. Grabes, mit seinem Vetter Wilhelm, 1468 aber einer der Führer Berns im Mühlhauser- und Waldshuterkriege der Eidgenossen gegen Oesterreich, wo er beim Friedensschlusse vergeblich die Erwerbung von Waldshut anstrebte, – wurde König Ludwigs XI. rechte Hand in der Eidgenossenschaft, als dieser alles daran setzte, dieselbe mit seinem Gegner Karl dem Kühnen von Burgund in Feindschaft zu [143] bringen. Als die Eidgenossen im Frühjahr 1469 – nicht ohne des Königs und Diesbach’s Einwirkung – den Beschluß faßten, dem ersteren sein neutrales Verhalten während des Waldshuterkrieges durch eine Botschaft zu verdanken, bot sich D. mit seinem Vetter Wilhelm zur Uebernahme dieser Mission an. Mit einem eidgenössischen Creditive versehen, erschienen sie bei Ludwig XI., an dessen Hofe Ludwig v. D. als Page stand, und kamen mit Eröffnungen und Versprechen des Königs heim, mittelst deren D. die Tagsatzung zu einer Haltung brachte, welche bereits die bisher freundschaftlichen Beziehungen zu Burgund erkältete und sich Frankreich näherte. 1470 ritt Wilhelm v. D. zum Könige, und seiner Rückkehr in Begleit einer königlichen Gesandtschaft folgte der Abschluß eines Neutralitätstractates zwischen Ludwig XI. und der Eidgenossenschaft für den Fall eines Krieges des einen oder anderen Theils gegen Burgund; im Herbst 1471 gemeinsame Vermittlung von Ludwig XI., von Bern und Freiburg zwischen den streitenden Gliedern des savoyischen Fürstenhauses, wobei wieder Niklaus v. D. thätig war; 1472 eine dritte Gesandtschaftsreise des letztern zum Könige, welche die Verbindung Ludwigs XI. mit den Eidgenossen befestigte. Immer bedeutender wurde nun Diesbach’s Rolle, der mittlerweile auch an einer großen inneren Bewegung Berns, dem sogenannten Zwingherrenstreite (1470), hervorragenden Antheil genommen hatte. Die sich schürzenden Verwicklungen der sie umgebenden Mächte mußten die Blicke der Eidgenossen mehr und mehr nach außen richten; D. nahm in diesen Angelegenheiten den ersten Platz unter ihren Häuptern ein. Im Frühjahr 1473 Gesandter nach Mailand zur Vermittlung zwischen Mailand und Savoyen, dann einflußreicher Berather der Tagsatzung bei den ersten Anknüpfungen der oberrheinischen Bischöfe und Städte mit ihr, stand D. an der Spitze der Eidgenossen auch in dem wichtigen Augenblicke, als Kaiser Friedrich, eben im Begriff eine enge Verbindung Oesterreichs mit Karl von Burgund herbeizuführen, in Basel erschien und von der dadurch bedrohten Eidgenossenschaft die Rückgabe ihrer ehemals österreichischen Landschaften, freilich vergeblich forderte. Als des Kaisers Bruch mit Herzog Karl in Trier im Nov. 1473 plötzlich alle Stellungen änderte und nun Ludwig XI. sich mit Nachdruck bemühte, eine Verbindung Herzog Sigmunds von Oesterreich mit den Eidgenossen gegen Burgund zu bewirken, ward D. der eifrigste Beförderer dieses allen bisherigen Traditionen eidgenössischer Politik widersprechenden Vereinigungswerkes, der sogenannten „Ewigen Richtung mit Oesterreich“ (Senlis 11. Juni 1474), sowie der nachfolgenden Tractate: des Bundes der Eidgenossen mit der „Niederen Vereinigung“ am Rheine und in Lothringen (31. März 1474) und des Bundes mit Frankreich (Oct. 1474). In den diese Verträge auf bezüglichen Verhandlungen zu Constanz (März 1474) und zu Feldkirch (October 1474) und in zweimaliger Reise als eidgenössischer Bevollmächtigter nach Paris (April und November 1474) übte D. den wichtigsten Einfluß auf das Gelingen dieser Verbindungen mit Oesterreich und mit Frankreich, aus denen, wie vorausgesehen, Krieg zwischen den Eidgenossen und Burgund mit Nothwendigkeit hervorging.
