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ADB:Dolder, Johann Rudolf

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Artikel „Dolder, Johann Rudolf“ von Wilhelm Gisi in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 310–312, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dolder,_Johann_Rudolf&oldid=- (Version vom 25. Dezember 2024, 17:34 Uhr UTC)
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Dolder: Johann Rudolf D., schweizerischer Staatsmann. Geboren 1753 in Meilen, Cantons Zürich, † 1807, widmete er sich anfangs mit wechselndem Erfolg, zuletzt in Wildegg, damaligen Cantons Bern, dem Handel und der Industrie, warf sich aber beim Einmarsch der Franzosen zu Anfang des Jahres 1798 ganz in den Strudel der politischen Bewegung, in welcher er bald einer der einflußreichsten Führer wurde. Im März jenes Jahres von dem durch die helvetische Revolution neu geschaffenen Canton Aargau als erstes dortiges Mitglied in den helvetischen Senat gewählt, empfahl er sich bald durch seine Gefügigkeit gegen die französischen Machthaber, deren Motiv von der öffentlichen [311] Meinung vielfach auf seine zerrütteten Vermögensverhältnisse zurückgeführt wurde, jenen so sehr, daß der Commissär Rapinat, nachdem er die Entlassung der beiden Directoren Bay (s. d.) und Pfyffer (s. d.) erzwungen hatte, an deren Stelle neben Ochs (s. d.) auch D. setzte. Aber Rapinat wurde von seiner Oberbehörde desavouirt und D. gelangte erst am 9. Mai 1799 infolge des Austritts Glayre’s ins Directorium. Hier spielte er anfangs eine untergeordnete Rolle und gewann erst dann Bedeutung, als jene Behörde unter dem prädomirenden Einflusse Fr. C. Laharpe’s (s. d.) infolge ihrer Theilnahme an den französischen Kriegsoperationen zu einem förmlichen Schreckensregiment wurde, indem er jetzt mit Savary eine gemäßigte Minderheit in derselben bildete. In dieser Stellung war D. einer der Hauptführer bei den beiden Staatsstreichen vom 7. Januar und 8. August 1800, durch welche von der gemäßigten, republicanischen, Partei in den beiden gesetzgebenden Räthen zuerst das Directorium, dann jene Räthe selbst aufgelöst, die Executivgewalt einem Vollziehungsrath, die legislative einem „gesetzgebenden Rathe“ übertragen wurden. Beide Umwälzungen führten D. zur obersten Leitung der Geschäfte als Präsident der Execution, aber er war doch durch seine zweideutige Haltung und seine Connivenz gegen die französischen Behörden nach und nach so discreditirt, daß die helvetische Tagsatzung, welche auf Grund des von Napoleon der schweizerischen Abordnung in Malmaison empfohlenen Entwurfs vom 29. Mai 1801 im Sommer d. J. eine neue Verfassung ausarbeitete und darauf im October den neuen Senat einsetzte, ihn überging und ihn damit von den öffentlichen Geschäften überhaupt entfernte. Allein gerade dieser Umstand, verbunden mit der unbesonnenen Erklärung der Integrität des helvetischen Gebiets seitens der Tagsatzung und dem ausschließlich unitarischen Geist der Senatswahlen erregte die Unzufriedenheit des französischen Directoriums. Mit Zustimmung des letztern wurde am 28. October durch eine Minderheit des gesetzgebenden Raths die Tagsatzung aufgelöst, der Entwurf von Malmaison angenommen und sofort in Ausführung gesetzt und die vollziehende Gewalt D. und Savary provisorisch allein übertragen. Unerwarteter Weise fiel aber D., der den thätigsten Antheil an diesem Staatsstreich genommen, am 21. November bei der Besetzung der beiden Landammannsstellen, da man seiner jetzt nicht mehr zu bedürfen glaubte, durch und mußte sich mit der Wahl in den kleinen Rath begnügen, in welchem er das Finanzdepartement bekleidete. Wiederum war es die Uebergehung Dolder’s, sowie der einseitig föderalistische Charakter der Wahlen gegenüber dem Bestreben der französischen Regierung die beiden Parteien zu verschmelzen, was jene veranlaßte, die neue Regierung nicht anzuerkennen. Im Einverständniß mit dem französischen Gesandten Verninac und unter thätiger Mitwirkung Dolder’s ward darauf von den Unitariern am. 17. April 1802 ein vierter Staatsstreich ausgeführt, durch welchen die bisherigen Constitutionsverhandlungen eingestellt, der Senat auf unbestimmte Zeit vertagt und 47 Notabeln zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung einberufen wurden. Diese wurde zu Ende Juni durch die Volksabstimmung angenommen und D. am 5. Juli als Landammann an die Spitze der Executive gestellt. Aber kaum hatte Frankreich seine Truppen aus der Schweiz zurückgezogen und die helvetische Regierung sich selbst überlassen, als in Aargau eine Insurrection („Steklikrieg“) ausbrach, die sich rasch fast im ganzen Lande verbreitete. D., von welchem das Gerücht ging, er würde in dieser kritischen Zeit zum Dictator ernannt werden, wurde am 13. Sept. von einigen Berner Patriziern nach Jegistorf entführt, mußte aber auf die Dazwischenkunft Verninac’s hin sofort wieder freigelassen werden. Die Regierung, welche vor der Annäherung der Insurgenten am 18. September nach Lausanne übersiedelte, sah ihre Wirksamkeit bereits auf den Canton Waadt beschränkt, als Napoleon, der die auswärtigen Triebfedern der ganzen Bewegung [312] klar durchschaute, am 3. October sich zum Mediator aufwarf und Einstellung der Feindseligkeiten gebot. Die Regierung amtirte nun noch bis zum 10. März 1803, wo die durch die Mediationsverfassung Napoleon’s vom 19. Februar 1803 geschaffene neue Organisation der Schweiz ins Leben trat, in Bern weiter. Damit war Dolder’s Thätigkeit auf dem Boden der eidgenössischen Politik beendigt und er trat nun in den cantonalen aargauischen Staatsdienst über. Schon am 14. Febr. von Napoleon als Präsident der Organisationscommission für diesen Canton bezeichnet, übernahm er dieses Amt sowie die Führung des Justiz- und Polizeidepartements am 12. März und wurde darauf von dem großen Rath fast einstimmig am 21. April zum Präsidenten des kleinen Raths gewählt, in welcher Behörde er das Finanzdepartement übernahm und fast ununterbrochen auch das Präsidium bekleidete. Er starb am 17. Februar 1807 an einem Schlagflusse im Regierungssitze Aarau. – D. hat sich in seiner eidgenössischen Stellung durch sein Bestreben stets oben auf zu schwimmen (weshalb es von ihm hieß, er sei aus Kork geschaffen) und infolge dessen durch seine Connivenz gegen die französischen Machthaber und seine Neigung zur Intrigue bei allen politischen Parteien discreditirt; seine spätere Wirksamkeit im Aargau, um welchen Canton er sich als ausgezeichneter Administrator unbestrittene Verdienste erworben hat, ist geeignet das harte Urtheil, welches die Darsteller der helvetischen Revolution einstimmig über ihn gefällt haben, einigermaßen zu mildern.

Außer den allgemeinen Werken über die Helvetik von Tillier, Monnard u. A.: Ersch und Gruber, Allgem. Encyklopädie, 1. Section. 26. Thl. (Leipzig 1835) 322 ff. – Lutz, Nekrolog denkwürdiger Schweizer aus dem 18. Jahrhundert (Aarau 1812) 113 ff. – Monatliche Nachrichten, Zürich 1807.