Zum Inhalt springen

ADB:Eberhard, Bernhard

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Eberhard, Bernhard“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 564–566, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eberhard,_Bernhard&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 05:12 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Band 5 (1877), S. 564–566 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Bernhard Eberhard in der Wikipedia
Bernhard Eberhard in Wikidata
GND-Nummer 116322306
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|5|564|566|Eberhard, Bernhard|Karl Wippermann|ADB:Eberhard, Bernhard}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116322306}}    

Eberhard: Bernhard E., kurhessischer Staatsmann, geb. 6. April 1795 zu Schlüchtern, † 29. Febr. 1860 zu Hanau. Sohn eines Pfarrers, besuchte das Gymnasium seines Geburtsortes, ging 1811 zum Studium der Rechte nach Marburg, besuchte 1812 wegen des von der großherzoglich Frankfurter Regierung vorgeschriebenen Studienzwangs die Rechtsschule in Wetzlar, 1813 die Universität Gießen, dann nochmals die zu Marburg, wurde in Hanau 1817 Obergerichtsadvocat, 1821 Staatsanwalt und 1829 Bürgermeister. Als solcher machte er sich sehr verdient um die Verbesserung der städtischen Verwaltung, um Hebung der Schulen und bei der Mauth-Revolte von 1830 durch Abwendung größerer Excesse. Seit 1821 war er bis zum Lebensende Rechtsconsulent der Linie des Landgrafen Friedrich von Hessen zu Rumpenheim. Das J. 1830 wurde für die öffentlichen Verhältnisse Kurhessens von der größten Bedeutung. Der Wunsch der Bevölkerung nach einer Repräsentativ-Verfassung, welcher 1816 an der Schwierigkeit der Scheidung des Landesvermögens vom fürstlichen Vermögen gescheitert war, trat unter dem Eindrucke der Julirevolution wieder lebhafter hervor, seine Erfüllung wurde am 15. September vom Kurfürsten Wilhelm II. zugesagt und der seit 14 Jahren nicht versammelt gewesene Landtag behufs Vereinbarung einer zeitgemäßen Aenderung der Verfassung berufen. Auf diesem für Kurhessen denkwürdigsten Landtage wurde E. als Vertreter von Hanau, Bockenheim und Windecken Seitens der Städtecurie in den Verfassungsausschuß gewählt, in welchem er mit Sylv. Jordan, Schomburg, v. Baumbach und Waitz v. Eschen thätig war, um dem Regierungsentwurfe diejenige Gestalt zu geben, welche der kurhessischen Verfassung von 1831 längere Zeit den Ruf des Musters einer constitutionellen Verfassung einbrachte. Als Mitglied des ständischen Ausschusses, welcher sich vom Bedarfe des Hofes und dem Bestande der Capitalien zu überzeugen, sowie die Ausscheidung des Staatsvermögens zu vollziehen hatte, war E. von größtem Einflusse bei dem die Entstehung der Verfassung begleitenden Zustandekommen des Vertrags zur Bewirkung der Scheidung der Cabinetscasse in einen Haus- und einen Staatsschatz. Von 1831–50 war E. als Erwählter der 5 Städte der Provinz Hanau Mitglied aller kurhessischen Landtage (mit Ausnahme des zweiten von 1848) und hier fast ständiger Vorstand des Budgetausschusses. Als sich schon 1831 eine Unwillfährigkeit der kurhessischen Regierung gegen eine verfassungsmäßige Entwicklung des Staatslebens bemerklich machte, drang E. auf dem ersten und zweiten Verfassungs-Landtage mit großer Entschiedenheit auf Vorlegung von Entwürfen der zur Verwirklichung der Verfassungsbestimmungen nothwendigen Gesetze. Bei bedenklicher werdender Stagnation regte Jordan die Ministeranklage an, E. jedoch widersprach in Voraussicht der später sich zeigenden Erfolglosigkeit dieses Mittels. 1833 hatte E. großen Antheil am Zustandekommen der segensreichen Gemeindeordnung. Bei heftiger werdendem Streite kämpfte er in erster Reihe, namentlich in einem den Kriegsetat betreffenden bemerkenswerthen Falle, bei Revision des Rekrutirungsgesetzes, als Mitglied des permanenten Ständeausschusses und bei Wahrung des Staatsinteresses bezüglich der Einkünfte der sogen. Rotenburger Quart. In Hanau trat er 1847 den inhumanen Regierungsmaßregeln gegen die Deutsch-Katholiken mannhaft entgegen und wußte 1848, als Hanau zum Mittelpunkte republikanischer Bestrebungen bewaffneter Freicorps aus Rheinhessen und Baden gemacht war, nach Abzug der