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ADB:Dreyer, Johann Matthias

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Artikel „Dreyer, Johann Matthias“ von Otto Beneke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 406–407, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dreyer,_Johann_Matthias&oldid=- (Version vom 20. November 2024, 13:16 Uhr UTC)
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Dreyer: Johann Matthias D., ein vor 100 Jahren vielgenannter, in neuerer Zeit sehr überschätzter Dichter und Litterat. Geb. zu Hamburg gegen Ende des J. 1716, des Kaufmanns Joh. Mart. D. Sohn, studirte er in Leipzig Jurisprudenz, hauptsächlich aber die sogen. schönen Wissenschaften, und kehrte nach mehrjährigem Aufenthalte in Holstein und Berlin in seine Vaterstadt zurück, wo er seitdem als Zeitungs-Redacteur, Mitarbeiter auswärtiger Journale und Gelegenheitsdichter thätig war. Ohne Zweifel belebte seinen kleinen verwachsenen Körper ein äußerst regsamer Geist, eine Fülle von Humor und Witz, neben den Talenten eines gewandten Versekünstlers, schlagfertigen Wortspielers und stets unterhaltenden Trink- und Tischgenossen, so daß es ihm an sinnverwandten Freunden und Gönnern unter den schön- und starkgeistigen Materialisten seiner Zeit nicht gefehlt hat. Weit ab vom idealen Dichterthum lag seine Stärke allein im geschickt versificirten Witz, durch alle Arten und Unarten desselben, vom harmlosen bis zum frivolen und boshaften. Ein Zeitlang schützte ihn sein Titel als Secretär des Prinzen Georg von Holstein einigermaßen gegen die Folgen seiner rücksichtslosen Spottgedichte, welche er in Menge producirte, um sie handschriftlich in Caffeehäusern und Weinstuben circuliren zu lassen. Von Freunden vervielfältigt, cursirten sie dann durch Stadt und Land, um so mehr dann, wenn hohe Häupter und sonstige Größen die Gegenstände seiner boshaften Persiflage bildeten. Als er nun aber nicht nur die Diener und Anhänger der christlichen Religion, sondern diese selbst epigrammatisch auf das zügelloseste verspottete und offenbare Gotteslästerungen in Form geflügelter Worte unter die Leute brachte, da erließ der hamburgische Senat den 30. October 1761 ein damals vielbesprochenes Mandat gegen solch verdammliches Treiben. In diesem Mandat erscheint D., dessen Name ungenannt bleibt, genau porträtirt, und sein wie seiner Freunde Bestreben, die Religion zu untergraben, mit peinlicher Anklage bedroht, auch das Copiren und Colportiren „der meist aus wenigen Reimen bestehenden heillosen Mißgeburten solch ruchloser Bösewichter“ gleichmäßig verboten. Als nun D. auch dies wider ihn gemünzte Mandat epigrammatisch verhöhnte und bald darauf eine Liedersammlung „Schöne Spielwerke bei Wein, Punsch, Bischof und Crambamboli“ erscheinen ließ, worin neben einigen unverfänglichen Gedichten eine Menge jener „Mißgeburten“ eigener wie fremder Production enthalten sind, Frivolitäten bis zum Cynismus und Gotteslästerlichen, – da forderte sogar das indignirte Publicum den strafenden Arm des Gerichts, während gleichzeitig Dreyer’s Beschützer, der Prinz Georg von Holstein, im September 1763 plötzlich verstarb. D. flüchtete sofort nach Holstein, indessen die schönen Spielwerke kraft Urtheils vom 14. Septbr. 1763 öffentlich von Henkershand zerrissen und auf dem sogen. ehrlosen Block verbrannt wurden. Einige Jahre blieb D. nun fern von Hamburg, wohin unter dem Schutz eines neuen Titels zurückzukehren sein vergebliches Bestreben war, da der Senat durch seine Agenten die betreffenden Höfe über Dreyer’s Wesen und Wirken gründlich zu unterrichten wußte. Endlich im J. 1766 gelang es ihm, durch Fürsprache des Ministers v. Saldern, eine Art stiller Duldung seines Aufenthalts in Hamburg zu erlangen, nachdem er einen reumüthigen Revers ausgestellt. Freilich waren wegen neuer Händel bereits neue Klagen über ihn eingelaufen, als er den. 20. Juni 1769 „sanft und selig“ verschied. – Höchst eigenthümlich wird D. in einem Nachruf aus der Feder des Litteraten Wittenberg im Hamb. Correspondenten (1769, Nr. 98) – charakterisirt. Hier wird die christliche Frömmigkeit betont, welche D. auf seinem [407] Sterbebette bewiesen; es wird ihm Gutmüthigkeit und Menschenfreundlichkeit nachgerühmt und angedeutet, daß die gelegentlichen Ausschreitungen seiner Muse keineswegs aus seinem guten Herzen geflossen, sondern in nothgedrungener Nachgiebigkeit gegen Andere entstanden seien, von deren Gunst er abhängig gewesen. Dieser etwas seltsamen Darstellung folgt das Hamb. Schriftsteller-Lexikon in dem über D. handelnden Artikel, Bd. II. S. 73–77.