Damit war König Ludwigs Ziel, aber auch Diesbach’s erreicht, der von dem Anschlusse an Frankreich reichen Gewinn für sich selbst, vom Kriege aber Gelegenheit zur Bereicherung und Vergrößerung für Bern auf Kosten Burgunds und insbesondere Savoyens hoffte, dessen Regentin, Herzogin Jolantha, nur die Wahl zwischen Hingabe an Berns Einfluß und Forderungen, oder Anschluß an Burgund und Krieg mit Bern, offen blieb.
Am zweiten Weihnachtstage 1474 traf D. aus Frankreich wieder in Bern ein. Von König Ludwig XI. diesmal ganz besonders geehrt, kam er mit dem Titel eines königlichen Kammerherrn, mit Versprechen von Pensionen für alle [144] Freunde Frankreichs in Berns Räthen, mit der Bundeszusage des Königs (die Urkunde, Paris 2. Jan. 1475, folgte nach) und Ludwigs XI. letztem Entscheide betreffend die „Ewige Richtung“ zurück. Nicht ohne Gefahr war seine Rückreise gewesen. Kurz vor Diesbach’s Abreise nach Paris nämlich war die Absage der Eidgenossen als Helfer Oesterreichs an Karl von Burgund (11. Oct. 1474) ergangen, während seines Aufenthaltes in Paris war ihre erste siegreiche Waffenthat gegen Burgund, die Einnahme von Ericourt (13. Nov. 1474), erfolgt. Alle Gemüther von der Aare bis zum Leman regte der Kampf der Deutschen und Welschen heftig auf. D., über Lyon und Genf nach Hause kehrend, wurde in letzter Stadt, wo Johann Ludwig von Savoyen als Bischof gebot, trotz aller Vorsicht erkannt, von der Bevölkerung als ein Gegner Savoyens beschimpft und verfolgt und entging nur mit genauer Noth ernster Mißhandlung. Jetzt säumte er seinerseits nicht, alles eifrigst zu betreiben, was die Herzogin Jolantha zur Entscheidung drängen konnte, was zur nachdrücklichsten Führung des Krieges gegen Burgund und, eintretenden Falls, gegen Savoyen erforderlich war. Bern und Freiburg bemächtigten sich der savoyischen Herrschaft Illens, deren Besitzer, ein burgundischer Edelmann, in Herzog Karls Diensten stand, und an die Herzogin Jolantha erging ein Ultimatum, dem sie vergeblich durch Vorstellungen eigener Gesandter und Mailands Fürsprache zu entgehen suchte. D. kam ihr durch die That zuvor. Nachdem er in Bern, wo er durch seine Partei den Rath völlig beherrschte, in Verbindung mit den französischen Gesandten die Vertheilung der königlichen Pensionen auf die Mitglieder festgestellt hatte – sich selbst und Wilhelm v. D. dabei in erster Linie bedenkend – setzte er sich an die Spitze einer Kriegsschaar, die einer früher gegen Burgund ausgezogenen Streifpartie von 1300 Bernern und Eidgenossen zu Hülfe kommen und sie nach dem von ihr eroberten, dann aber wegen feindlicher Uebermacht wieder verlassenen Städtchen Pontarlier zurückführen sollte. Nach Vereinigung mit ihr nahm D. wirklich diesen Platz wieder ein, führte dann aber sein ganzes Heer am 25. April 1475 mit plötzlicher Wendung ohne weiteres in die Waadt, Savoyens Besitz. Granson, Montagny, Champvent, Orbe, Jougne wurden theils mit Sturm genommen, theils zur Uebergabe gezwungen, und der Herzogin Jolantha blieb keine Wahl mehr. Sie mußte sich an Herzog Karl anschließen, der