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ADB:Eyck, van

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Artikel „Eyck, Hubert, Johannes und Margarethe van“ von Adolphe Siret in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 778–793, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eyck,_van&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 02:19 Uhr UTC)
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Eyck *): Hubert, Johannes und Margarethe van E. Trotz des Dunkels, von dem noch immer alles, was sich auf das Geschlecht van E. bezieht, umhüllt ist, hat man doch gewisse Daten und Thatsachen festgestellt, welche für die Kunstgeschichte als dankenswerthe Wegweiser dienen können. Wenn daher die Biographie der Geschwister van E. sich uns auch noch nicht im festgezeichneten Verlaufe darstellt, so hebt sie sich wenigstens über den Bereich der bloßen Hypothesen durch einzelne ganz klare und bestimmte Thatsachen, so wie durch Wahrscheinlichkeiten und Schlußfolgerungen, zu denen uns das, was unzweifelhaft feststeht, berechtigt.

Der Erläuterung der biographischen Geschichte der van Eycks hat nichts größere Schwierigkeiten bereitet, als die seit ihrem Tode üppig wuchernde Speculation zur Ausbeutung ihrer Werke, denn in der That ward jedes Bild aus dem 15. Jahrhundert, das im van Eyck’schen Stil von ihren Schülern oder Nachahmern gemalt oder auch blos copirt war, dem Publicum als originales Werk dargeboten. Da nun ein solches fast immer entweder das Datum eines oder des anderen Gedenktages trug, oder eine heraldische Angabe oder eine Bezeichnung entweder als ex voto, Geschenk oder Andenken, im seltensten Falle eine originale Namensinschrift, so erwuchs über die Echtheit der Bilder, die der Bewunderung oder dem Geldbeutel des Publicums dargeboten wurden, endloser Zank und Streit. Zur Erhärtung der sich widerstreitenden Behauptungen ist eine ganze Litteratur entstanden, welche die Verwirrung beinahe unlösbar macht, denn der Fanatismus wuchs mit den Streitfragen und die Streitenden haben wissentlich zur Erhärtung ihrer Behauptungen authentische Daten einfach gefälscht. Kurz, es ist kaum glaublich, zu welchen Betrügereien man sich, namentlich in unserem Jahrhundert, erniedrigt hat, um unechte van Eycks zu schaffen! Hier ein selbsterlebtes Beispiel: Ein Liebhaber in Brügge besaß 1862 ein hübsches Bild auf Holz gemalt, die Jungfrau mit dem Kinde darstellend; als Hintergrund ein Garten mit Figuren in den Trachten des 15. Jahrhunderts. Diese Tafel war in Köln bei der Versteigerung Weyer gekauft. Am Saum des Kleides [779] der Jungfrau ließen sich Buchstaben erkennen, die, mit einigen Lücken, den Namen Margarethe van Eyck ergaben. Da man kein Bild von der Hand der Schwester van Eyck’s kannte, besaß diese Tafel in den Augen ihres Eigenthümers einen ungeheuern Werth. Nun war aber dieses selbe Bild 1860 einem bekannten Restaurator Herren Etienne Le Roy in Brüssel anvertraut gewesen und dieser hat auf Ehre die Versicherung gegeben, daß es damals keine Inschrift gehabt habe! – Aller solcher irreleitender Schwierigkeiten ungeachtet, sind dennoch einige unermüdliche und wissenschaftliche Forscher dahin gelangt – wenn auch nicht eine sichere Chronologie für das Leben unserer berühmten Maler aufzustellen, so doch manche Irrthümer zu beseitigen und Licht zu schaffen, das hoffentlich immer heller brennen und mehr Klarheit bringen wird. Auf ihrer Grundlage fortbauend wollen wir uns nun hier weder mit dem Vater noch mit einem dritten Bruder van E., dessen Existenz uns sehr zweifelhaft erscheint, beschäftigen; wir beschränken uns mit van Mander darauf, daß offenbar in dem Geschlechte van E. ein reger Kunstsinn geherrscht habe und daß möglicherweise auch der Vater Maler gewesen sei. Hier sei also nur die Rede von Hubert und Johannes und beiläufig auch von Margarethe, über die uns wenigstens ein erwähnenswerther Ausspruch erhalten ist.

Hubert van E., der älteste der Brüder, soll in Eyck a. d. Maas oder in Maaseyck und zwar nach van Mander’s muthmaßlicher und allgemein angenommener Angabe im J. 1366 geboren sein. Mit Sicherheit nachweisen läßt sich dagegen, daß er am 18. Sept. 1426 in Gent, wo er sich 1420 niedergelassen hatte, gestorben ist. Abt Carton gibt auf ein Document hin, das sich indeß nicht wiedergefunden hat, an, daß Hubert 1422 an dem St. Bavonstag in die Brüderschaft von Notre dame aux rayons aufgenommen sei. In demselben Jahre wurden beide Brüder in die Genter Maler- und Bildhauergilde eingeschrieben. Man hat zwar diese Angabe in Zweifel gezogen, indem das Original des Registers verloren und die Copie erst aus dem J. 1584 ist; jedoch scheint uns kein Grund vorhanden, eine gefälschte Einschreibung anzunehmen. Hubert ward in der Krypte der St. Bavonskirche begraben in der fünften Capelle, gerade unter derjenigen der oberen Kirche, in welcher sich die „Anbetung des Lammes“ befindet. Man nimmt an, eben dort sei auch Margarethe van E. begraben. Der Dichter Marc van Vaernewyck erklärt Huberts Grab dort gesehen und die flämische Grabschrift von einer ehernen Platte, welche ein in weißem Stein gehauenes Skelett hielt, selbst abgeschrieben zu haben. Sie lautet:

