ADB:Eberhard von Gandersheim

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Artikel „Eberhard von Gandersheim“ von Ludwig Weiland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 793–794, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eberhard_von_Gandersheim&oldid=- (Version vom 25. April 2024, 04:03 Uhr UTC)
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Eberhard *) von Gandersheim ist der Verfasser des ersten eigentlichen Geschichtswerkes in deutscher Sprache, der Reimchronik von Gandersheim. Er beschrieb, wie er selbst angibt, im J. 1216, die Schicksale der reichsunmittelbaren Frauenabtei Gandersheim von ihrer ersten Gründung im J. 852 bis in den Anfang des 11. Jahrhunderts in niederdeutschen Reimen, am Schluß einige Verse über die Aebtissin Mechtild, seine Zeitgenossin, hinzufügend. Ueber Eberhards Lebensverhältnisse wissen wir sehr wenig. Er selbst nennt sich „Pfaffe“, ist also wol identisch mit einem in den Jahren 1204 und 1207 in Urkunden der Aebtissin Mechtild als Notar erscheinenden Diacon Eberhard. Vermuthlich war er von Geburt ein Höriger der Abtei. Den Stoff zu seinem 1950 Verse enthaltenden Reimwerk entnahm er im wesentlichen einem lateinisch geschriebenen Aufsatze, einer „Fundatio ecclesiae Gandersheimensis“, der uns nicht mehr erhalten ist, aber schwerlich vor Anfang des 12. Jahrhunderts abgefaßt gewesen sein dürfte. Diese Fundatio übersetzte E. wol ziemlich wörtlich. Weniges schöpfte er dann noch aus den Urkunden des Stiftsarchives. Das geistige Eigenthum Eberhards beschränkt sich daher wesentlich auf den Prolog und die Schlußverse über die Aebtissin Mechtild. Der historische Werth des Werkes ist gleichfalls ein recht geringer, da die Hauptquelle desselben, die Fundatio, den erzählten Ereignissen selbst schon sehr fern stand. Am schätzbarsten ist noch ein Katalog der Gandersheimer Aebtissinnen, welchen E. ganz roh in seine Verse hineinschiebt, ohne nur den Versuch zu machen, ihn in poetische Form zu gießen. In Bezug auf diese, die Form des Gedichtes, darf man keine hohen Anforderungen an den einfachen Pfaffen stellen. E. war kein Dichter. Sein Versbau ist ein sehr mangelhafter, er beruht mehr auf dem Gefühl als auf Kenntniß der Regeln; [794] seine Reime – das Gedicht ist in Reimpaaren abgefaßt – sind häufig unrein; sein Reimschatz ein sehr beschränkter, so daß die Lectüre des Gedichtes etwas Ermüdendes hat. Es war eben Gandersheim nicht vergönnt, eine zweite Hrotsuit hervorzubringen. Von ihren unsterblichen Gesängen hatte weder E. noch selbst der Verfasser der Fundatio mehr Kunde. Immerhin aber verdient der sächsische Pfaffe alle Anerkennung, da er der ersten einer den Versuch gewagt hat, die Muttersprache auf historischem Gebiete zur Anwendung zu bringen. Für die Geschichte der niederdeutschen Sprache ist der Werth des Werkes ganz unschätzbar, wenn es in der Urschrift erhalten wäre. Wir kennen es aber nur in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts, deren Schreiber die alte Sprache sehr modernisirt hat.

Vgl. die Ausgabe der Reimchronik Eberhards in Monumenta Germ. hist. Deutsche Chroniken, Bd. II, 385–429.

[793] *) Zu Band V S. 563.