kurhessischen Besatzung in geschickter, [565] würdiger und loyaler Weise mäßigenden Einfluß zu üben und dadurch unheilvolle drohende Vorgänge in Mitteldeutschland im Keime zu ersticken. In diesem Sinne unterzeichnete er auch am 9. März eine in starken Ausdrücken gehaltene Vorstellung der Hanauer „Volkscommission“ an den Kurfürsten. Der Umschwung von 1848 berief in Kurhessen die bisherigen Führer der Opposition zur Regierung. Eberhard’s am 17. März erfolgte Ernennung zum provisorischen Vorstande des Ministeriums des Innern war ein Act lebhaft empfundener Beruhigung für das Land, doch erkannte E. schon in der ersten Audienz beim Kurfürsten das Dornenvolle seiner Stellung. Darauf bedacht, mit Gerechtigkeit und Wohlwollen zu regieren, trug er wesentlich dazu bei, daß in den Zeiten der lebhaftesten Bewegung Aufruhr und Gewaltstreiche in Kurhessen, wo am meisten Anlaß dazu vorlag, unterblieben. Als in einer Aprilnacht die kurfürstliche Leibwache Angriffe auf die Bevölkerung von Kassel gemacht hatte, setzte E. beim Kurfürsten die Auflösung dieses Corps durch, nachdem er mit Lebensgefahr das Volk von drohenden Excessen abgehalten. So konnte die zur Untersuchung eines befürchteten Reactionsversuchs entsandte Deputation des 50er Ausschusses des Vorparlaments beruhigt zurückkehren. E. und Collegen schützten durch ihre Popularität den Thron, sowie die Person des Kurfürsten vor Gefahren und waren, nur von einer kleinen demokratischen Partei bekämpft, auf ein rasches Zustandekommen längst verheißener Gesetze erfolgreich bedacht. Zur Zeit der still wachsenden Reaction hatte das nach ihm benannte Märzministerium den schwersten Stand und nicht immer vermochte sein mildes Wesen eine befriedigende Versöhnung zu erreichen. Bei den Schwierigkeiten des Kurfürsten wurden die einfachsten Dinge zu Cabinetskrisen und nur die allgemeinen Kundgebungen des unbedingtesten Vertrauens des Landes hielten den Kurfürsten wiederholt von Genehmigung der Entlassungsgesuche der Minister ab, auch in dem Falle vom 10. Aug. 1849, wo der Kurfürst im geheimen für Aufstellung eines eventuell zum Einschreiten bestimmten hannöverschen Truppencorps an der Grenze gesorgt hatte, wo aber Niemand bereit war, als Minister nachzufolgen. Mit größter Entschiedenheit setzte sich E. den Versuchen zur Uebertragung des Aufstandes für die Reichsverfassung von 1849 auf Kurhessen entgegen, bewirkte dann Kurhessens Anschluß an das Dreikönigsbündniß und stimmte als Abgeordneter des Bezirks Hanau im Reichstage zu Erfurt für Enblocannahme der Verfassung, trat jedoch mit seinen Collegen am 23. Febr. 1850 vom Amte zurück, weil der Kurfürst sich den Bestrebungen Oesterreichs in der deutschen Politik anzuschließen wünschte. Dem Rücktritte folgten großartige Dankesbezeigungen der Bevölkerung sowie des Landtages. Die Stadt Kassel verlieh E. am 10. Juni 1850 das Ehrenbürgerrecht, zur Zeit der Bundesexecution wurde er dagegen mit 20 Mann bequartiert. Da er als Abgeordneter der Höchstbesteuerten von Kassel im Landtage am Beschlusse der sogen. Steuerverweigerung vom 31. Aug. 1850 theilgenommen, erstreckte sich die betreffende Untersuchung auch auf ihn. Eberhard’s Wahl in den Stadtrath zu Kassel wurde von Hassenpflug nachträglich nicht genehmigt, nachdem er der von Abgesandten des Königs von Preußen gewünschten Eingabe des Stadtraths an den Kurfürsten eine solche, den verfassungsmäßigen Standpunkt wahrende Form gegeben hatte, daß sich die Eingabe zur Beschönigung des auf der Conferenz von Olmütz festgesetzten Rückzuges der preußischen Truppen aus Kurhessen nicht verwenden ließ. Seit 1851 ohne active Staatsstellung in Hanau lebend, wurde ihm von Hassenpflug der Urlaub, um zur Herstellung seiner Gesundheit Bäder zu besuchen, trotz ärztlicher Zeugnisse versagt.

Vgl. Grenzboten 1850, Nr. 46 u. 52; C. W. Wippermann, Kurhessen seit den Freiheitskriegen, Kassel 1850; Die Gegenwart, Leipzig 1851, VI. S. 531–613; die zahlreichen Schriften zum kurhessischen Verfassungsstreit [566] (aufgeführt in Welcker’s Staatslex., 3. Aufl., Art. Hessen); Eberhard’s hinterlassene handschriftliche Memoiren, im Besitze der Familie; Hess. Morgen-Ztg. Nr. 98; Nat.-Ztg. Nr. 112 von 1860; Deutsche Allg. Ztg. vom 11. März 1860.