Spiegelt u aen my, die op my treden,
Jck was als ghy, nu ben beneden,
Begraven doot. Alst is aen schyne,
My en halp raet, const nog medecyne,
Const, heer, wysheit, macht, ryckheyt groot.
Is onghespaert, als comt die doot.
Hubrecht van Eyck was ick genaemt,
Nu spyse der wormen, voormaels befaemt
In schilderye seer hooghe geëert:
Cort na was yet in niete verkeert.
In’t jaer des heeren, des zyt ghewes,
Duysent, vier hondert, twintich en ses.
In de maent september achtien daghen viel
Dat ick met pynen Godt gaf myn siel.
Bidt God voor my, die const minnen,
Dat ick zyn aensicht moet ghewinnen,
En vliet soude, keert u ten besten,
Want ghy my volgen moet ten lesten.

[780] Van Vaernewyck erzählt ferner, daß er auf dem Friedhofe der St. Johannes- (St. Bavons-) Kirche den an einem eisernen Ringe befestigten Armknochen Huberts van E. gesehen habe. 1420 gründete Josse Vyd, Herr von Pamele, vermählt mit Isabelle Borluut, eine Capelle in der St. Bavonskirche. Um dieselbe würdig auszuschmücken, beauftragte er Hubert, das berühmte Altarbild „Die Anbetung des Lammes“ zu malen, woran dieser bis zu seinem Tode arbeitete, ohne es jedoch vollenden zu können. Sein Bruder Johannes hat es auf Josse Vyd’s Antrag fertig gemalt. Dies ist alles, was wir über den Hergang wissen, dies aber authentisch aus der Inschrift auf dem Rahmen des Bildes, deren Schlußzeile ergibt, daß es am 6. Mai 1432 aufgestellt ward:

Pictor Hubertus e Eyck, major quo nemo repertus
Incepit: pondus, quod Johannes arte secundus
Frater perfecit, Judoci Vyd prece fretus
VersV seXta MaI Vos CoLLoCat aCta tVerI.

Man hat ohne sichere Belege behauptet, Hubert sei seit 1412 und Margarethe seit 1418 Mitglied der Brüderschaft zu unserer lieben Frauen in Gent gewesen. Archivar de Busscher hat in den Genter Archiven zwei Notizen gefunden, in denen die Rede davon ist, daß der Genter Magistrat im J. 1424 Huberts van E. Atelier besuchte, um eine Arbeit, die er ausführte, zu besichtigen. Man darf wol annehmen, daß diese Arbeit auf officielle Bestellung ausgeführt wurde und daß auf eben sie auch folgende kurze Bemerkung in den Genter Stadtrechnungen von 1424 sich bezieht: „Ghegheven meester Huberecht over syn moyte van 1) bewerpen van eenre taeffele die hy maecte ter bevelene van scepenen, VI s. gr.“ (6 Schill. Groschen) etc.

Nur erwähnen wollen wir noch Wornum’s kaum ernst zu nehmende Muthmaßung, Hubert möchte kein rechter Bruder des Johannes sein, sondern aus einer früheren Ehe des Vaters stammen (The epochs of painting etc. by R. N. Wornum, London 1864).

Der Zeitpunkt, zu welchem die van Eycks nach Brüssel kamen und sich später in Gent niederließen, läßt sich nicht genau bestimmen. Nur die Daten der Rechnungen können einen Anhaltepunkt geben, um ihren Aufenthalt bald in Gent, bald anderswo zu bestimmen. Sicher ist indeß, daß, nachdem Hubert und Margarethe in Gent gestorben waren, Johannes sich in Brügge niederließ, nachdem die Familie früher, wahrscheinlich um 1420, diese Stadt verlassen hatte, indem um diese Zeit die Brüder in das Zunftbuch der Genter Maler eingeschrieben sind. Einer solchen Einschreibung bedurfte es zum Betrieb irgend einer Kunst in der Gemeinde.

Es ist von Hubert kein einziges authentisches Bild bekannt; abgesehen von dem oberen Theil der „Anbetung des Lammes“, von dem weiterhin die Rede sein wird. Zugeschrieben zwar sind ihm eine Menge Bilder, bis jetzt aber ohne Beglaubigung. Hubert und Johannes arbeiteten meistens in Gemeinschaft und man glaubt den Antheil Huberts in den am sorgfältigsten und besten behandelten Partien zu erkennen, indem man dem älteren Bruder ein größeres Talent beimißt als dem jüngeren, und es wäre dem auch so, falls die dem Hubert zugeschriebenen Arbeiten auch wirklich von ihm sind. Man nimmt gewöhnlich an, daß Hubert diejenigen Compositionen ersann und anordnete, welche überwiegend einen christlichen, allegorischen und symbolischen Sinn haben, wenigstens fehlt dieser Charakter nach seinem Tode den Bildern des Johannes, in welchen sich ein mehr irdisches Gefühl offenbart. Dieser Umstand erlaubt uns bis zu einem gewissen Grade zu bestimmen, welcher Antheil dem älteren der Brüder zukommt. Es ist demnach angezeigt, den Bildern gegenüber, die manche Gallerien unbedenklich für Huberts Werke ausgeben, sich sehr skeptisch zu verhalten und für jetzt [781] nur die weiter unten bezeichneten Theile der „Anbetung des Lammes“ als unzweifelhaftes Werk seiner Hand anzusehen.

