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ADB:Dreyer, Carl Henrich

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Artikel „Dreyer, Carl Henrich“ von Henning Ratjen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 404–406, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dreyer,_Carl_Henrich&oldid=- (Version vom 6. Oktober 2024, 17:01 Uhr UTC)
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Dreyer: Joh. Carl Heinrich D., geb. 1723 zu Wahren oder Waren in Mecklenburg, begann 1738 das Studium der Rechte in Kiel. Seiner Mutter Bruder Ernst Joachim Westphal – seitdem er geadelt worden v. Westphalen – war bis 1750 Minister des Herzogs von Holstein und Curator der Kieler Universität, er nahm den Neffen freundlich auf und förderte dessen Studien. Von Kiel ging D. zur Fortsetzung des juristischen Studiums nach Halle, kam 1743 nach Kiel zurück, ward 1744 in Helmstädt Doctor der Rechte. Der 21jährige junge Mann erhielt Ende 1744 in Kiel eine ordentliche Professur für das deutsche Recht und die Praxis, er trat 1745 dieses Amt an und war in demselben sehr thätig durch Vorlesungen über deutsches Recht, lübisches Recht, Criminalrecht, die schleswig-holsteinische Landgerichtsordnung, holsteinisches und cimbrisches Recht, Naturrecht und Staatsrecht. Daneben hielt D. für Studirende Disputationsübungen, welche Herzog Friedrich 1701 angeordnet hatte. D. hielt von 1747–53 acht solcher Disputationen, zu denen er kleine lateinische Schriften schrieb. Auch zu einigen Promotionen schrieb er Programme, er ließ außerdem [405] mehrere Schriften drucken, schrieb mehrere Gutachten der juristischen Facultät sowie Privatgutachten. Im J. 1753, also ungefähr drei Jahre nach dem Sturz des Oheims, ging D. als zweiter Syndicus nach Lübeck, ward 1761 Dompropst des Stiftes und 1768 erster Syndicus. Der Oheim v. Westphalen ward 1756 wieder in seine früheren Würden in Kiel eingesetzt. Der Neffe schlug die an ihn ergangene Berufung zur Stelle des Landkanzlers in Holstein, sowie andere Anträge, aus, er blieb in Lübeck bis zu seinem Tode im J. 1802. Der Eid des Lübecker Dompropstes, „zeitlebens in diesem Officio zu bleiben“, war wol nicht der Grund, die Anträge abzulehnen, man hätte ihn in Lübeck wol dispensirt. D. gefiel sich in seiner Lübecker Stellung. Im Auftrag Lübecks übernahm D. mehrere Gesandtschaften an den dänischen König Friedrich V. und andere Monarchen. Die Diplomaten Lübecks, zu denen wir D. rechnen dürfen, waren aber vorsichtig und verhinderten wol aus diesem Grunde lange den Druck von Bd. III der Geschichte Lübecks von J. R. Becker, dem erst nach Dreyer’s Tode der Druck dieses Bandes im J. 1804 gestattet wurde. Auch während seiner Lübecker Thätigkeit schrieb D. mehrere Schriften. Die Gesammtzahl von Dreyer’s Druckschriften beläuft sich auf nahezu hundert. Auf die einzelnen Schriften können wir hier nicht eingehen. Daß D. als Schriftsteller in hohem Grade thätig war, ist allgemein anerkannt, aber leider hat auch bemerkt werden müssen, daß seine Arbeiten, wie die seines Onkels, ungenau und unzuverlässig sind, namentlich in dem Abdruck und der Benutzung von Urkunden. Während Dreyer’s Studienzeit erschienen in Westphalen’s Monumenten zwei Schriften, wie D. sagt, lateinische Uebersetzungen von Hederich’s Schweriner und Schlaggert’s Ribbenitzer Chronik, der Oheim gab diese Schriften für Originale aus. Nach Lisch sind sie es keineswegs, sondern sehr freie Bearbeitungen deutscher Handschriften. Ungenauigkeiten in anderen Schriften Dreyer’s hat C. W. Pauli in seinen Abhandlungen aus dem Lübeckschen Recht Thl. I. S. 149 u. 150 u. Thl. II. S. 41 nachgewiesen, dasselbe ist geschehen im Lübecker Urkundenbuch I. 1. Vorrede S. 9. Jakob Grimm urtheilt in der Vorrede zu seinen Rechtsalterthümern sehr ungünstig über Dreyer’s Arbeiten. Aber Fr. Kopp lobt in seinen Bildern und Schriften der Vorzeit Dreyer’s große Belesenheit und seinen leidenschaftlichen Fleiß. „Der läßt mich selten im Stich“, sagt er. D. war, wie sein Oheim, entschiedener Gegner des römischen Rechts, er wollte einen Dom des allgemeinen deutschen Rechts bauen, suchte dazu Bausteine im Norden, glaubte dazu einen Baustein, ein reines, schönes, unbeflecktes Recht in nordischer Sprache im Schleswiger Stadtrecht gefunden zu haben. P. K. Ancher gab das lateinische Original heraus, D. hatte sich also getäuscht. In dem jütschen Lov fand er auch nicht die gehoffte reine Schönheit. D. suchte im Norden weiter, suchte in England etc. Die Völker, nimmt D. an, sind aus dem Norden nach Süden gewandert, es ist also ein weites Feld zum Suchen des deutschen Rechts. Das Lehrbuch des holsteinischen Rechts, welches D. schreiben wollte, ward kaum begonnen, er begab sich auf den weiten Ocean, vor dem er Andere warnte, sein Waarenlager, wie er selbst seine Sammlungen nannte, ward immer größer. Die bekannteste unter Dreyer’s Schriften ist wol seine Abhandlung „Von dem Nutzen des trefflichen Gedichtes Reinke de Voß in Erklärung der deutschen Rechts-Alterthümer“. Die Abhandlung erschien Bützow 1768 in Dreyer’s „Nebenstunden“. D. war, wie Manche bezeugen, ein gutmüthiger Mann, der gern die Studien Anderer förderte. In Joh. Christian Koppe’s Jetztlebendem Gel. Mecklenburg, Stück 3, Rostock und Leipzig 1784, S. 48–88, hat D. selbst, freilich ohne sich ausdrücklich zu nennen, sein Leben geschrieben, Phl. Baumgarten gab nach Dreyer’s Tode, Lübeck 1802, heraus: Kurze Nachricht von dem Leben des J. C. H. Dreyer. Ratjen hat in der Chronik der Kieler Universität aus dem J. 1859 Dreyer’s [406] Leben geschrieben, und dasselbe namentlich nach Professor Deecke’s Mittheilungen, Kiel 1861 verbessert herausgegen in J. C. H. Dreyer und E. J. v. Westphalen.

Vgl. C. Plitt, Lübeckische Blätter 1861, Nr. 49–52.