eben jetzt sein Lager vor Neuß aufhob, um sich Lothringens zu bemächtigen und an den Eidgenossen für die erlittenen Angriffe Rache zu nehmen. In Bern, wo man mit Ungeduld auf Nachricht von Diesbach’s Zuge gewartet, in Freiburg, Solothurn, Basel und Luzern, die Mannschaften bei seinem Heere zählten, fand sein Verfahren Beifall; nicht so bei den übrigen Eidgenossen, die im Augenblicke des erhobenen Krieges gegen Burgund einen zweiten gegen Savoyen mit Mißbelieben sahen und an Eroberung der Waadt kein Interesse hatten. Als Bern zu einem neuen Zuge gegen Burgund rüstete, wollten sie an demselben keinen Theil nehmen. D. aber führte am 10. Juli 1475 1500 Mann aus Bern, Freiburg, Solothurn und Luzern dem Heere der Niedern Vereinigung unter Graf Oswald von Thierstein im Sundgau zu. Gemeinsam nahm man Ile am Doubs und andere nahegelegene Plätze ein, und als Thierstein sich nach Lothringen wandte, um dort gegen Herzog Karl zu kämpfen, legte sich D. an der Spitze seiner Leute und der Mannschaften und des Geschützes von Straßburg und von Basel belagernd vor die Feste Blamont. Hier erreichte ihn sein Schicksal. Schon vor Ile vom Hufschlag eines Pferdes schwer getroffen, von seinem Zelte aus das Heer befehligend, ward er von einer im Lager herrschenden Seuche befallen, mußte sich zu besserer Pflege nach Pruntrut bringen lassen und starb daselbst nach wenigen Tagen, als eben Berns Banner unter Scharnachthal zur Verstärkung des Belagerungsheeres im Anmarsch war. Ob D. noch die Nachricht von der Einnahme von Blamont (Juli 1475) [145] erfuhr, die Scharnachthal bei seiner Ankunft im Lager eben erfolgt fand, ist nicht bekannt; wol aber daß das ganze Heer den Verlust des Führers von seltener Einsicht und Energie tief beklagte. In Bern, in der Familiengruft im Münster, fand D. seine Ruhestätte. Den Ausgang des schweren Krieges den er über sein Vaterland gebracht, die Siege der Eidgenossen über Burgund, die Verwirklichung seiner Pläne für Bern, aber auch das ganze Verderben, das sein Beispiel der Käuflichkeit für Frankreichs Interessen über die Eidgenossenschaft allmählich brachte, sah D. nicht mehr.
Wilhelm v. D., † Ende 1517. Der im Vorhergehenden schon öfter genannte Vaterbruderssohn von Niklaus v. D. Geb. 1442, nach dem Tode seines Vaters Ludwig im Hause von Niklaus erzogen und von 1466 an oft dessen Begleiter, 1467 mit demselben in Jerusalem und Ritter des heil. Grabes, trat er 1475 an dessen Stelle in den Rath zu Bern, focht 1476 bei Murten, ward 1481 Schultheiß, 1495 bernischer Abgeordneter am Reichstage von Worms und starb „bei 80 Jahren alt“ gegen Ende des Jahres 1517. Wie sein Vetter gänzlich französisch gesinnt und von Frankreich pensionirt, galt der Schultheiß Wilhelm v. D. – gleich seinem Vater – für den reichsten Berner seiner Zeit, obwol er einen bedeutenden Theil seines Vermögens durch Goldmacherei verlor. Einen um 4500 Kronen erkauften Diamanten aus der Beute von Murten soll er um 7000 Kronen wieder verkauft haben. Durch großartige Wohlthätigkeit und Unterstützung der Kunst machte er sich verdient.