Die Frage, ob die Erfindung der Oelmalerei den Brüdern van E. zukommt, läßt sich nicht ganz positiv beantworten. Durch Communalrechnungen für Kirchen, Gemeinden etc. ist unumstößlich erwiesen, daß die Oelmalerei vor den Brüdern van E. bestand und daß sie auf Wappenschildern, Bannern, Statuen, ja selbst auf Holzgetäfel mit Figurenwerk angewendet wurde, was sich offenbar, wo es sich nicht um Reliefdarstellungen handelt, auf Tafelbilder bezieht. Indeß ist es unzweifelhaft, daß die van Eycks Verbesserungen einführten, die ihre Kunst so auffallend und so glänzend umgestalteten, daß sie die Kunstwelt Europa’s förmlich blendeten und in Italien solche Bewegung hervorriefen, daß es sich nach einiger Zeit das neue Verfahren aneignete. Man weiß mit Bestimmtheit, daß die Brüder v. E. unterrichtete und in verschiedenen Wissenschaften bewanderte Männer waren.

Wahrscheinlich vom Gesichtspunkte der Malerei aus haben sie sich auch mit Chemie befaßt und so wird ihnen der Gedanke gekommen sein, ihre Farben mit einem für Glanz und Geschmeidigkeit empfänglicheren Mittel zu binden. Man hat behauptet, daß die Ehre dieser Erfindung oder, um genauer zu reden, dieser Verbesserung eher dem Johannes als dem Hubert zukäme. Es ist möglich; jedoch war dieser um 15–20 Jahre älter und also um so viel erfahrener. Dies ist indessen eine unwichtige Nebenfrage und die Geschichte begnügt sich, beiden Brüdern ohne Unterschied den geschickten und einsichtsvollen Gebrauch eines Verfahrens zuzuschreiben, das der Kunst die glänzendsten und herrlichsten Aussichten eröffnete.

Das Charakteristische in Huberts Talent, so wie es sich uns in der „Anbetung des Lammes“ offenbart, läßt sich leicht bestimmen. Im ganzen ist der Einfluß der Zeit erkennbar: die byzantinische Kunst und die Traditionen der rheinischen Schule, beherrscht aber von der unverkennbaren Persönlichkeit des Künstlers, in welcher sein Genie wesentlich wurzelt. Eine gewisse, mit Majestät gepaarte sculpturartige Steifheit charakterisirt seine Figuren, aus deren Augen und ganzem Ausdruck ein solches Feuer und eine so durchdringende Ueberzeugung hervorleuchtet, daß der Beschauer sich ergriffen und erschüttert fühlt. Dieser Empfindung hat seit mehr als vier Jahrhunderten Niemand widerstanden und kein anderer gleichzeitiger Maler hat vermocht, einen ähnlichen Eindruck von solcher Macht und Beharrlichkeit hervorzurufen. Hierin müssen wir Huberts wahre Größe und den eigentlichen Werth seines Talentes suchen; alles andere kann wol Staunen erregen, aber jener Geist ist es, der alles leibliche seiner Kunst überstrahlt. Aus seinem Glauben, aus der Ekstase seiner Gedanken, aus der Tiefe seines Idealismus, schöpft er die bewundernswerthen Typen, die er uns hinterlassen hat, sowie den erhabenen und alles adelnden Sinn, der seine ganze Composition charakterisirt. Wir müssen auf diesem seinem Idealismus bestehen, den einige moderne Schriftsteller bestritten haben, indem diese sich darauf stützen, daß die anatomischen Theile seines Werkes einen realistischen Sinn offenbaren, ganz besonders hervortretend im Adam und in der Eva der „Anbetung“. Selbst zugegeben, daß diese beiden Figuren von ihm sind, was nicht erwiesen ist, würden wir unsererseits nur einen Beweis mehr für die Kenntnisse des Künstlers, keineswegs aber realistische Neigungen darin erblicken, welchen sein Werk bei aufmerksamer Betrachtung widerspricht. Als Colorist ist er einer der vorzüglichsten seiner Zeit; er übertrifft die Italiener und hat sich das von ihm erfundene Verfahren in herrlichster Weise zu Nutze gemacht. Es ist ohne Zweifel der Erfolg dieses selben Verfahrens, das ihn veranlaßte, seine Figuren mit einer blendenden Masse von Edelsteinen, Kostbarkeiten und Einzelheiten von unerhörtem Reichthum [782] zu bedecken, das Ganze mit einem Verständniß, einer Sicherheit, einer Kenntniß und einem Geschmack behandelt, die immer wieder von neuem das höchste Staunen und die größte Begeisterung hervorrufen werden. Die Zeichnung steht bei Hubert dem Uebrigen nicht nach. Man muß die Breite, die Reinheit, die Kraft, die Feinheit und den Ausdruck bewundern, namentlich in den Gesichtern und Händen der Figuren, welche den Raum oberhalb der Anbetung einnehmen. Hier scheint er sich dem rheinischen Einfluß zu entziehen, ein Einfluß, der in dem von Johannes stammenden Theil des Bildes unverkennbar ist. Es ist unmöglich, auch nur zu muthmaßen, wie Huberts Studien geleitet wurden oder bei wem er gearbeitet hat. Die wunderbare Schönheit und der Adel seiner Typen, sowie seine Manier erinnern an keinen Meister und an keine Schule, es sei denn in einigen Kleinigkeiten an die byzantinische, die er, wie es scheint, mit dem vorausgefaßten Gedanken studirt hat, von ihr nur einzelnes zu entlehnen. Uns will es unmöglich bedünken, daß Hubert nicht sollte gereist haben; denn schon aus diesem einen seiner Werke tritt uns eine so mächtige und außergewöhnliche Breite, Erfahrung und Kunst der Gruppirung entgegen, daß es uns wie eine Zusammenfassung aller malerischen Schönheit der Epoche, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien erscheint. Die Nachbarschaft Lüttichs, wohin er hätte gehen und lernen können, genügt nicht, um die Entwicklung eines so vollendeten Talentes zu erklären, das sich vielmehr unter Verhältnissen ausgebildet haben muß, die bis heute ein Geheimniß blieben, welches hoffentlich auch einmal enthüllt werden wird.

