Zum Inhalt springen

ADB:Schomburg, Karl August Friedrich Wilhelm Christian

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Schomburg, Karl August Friedrich Wilhelm Christian“ von Karl Wippermann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 238–240, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schomburg,_Karl_August_Friedrich_Wilhelm_Christian&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 04:16 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Schomburgk, Robert
Band 32 (1891), S. 238–240 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Schomburg in der Wikipedia
Karl Schomburg in Wikidata
GND-Nummer 118610406
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|32|238|240|Schomburg, Karl August Friedrich Wilhelm Christian|Karl Wippermann|ADB:Schomburg, Karl August Friedrich Wilhelm Christian}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=118610406}}    

Schomburg: Karl August Friedrich Wilhelm Christian S., kurhessischer Politiker, war geboren am 11. October 1791 in Grebenstein als ältester Sohn des Landphysicus Johann Anton S. Er verlebte die früheste Jugend in Karlshafen, wohin der Vater 1792 versetzt war. Hier an den waldigen Ufern der Diemel und Weser entwickelte sich bei dem stillen, sinnigen Knaben schon früh ein Zug leiser Schwermuth, welcher ihn durch sein Leben begleitete und ihm einen eigenthümlichen milden Ausdruck verlieh. Er besuchte zuerst die Bürgerschule in Karlshafen, vom 9. Jahre an das Gymnasium zu Saalfeld, dem Wohnort eines Oheims, seit 1805 das Gymnasium in Coburg und studirte von 1808 bis 1811 in Göttingen die Rechte. An allen diesen Anstalten entzog er sich dem geselligen Leben und lauten Frohsinn der Jugend und zeigte ein für sein Alter sehr ernstes Wesen. Um so mehr lag er dem Studium, namentlich philosophischer Werke ob. Nachdem er sich in Kassel zum Advocatenstande vorbereitet hatte, trat er 1812 als Gehülfe eines Sachwalters beim königl. westfälischen Friedensgerichte in Höxter ein. Aus poetischen Jugendträumen durch das Leben stark aufgerüttelt, verfiel er in eine tiefe Melancholie. Wiederholt mußte er in’s Elternhaus zurückkehren, wo es nur mit Mühe gelang, ihn der Welt wieder zu [239] gewinnen. Er entsagte dem praktischen Berufe und siedelte nach Göttingen über, um sich ganz den Wissenschaften zu widmen. Allein die auf sein verwundetes Gemüth wolthätig einwirkende Befreiung des Vaterlandes von der Fremdherrschaft änderte seinen Entschluß: er nahm den aufgegebenen Beruf wieder auf und wurde im August 1814 als Anwalt bei den Aemtern Karlshafen und Trendelburg, im April 1816 aber zum Anwalt bei der Regierung in Kassel bestellt. Bei der 1821 eintretenden Neuordnung der kurhessischen Staatsverwaltung wurde ihm die Stelle eines ersten Assessors beim neugebildeten Landgerichte in Kassel zu Theil. Bald darauf wurde er zum Bürgermeister von Kassel gewählt, doch nahm er nur auf wiederholte Aufforderungen des Magistrats an. Diese Stellung bekleidete er vom 1. Januar 1822 an bis an sein Lebensende. Als 1823 Kurfürst Wilhelm II. trotz des erhaltenen Drohbriefes sich entschlossen hatte, nach Kassel zurückzukehren, wurde er am Thore von S. mit einer warmen Ansprache, mit der Versicherung der Treue aller Hessen zu ihrem Fürsten empfangen. Allein Angesichts der zunehmenden traurigen Zustände des Landes sah sich S. vermöge seiner Stellung immer mehr in die Rolle eines Stimmführers für die Rechte und Interessen der Landesbevölkerung gedrängt. Schon 1814 mitbetheiligt gewesen am Zustandekommen des Nothrufs, welchen die Bauern an der Diemel gegen die übermäßigen und von den Ständen nicht bewilligten Steuern erhoben, hatte er 1822 als Bevollmächtigter der Landschaft bei der Landesschulden-Tilgungscommission gegen widerrechtliche Verwendungen auftreten müssen; auch als ständisches Mitglied der Brandkassendirection hatte er die peinlichsten Kämpfe gegen die Regierung zu bestehen. Am meisten aber trat er hervor an dem in der Geschichte Kurhessens denkwürdigen 15. September 1830. Als Wortführer der Abordnung Kasseler Bürger, welche den Kurfürsten um Berufung der seit 1816 nicht versammelt gewesenen Landstände baten, schilderte S. in längerer Ansprache die traurige Lage des Landes. Der infolge dessen am 16. October 1830 zusammentretende Landtag, in welchem S. als Bürgermeister Kassel zu vertreten hatte, wählte zur Prüfung des ihm vorlegten Verfassungsentwurfs einen Ausschuß von 7 Mitgliedern, zu welchem S. als einer der beiden Vertreter der Curie der Städte gehörte. Schomburg’s Begutachtung des Entwurfs fand Anerkennung und sein