Ludwig v. D., Bruder Wilhelms, geb. 1452, † 1. Febr. 1527, oben erwähnt. Ist durch eine bemerkenswerthe Selbstbiographie (gedruckt im Schweizerischen Geschichtforscher 1830. Theil VIII.) und als Stammvater aller jetzt lebenden Diesbach bekannt.
Sebastian v. D., zweiter Sohn Ludwigs, geboren um 1480, Führer der Berner in Feldzügen in der Lombardei, unter anderm bei Novara 1513; später Schultheiß. Als solcher ward D. dem bernischen Heere vorgesetzt, das 1531 im sogenannten Capellerkriege in Verbindung mit den Truppen Zürichs gegen die katholischen Orte der Eidgenossenschaft kämpfen sollte. Allein Diesbach’s Abneigung gegen die Glaubensänderung und seine daher rührende laue und schwankende Haltung ließ es zu keinem rechten Einverständnisse zwischen Zürich und Bern kommen, ihn rechtzeitige Unterstützung der Züricher gänzlich versäumen und wurde zur Hauptursache des unglücklichen Ausganges des Krieges für die beiden reformirten Stände. Theils dadurch, theils durch Annahme eines Geschenkes von Savoyen verlor D. das Zutrauen seiner Mitbürger, gab sein Bürgerrecht in Bern auf, zog nach Freiburg, wo bereits seit 1528 sein Stiefbruder, Rochus v. D. (Stammvater des freiburgischen Zweiges der Familie), sich niedergelassen hatte und trat zum katholischen Bekenntnisse zurück. Er starb in Freiburg um 1540.
Bernhard v. D., † 1807 zu Engersfeld bei Wien. Bernhard Gottlieb Isaak v. D., geb. 24. Juli 1750 zu Bern als Sohn des nachmaligen Welschseckelmeisters Bernhard v. D., trat 1785 in den Großen Rath zu Bern, war Landvogt zu Frienisberg 1795–1798 und wurde 1798 als ein eifriger Anhänger der gestürzten Ordnung der Dinge von den Franzosen nach Straßburg deportirt. 1801 Deputirter an der helvetischen Tagsatzung gehörte er zu den entschiedensten Repräsentanten der föderalistischen Partei, gewann Ansehen und großen Einfluß bei dem Landammann Aloys Reding, den er 1802 bei dessen Gesandtschaftsreise nach Paris begleitete und ging hierauf als helvetischer Gesandter nach Wien. Nach dem Sturze der föderalistischen Partei in den helvetischen Räthen blieb er als Privatmann in Wien bis zu seinem im Jahre 1807 erfolgten Tode. Durch [146] seine Frau einst Grundherr zu Carouge bei Moudon und zu Mézières hieß er in Bern und in der Schweiz gewöhnlich (zum Unterschiede von Verwandten): „Diesbach von Carouge“. Sein Einfluß auf Reding war für dessen Stellung gegenüber Frankreich (Bonaparte) und den Gegnern im Inlande mehr nachtheilig als fördernd.
- Amtliche Sammlung d. ä. eidgenösischen Abschiede. 2. Bd. Luzern 1863. – Valerius Anshelm’s Bernerchronik. 1. Bd. Bern 1825. – Ludwigs v. Diesbach Chronik und Selbstbiogr. im Schweiz. Geschichtsforscher. 8. Bd. Bern 1831. – Lutz, Nekrolog denkw. Schweizer. Aarau 1812. – Zellweger, Geschichte der diplomatischen Verhältnisse der Schweiz mit Frankreich. 1. Bd. St. Gallen und Bern 1848. – Ochsenbein, Die Säcularfeier der Burgunderkriege, im Sonntagsblatt des „Bund“. Jahrg. 1875. Nr. 46 u. ff. Bern. – Handschriftliche Collectaneen in der von Mülinen’schen Bibliothek in Bern.