In der Trinitätsgallerie zu Madrid befindet sich ein herrliches Bild: „Fons vitae“ genannt, welches in verschiedenen Theilen sowol wie in der Conception an das Altarbild in Gent erinnert. Man hat es, jedoch unerwiesener Maßen, Hubert allein zugeschrieben. Unzweifelhaft ist nur, daß es von einem der Brüder, vielleicht von beiden stammt. Erinnert sei hier endlich noch an das in dem Inventar über Erzherzog Ernsts Nachlaß 1595 aufgeführte Bild: „St. Maria und das Jesuskind; neben ihnen befinden sich ein Engel und St. Bernhard von Rupert (Hubert) van E.“

Vom Genter Altarbild gibt es zahlreiche Nachbildungen aller Arten. Die, künstlerisch betrachtet, brauchbarste ist die, welche Ernst Förster auf neun Blättern in seinen „Denkmalen der deutschen Baukunst, Bildnerei und Malerei“ (Bd. I–IX., Leipz. 1855–65) gegeben hat. Daselbst findet sich auch ein vorzüglicher Stich der „Fons vitae“ und mit Interesse wird der Leser den zwei Förster’schen Abhandlungen über diese unvergleichlichen Kunstwerke folgen.

Van Vaernewyck und später van Mander haben behauptet, daß zwei Figuren auf dem Genter Altarbild die beiden Brüder darstellen sollen, und auf diese Behauptung hin sind die beiden Porträts durch die ganze Welt und in jeder Art von Nachbildung verbreitet worden. Auf dem Madrider Bild finden sie sich mehr oder minder genau wieder, und da kein Gegenbeweis vorliegt, mag van Vaernewyck’s Behauptung als richtig angenommen werden.