Biograph Bernhardi bezeugt, daß „ohne Schomburg’s hochherzige Gesinnung, ohne seinen sicheren Blick und seine Umsicht, ja selbst ohne das ihn überall umgebende unbegrenzte Vertrauen die damaligen gefahrdrohenden Verwicklungen schwerlich eine so glückliche Wendung genommen haben würden“. Dies schien auch von der Regierung anerkannt zu werden, indem sie die wiederholt vergebens nachgesuchte lebenslängliche Bestätigung als Bürgermeister von Kassel nunmehr eintreten ließ. Auch wurde ihm am 8. Januar 1831 beim Feste des Schwurs auf die neue Verfassung das Ritterkreuz des Löwenordens verliehen. Wenige Tage hierauf wurde der Unmuth der Bevölkerung Kassels über die Rückkehr der Gräfin Reichenbach zu Wilhelm II. laut. Dessen Gemahlin schrieb zwar an S., sie erhebe gegen den Aufenthalt dieser Dame in Wilhelmshöhe keinen Widerspruch; der Kurfürst aber grollte seiner Hauptstadt und siedelte nach Wilhelmsbad bei Hanau über. Nach Verabschiedung des Landtags, mit welchem die Verfassung von 1831 vereinbart worden, war S. Mitglied des bleibenden ständischen Ausschusses. In dem am 11. April 1831 eröffneten ersten verfassungsmäßigen Landtage lehnte S. ab, an der ständischen Abordnung Theil zu nehmen, welche den Kurfürsten zur Rückkehr in die Hauptstadt bewegen sollte. Er glaubte als Vertreter von Kassel dem Kurfürsten nicht angenehm zu sein. Im Landtag wurde S. in 18 Ausschüsse und im März 1832 zum Vicepräsidenten gewählt. Die Stelle eines Landsyndikus schlug er aus. Nachdem 1832 Hassenpflug Minister geworden, trat S. dem Systeme desselben überall entgegen. Die [240] drei Landtage von 1833 zählten S. zu den hervorragendsten Mitgliedern. Der letzte derselben wählte ihn zum Präsidenten. Als solcher entwickelte er eine große Meisterschaft. Am 20. Februar 1834 wiederum zum Präsidenten gewählt, gab er in einer Ansprache eine Ueberschau über die Lage des Landes und einen edlen beredten Ausdruck der Stimmung desselben. Es gilt nicht, sagte er, „kühnen Entwürfen, einer spitzfindigen Dialektik und bloßer Theorie Eingang zu verschaffen; wohl aber, wenn es sein muß, mit den guten Waffen des Rechts und der Wahrheit edle und mannhafte Gesinnung für Fürst und Vaterland zu erproben. Opposition in der gehässigen Bedeutung des Wortes ist überhaupt in deutschen Ständeversammlungen ein Fremdes, vor allem bei uns, wenn diese Benennung nicht dem redlichen Ausdrucke der auf erkanntem Besseren beruhenden Ueberzeugung gegeben werden soll.“ Damit hat S. die treffendste Kennzeichnung der Opposition im kurhessischen Landtage für Jahrzehnte hin geliefert. Eine Reihe der wichtigsten gesetzgeberischen Arbeiten wurde von S. im Landtage wesentlich gefördert. In vielen Fällen erschien er als besonnener und glücklicher Vermittler. Bei aller Milde des Wesens unterließ er nicht, als Präsident die Rechte der Stände entschieden zu wahren. Zu dieser Stellung wurde er auch in den 1835 und 1836 eröffneten Landtagen erhoben; als aber 1838 diese Wahl auf ihn fiel, erhielt er nicht die landesherrliche Bestätigung. Ebenso 1840. Um so mehr wurde er vom Landtage in den wichtigeren Ausschüssen beschäftigt, aber schon bald hiernach mußte er wegen vermehrter amtlicher Beschäftigung und leidender Gesundheit das Mandat niederlegen. In tiefster Seele schmerzerfüllt über die Zustände Kurhessens, starb er am 4. Juli 1841 in Mihla bei Eisenach. Die städtischen Behörden von Kassel, welche ihm schon 1835 ihre Anerkennung für seine Verdienste um das Vaterland feierlich ausgesprochen hatten, ließen durch eine Abordnung die Leiche nach Kassel geleiten, wo sie am 8. Juli unter Theilnahme der gesammten Bürgerschaft beerdigt wurde. „Es ist leider“, hieß es in der Grabrede, „das Geschick großer Männer, daß ihnen ihr Zeitalter, dessen Wohlfahrt ihr höchstes Streben und ihre innigste Freude war, seine Schuld nicht abträgt.“ Aber nicht bloß traf dies bei S. zu, sondern er hatte auch erleben müssen, daß wegen seines öffentlichen Auftretens seinem ältesten Sohne die Anstellung im hessischen Staatsdienste versagt wurde. Diese fand derselbe dann in Sachsen-Weimar. Außer diesem Sohne, dem späteren weimarschen Staatsrath, hinterließ S. zwei Töchter. Am 11. October 1879 wurde auf dem Platze vor dem Rathhause in Kassel S. ein Denkmal gesetzt.

Didaskalia (Beiblatt zum „Frankf. Journal“) Nr. 84 von 1834. – K. Bernhardi, K. Schomburgs Nachlaß und Briefwechsel. (Kassel 1843.) – Wippermann, Kurhessen seit den Freiheitskriegen. (Kassel 1850.) – Müller, Kassel seit 70 Jahren (Kassel 1876). – Oetker, Lebenserinnerungen I, 149. (Stuttgart 1877.) – Hess. Morgen-Ztg. Nr. 9083 und 9084.