Wir können mit Hubert nicht abschließen ohne noch einer Ansicht zu gedenken, die sich bei einzelnen Schriftstellern, namentlich bei einem der Glossatoren von Crowe und Cavalcaselle geltend gemacht hat: die Ueberlegenheit Huberts dem jüngeren Bruder gegenüber sei nicht genügend erwiesen. Aus dem Schweigen, das die Verfasser, welche über den jüngeren Bruder geschrieben haben, über den älteren beobachten, folgern sie, daß die Begabung Huberts nichts weniger als erwiesen sei. Hiervon ausgehend möchten sie zu Johannes’ Gunsten Hubert gewissermaßen in nichts verflüchtigen. Dawider müssen wir uns verwahren. Daß die bekannten Schriftsteller und die aufgefundenen Documente bis jetzt Huberts nicht rühmend erwähnen, ist eine kleinkrämerliche Wahrheit, die sich in mehr als [783] einer Weise erklären ließe, und wäre es nur aus dem Umstand, daß man erst um 1432, als die „Anbetung des Lammes“ erschien – also sechs Jahre nach Huberts Tod – von dem Ruhm der Brüder zu reden begann. Es ist sehr möglich, daß kein großartiges Werk der beiden Brüder oder des einen von ihnen dem Publicum vor jenem Altarbild zugänglich gewesen ist. Wir erinnern aber daran, daß ja die flämische Grabschrift auf Huberts Grab in unwiderleglicher Weise seinen Ruhm als Maler bekundet: „Voormaels befaemt in schilderye seer hooghe geëert“. Auch darf nicht vergessen werden, daß die öffentliche und hohe Stellung, die Johannes am Hofe des Herzogs von Burgund bekleidete, einen bedeutenden Einfluß auf die Popularität seines Namens ausgeübt hat. Die Inschrift der „Anbetung des Lammes“ läßt ferner mit Grund darauf schließen, daß das Werk bei Hubert bestellt ward; schon danach muß dieser ein hervorragender Maler gewesen sein, um mit einer so großen und schwierigen, so kostspieligen und ehrenvollen Aufgabe betraut zu werden. Josse Vyd würde sich nicht an einen Künstler zweiten Ranges gewendet haben, wie es damals deren in Gent gab. Sollte er die Bestellung bei beiden Brüdern gemacht haben? Das ist nicht wahrscheinlich, denn in dem Falle würde die Inschrift nicht besagen, es sei auf Josse Vyd’s Bitte geschehen, daß Johannes die Arbeit fortführte. Sie muß also bei Hubert bestellt sein und wir wiederholen es, er muß berühmt gewesen sein, um dies zu rechtfertigen. Wir wollen uns bei dem in der Inschrift enthaltenen Lob nicht aufhalten, da es nur der Ausdruck übertriebener brüderlicher Liebe sein könnte, doch würde uns freilich das „major quo nemo repertus“ sehr verwegen scheinen, falls es nicht wahr wäre. Ganz anders aber verhält es sich mit der flämischen Grabschrift, die allein genügen würde, um die Frage zu entscheiden. Van Vaernewyck erzählt ferner, wie schon erwähnt, daß er auf dem St. Johanniskirchhof Huberts rechten Arm gesehen habe, der in einer eisernen Scheide dem Publicum gezeigt wurde. Würde man so mit einem gewöhnlichen Sterblichen verfahren sein? – Daß man den Arm, mit dem der Künstler so große Werke schuf, in solcher Weise der Verehrung der Nachwelt aufbewahren wollte, ist doch wol der glänzendste Beweis für die hohe Verehrung, die er bei Lebzeiten genoß. Denn erst ein volles Jahrhundert nach seinem Tode kann van Vaernewyck diesen Arm gesehen haben, der also so lange in den Augen des Volkes den Zauber bewahrt hatte, der sich daran knüpfte. – Auch der Besuch des Genter Magistrats 1424 in Huberts Werkstatt, um eine Arbeit zu inspiciren, zeugt zu Gunsten seines künstlerischen Ansehens, wenigstens deshalb, weil er auf eine öffentliche Bestellung von Wichtigkeit deutet und die Rechnung von 1424 bezeugt uns eine solche Bestellung. Das kräftigste Argument zu Hubertes Gunsten bleibt immer die Prüfung der „Anbetung des Lammes“ selbst. Die Vergleichung der verschiedenen Theile des Werkes zeigt in der That die Grenzscheide, welche das Genie der beiden Brüder trennt, vorausgesetzt, daß man mit der Technik der Kunst genugsam vertraut ist und daß man sich, soweit dies möglich ist, das Genie der beiden Künstler seinem innersten Wesen und seiner Art nach durch geduldige Analyse des Werkes zu eigen macht und nicht vergißt in Rechnung zu bringen, was schwerer wiegt als man denkt, nämlich wie viel 450 Jahre an dem Werke verdorben haben.

Johannes van E. ist vermuthlich ebenfalls in Maaseyck geboren nach 1381 und starb 1440. Er ward seines Bruders Schüler. Cyriacus von Ancona ist der erste Schriftsteller, der seines Namens erwähnt bei Gelegenheit eines am 8. Juli 1449 bei Lionel van Este, Markgrafen von Ferrara, gesehenen Bildes. Dieses mit Flügelthüren versehene Gemälde war eine Kreuzesabnahme, gemalt von Roger von Brügge (van der Weyden). Cyriacus schreibt: „Nach dem berühmten brüggeschen Maler Johannes, der Zierde der Malkunst, kann Roger [784] in Brüssel als ein hervorragender Maler unseres Zeitalters angesehen werden.“ Bartholomäus Facius, welcher sein Buch „De viris illustribus“ 1454 schrieb (gedruckt erst 1745), sagt: „Johannes wird als der Fürst der Maler unseres Jahrhunderts angesehen, er ist nicht unbewandert in der Litteratur, aber gelehrter noch in der Geometrie, sowie in den Künsten, die zur Hebung der Malerei beitragen. Das hat ihn, wie man glaubt (putatur), was die Natur der Farben betrifft, auf die Entdeckung vieler Dinge geführt, die ihm beim Lesen des Plinius und anderer Schriftsteller aufgegangen waren.“ (Nach Alex. Pinchart’s Uebersetzung der Stelle in seinen Erläuterungen zu Crowe und Cavalcaselle’s Werk: Ueber die alten flämischen Maler, 1862.)

Auch Raphael’s Vater, Giovanni Santi, erwähnt in der gereimten Chronik der Herzöge von Urbino (geschrieben um 1485) Johannes’ und Roger’s „welche sich in der Malkunst so auszeichneten, daß sie oft die Wirklichkeit hinter sich zurückließen“. Wir beschränken uns auf diese Zeugnisse dreier, mit unserem Künstler fast gleichzeitiger Schriftsteller, um zu zeigen, welchen Ruhm er sogar in Italien besaß, das doch zu dieser Zeit so fruchtbar an eigenen großen Malern war. – 1425 erhielt er beim Herzog von Burgund eine Anstellung als Kammerdiener und Maler, nachdem er schon in denselben Eigenschaften bei Herzog Johann von Baiern gewesen war, welcher in Holland residirte. Dieser letzte Umstand erlaubt die Annahme, daß J. van E. einige Zeit unter holländischen Malern gearbeitet hat, bei denen die Traditionen seiner Meisterschaft Wurzel faßten. So wenigstens, indem man sie mit dem Maaseyck’schen Maler vergleicht, würden sich gewisse Aehnlichkeiten in der Richtung und in der Manier erklären, welche die altdeutsche Kunst dieses Landes charakterisirt. 1426–28 muß er in Lille gelebt haben, wo sich in den Archiven die Hausmiethe-Rechnungen aufbewahrt finden. 1426 betraute ihn der Herzog mit zwei geheimen Missionen und bewilligte ihm im Jahre darauf ein Gnadengeschenk. 1428 nahm unser Künstler Theil an der Gesandtschaft, welche bei König Johann I. von Portugal um die Hand seiner Tochter für den Herzog anhalten sollte. Im Januar 1429 malte Johann in Avitz das Bild der Infantin Isabelle, welches unverzüglich dem Herzog von Burgund übersandt wurde. Am 25. Decbr. 1429 kehrte die Gesandtschaft nach Sluis zurück. 1431 ward Johannes zu unbekannt gebliebenen Arbeiten vom Herzog nach Hesdin berufen. 1435 muß er sich wegen der Nichtauszahlung seines Gehaltes bei dem Herzoge beklagt haben, denn es findet sich von diesem ein Handschreiben an seinen Hofchef, worin er ihm seine Unpünktlichkeit verweist. 1432 kaufte Johannes ein Haus in Brügge. Vom 24. Juni 1432 bis 24. Juni 1440 bezahlte er eine auf dieses Haus hypothecirte Rente. 1432 besuchte der Herzog das Atelier seines Malers, um die „Anbetung des Lammes“ zu sehen, welche im Mai an ihren Platz gebracht wurde, und um dieselbe Zeit machte auch der Magistrat von Brügge einen Besuch in seiner Werkstatt. 1432 oder 33 hat sich Johannes verheirathet und 1434 schenkte ihm Philipp der Gute sechs „tasses d’argent“ anläßlich einer Kindtaufe. Ob Sohn oder Tochter, weiß man nicht; doch machte der Herzog 1449 einer Tochter des Johannes, Namens Liévine, ein Geldgeschenk, um ihr die Einschreibung als Nonne im Maaseycker Kloster zu ermöglichen. 1436 hat Johannes Bezahlung erhalten für große, im Namen des Herzogs unternommene Reisen; ihr Ziel ist unbekannt geblieben, doch müssen sie von Wichtigkeit gewesen sein, da ihm 720 Livres à 40 flandr. Gr. gezahlt wurden. In demselben Jahre machte ihm der Herzog ein neues Geschenk von sechs „tasses d’argent“. Zum letzten Mal wird 1439 in einer unwichtigen herzoglichen Rechnung J. van E. genannt, doch ohne die Bezeichnung eines Kammerdieners und Malers des Herzogs. Der 9. Juli 1440 ist Johannes van E. Todestag. Er ward in dem äußeren Umkreis von St. [785] Donatius begraben, jedoch 1442 wieder ausgegraben und neben das Taufbecken gestellt, wo er bis zu dem Tage geruht hat, an dem rasende Revolutionärs, auf jeden menschlichen Ruhm neidisch, den seinigen zu ersticken meinten, indem sie seine Asche in alle vier Winde streuten. –

Johannes hat – dies scheint unzweifelhaft – unter rheinischem Einfluß gestanden. Die Mehrzahl seiner Gestalten sind steif, die Figuren haben meistens gezwungene Stellungen, der Oberkörper ist verdreht, die Gesichter der Frauen sind voll und fett, der Ausdruck ist niemals begeistert; er ist schon menschlich-natürlich, aber doch noch nicht realistisch, wie behauptet worden ist, wohlverstanden sofern Realismus gleichbedeutend ist mit Uebertreibung des Naturalismus.

Johannes’ Ideen fehlt die Erhabenheit und der philosophische Schwung seines Bruders; es fehlt ihm nicht minder dessen feine Beobachtungsgabe, als seine tiefe Ueberzeugungstreue. Man erkennt das nämliche Verfahren, aber der geistige Hauch fehlt. Der Faltenwurf seiner Stoffe ist steif und monoton und auch auf diesem Gebiete steht Hubert ungleich höher; denn er besaß die Poesie der Linien und hatte einen angeborenen Geschmack für die Schönheit des Faltenwurfs. Johannes besitzt hiervon nichts, und daß sein doch schon so wundervolles Talent nur ein verblaßter Abglanz von dem seines Bruders ist, läßt aufs neue ermessen, wie außerordentlich dieses gewesen sein muß. Johannes ist ein bewundernswürdiger Colorist, namentlich in den Mittelfarben seiner Porträts, wo man vergeblich seines Gleichen sucht. Hubert hatte einen schwereren Pinselstrich, während Johannes die Einzelheiten mit ausnehmender Zartheit behandelt. Die Augen seiner Gestalten sind voll Leben und Glanz; sie schauen, aber sie denken nicht! In der Ausführung der Gesichtsfalten und vorkommenden Zufälligkeiten erkennt man den gewiegten Physiognomisten. Er kennt, und zwar wissenschaftlich, den Knochenbau des Kopfes; er idealisirt nirgends; im Gegentheil! alles wird prosaisch. Mit einem Wort: er gibt den äußeren Ausdruck, aber nicht die innere Empfindung. Sehr selten kommt es vor, daß seine Frauenbilder uns anziehen und fesseln, wie fast alle Memling’schen es thun. Seine „Jungfrauen“ sind im allgemeinen schwer und massig; man hat sie mit Unbedacht „flämische“ Jungfrauen genannt, denn Hubert und Memling haben bewiesen, daß die flämischen Jungfrauen sowol Größe wie Idealität in ihrer Erscheinung haben können. Was auf diesem Gebiete fehlt, ersetzt Johannes durch seine knappe, leichte und ausdrucksvolle Zeichnung und namentlich durch die unleugbare Schönheit seines Colorits, dessen Durchsichtigkeit, Haltbarkeit und Dauerhaftigkeit nie übertroffen ist. Hubert ist es, dem Johannes Anregung und Richtung verdankt, und wir verehren diese beiden großen Maler als die Leuchten unserer Schule, der eine auf dem Wege des Spiritualismus, der andere auf dem des Naturalismus, und noch heute nach fünftehalb Jahrhunderten leuchten sie als Führer voran.

Specialforschungen haben ergeben, daß J. van E. sich auch mit Glasmalerei beschäftigte und daß diese Kunst ihm große Fortschritte dankt; auch hat er Zeichnungen zu Stickereien und haute lisse-Tapeten gemacht. Seine Devise, die ebensoviel Vertrauen wie Bescheidenheit ausspricht und die stets hinter seinem Talent zurückblieb, lautet: „Als ick kan.“ Alle Nationen Europa’s haben es sich angelegen sein lassen, Werke von J. van E. zu besitzen, und es ist zu verwundern, wie viele – und wir reden selbstverständlich nur von authentischen – zusammen gekommen sind. Nachdem ausgesondert ist, was Betrügerei, Speculation und Unwissenheit für originale Werke ausgegeben haben, bleibt ein prächtiges Contingent übrig, das wir hier vorführen werden, indem wir die Bemerkung [786] vorausschicken, daß in der Bezeichnung die Namen beider Brüder sehr oft vermischt sein werden.

In Deutschland besitzt das Berliner Museum sechs Originaltafeln der „Anbetung des Lammes“. In Gent sind nur die Copien, welche auf Philipps II. Befehl 1559 von Michael Coxcyen ausgeführt wurden. Diese Tafeln, die wir näher besprechen werden, sind: 1) Die Richter. 2) Die Streiter Christi. 3) Die heiligen Einsiedler. 4) Die frommen Pilger. 5) Die singenden Engel. 6) Die musicirenden Engel. Auf der Rückseite dieser Tafeln befinden sich: 1) Der Donator Josse Vyd. 2) Johannes der Täufer. 3) Johannes Evangelist. 4) Die Gattin des Donators: Elisabeth (Isabelle) Borluut. 5) Der Engel Gabriel. 6) Eine knieende Maria. – Dasselbe Museum besitzt einen Christuskopf, bezeichnet und datirt von 1438. In wieweit Hubert an den sechs Tafeln Antheil hat, ist schwer zu entscheiden. Zu vermuthen wäre seine Hand nur in einigen Figuren, deren Ausdruck charakteristischer und deren Art und Kunst erhabener ist. Was die Gewandungen betrifft, so erkennt man offenbar die Art und Weise des Johannes. – Der Christuskopf ist nicht einmal eine seiner besten Arbeiten.

In Danzig befindet sich eines seiner Meisterwerke: „Das jüngste Gericht“, bei welchem wir uns zunächst aufhalten wollen. Die Geschichte dieses Bildes ist folgende: 1473 war es in dem Besitz des Johannes Portinari, Karls des Kühnen Rath. Im Laufe dieses Jahres schickte er „das jüngste Gericht“ nach England; das Schiff aber ward von einem Danziger Capitän – Danzig war eben im Krieg mit Holland – gekapert. Das nach Danzig entführte Bild ward dort sogleich auf den St. Georgaltar der Kirche gebracht, in der es sich noch befindet. Kaiser Rudolf II. bot vergebens 4000 Goldgülden dafür; auch Peter der Große machte Anträge, die nicht angenommen wurden. Dennoch kam ein Tag, wo man nahe daran war, das Kunstwerk zu verlieren: Napoleon ließ es 1807 nach Paris bringen; 1815 aber ward es Deutschland zurückgegeben. Berlin wünschte es für sich zu gewinnen und machte ein glänzendes Gebot, das vom Danziger Gemeinderath abgewiesen ward, und so erhob es sich 1816, nachdem es mit der pünktlichsten Gewissenhaftigkeit von einem Maler Namens Bock restaurirt war, wieder über dem St. Georgsaltar. Dieses Danziger „Jüngste Gericht“ erinnert sehr an dasjenige zu Beaune, von dem weiterhin die Rede sein wird. Man findet in beiden zahlreiche, ganz ähnliche Motive, die annehmen lassen, daß beide Bilder in demselben Atelier gemalt seien; gewissermaßen sieht es aus, als wäre das Beauner nur die Vorarbeit zu dem Danziger Bilde. Allgemein wird zugegeben, daß dieser Altarschrein nicht minder Bewunderung erregt, wie der Genter, mit dem er wegen der Schönheit seiner Typen auch oft verglichen worden ist. Man möchte annehmen, daß Huberts Hand dem Werke nicht ganz fremd sei, doch geben wir diese Hypothese nur mit Vorbehalt. Jedenfalls hat sich Johannes, falls es sein Werk ist, in vielen Stücken die Arbeiten seines Bruders zum Muster genommen. Auf dem „Jüngsten Gericht“ sehen wir auf dem Mittelstück: Christus auf einem Regenbogen thronend; zu seiner Linken leuchtet ein Schwert, zu seiner Rechten eine Lilie. Den Hintergrund bilden die zwölf Apostel, und links die Jungfrau, rechts Johannes der Täufer. Unter dem Heiland sind drei posaunenblasende Engel angebracht. Der untere Theil des Bildes stellt die allgemeine Auferstehung dar, inmitten deren der heil. Michael, eine Wage haltend, erscheint. Das rechte Feld stellt den Eingang zum Paradiese vor, das linke die Hölle. Die Flügel zeigen an der Außenseite die Jungfrau mit dem Jesuskinde und den knieenden Donator. Auf dem linken Flügel der heil. Michael, zwei Teufel zu Boden schlagend, darunter knieend die Frau des Donators. Auf der ersten Treppenstufe des Paradieses [787] liest man die (besser anderswo angebrachte) Inschrift: Restaurirt den 29. Juli 1718. Christoph Kray.

In Wien befindet sich in der Belvedere-Gallerie eine „Jungfrau mit dem Jesuskinde“ in einer Art gothischen Bogens; oben rechts und links zwei kleine Figuren, Adam und Eva vorstellend und an das Genter Altarbild erinnernd. Das Antlitz der Jungfrau ist voll und fleischig, das Kind in der Zeichnung nicht gelungen; die Gewandung der Jungfrau dagegen ist bewundernswerth. Dies Bild gilt für unecht, was Ernst Förster indeß nicht zugeben will; er hebt es im Gegentheil sehr hervor und gibt einen vorzüglichen Stich davon.

In der Dresdener Gallerie sieht man ebenfalls eine „Jungfrau mit dem Kinde“ in einer gothischen Capelle; auf den Flügeln St. Katharine und St. Michael. Auch hier vermuthet man Huberts Mitarbeit.

Die Münchener Pinakothek besitzt nur einen, nach dem des Berliner Museums copirten „Christuskopf“. Es ist eine alte Copie, doch ob von Johannes selbst? Die übrigen ihm zugeschriebenen Bilder der Pinakothek sind nicht von ihm, dagegen wahrscheinlich von Roger van der Weyden.

In Frankfurt a. M. finden wir die „Madonna von Lucca“, aus der Gallerie Wilhelms II. von Holland stammend.

In England besitzt die Nationalgallerie das kostbare Bild: „Die Vermählung des Arnolphini“ mit Jeanne de Chenany. Es trägt das Datum 1434 und die wenig verständliche Inschrift: Johannes de Eyck fuit hic 1434. Die Erklärung des Gegenstandes verdanken wir James Weale’s Scharfsinn. De Laborde hatte in seinen „Ducs de Bourgogne“ von diesem Bilde eine ungenaue, ja lächerliche Beschreibung gegeben, obendrein mit seiner Auslegung das Andenken van Eyck’s befleckt. Er betitelt das Bild nämlich „Die Legitimation“ und vermuthet, der Maler habe sich selbst darstellen wollen, indem er der Welt und derjenigen gegenüber, die er zu seiner Ehegattin macht, ein unerlaubtes Verhältniß gesetzlich ordne. Dieselbe Gallerie enthält ein mit einem Turban geschmücktes männliches Portrait mit der Inschrift: „Als ick kan. Johes de Eyck me fecit ano MCCCC33 21 Octobris“, sowie ein anderes männliches Portrait, dessen Echtheit nicht allgemein anerkannt wird. Die Inschrift dieses Bildes, deren erstes Wort in griechischen Buchstaben ist, lautet: „Thimotheus leal sovenir. Actum anno dni 1432 10 die Octobris a ioh de Eych.“

In Inceblundel-Hall war 1865 „Eine Jungfrau unter einem Thronhimmel sitzend und das Christkind haltend“, mit der Inschrift: „Als ick kan. Completum ano domini MCCCCXXXII per Johannem de Eyck Brugis.“

In Burleigh-House war ebenfalls 1865 „Eine stehende Jungfrau in einer gothischen Kirche“, mit dem Jesuskinde, das einen knieenden Mönch segnet. Man schreibt dieses wundervolle kleine Bild beiden Brüdern van E. zu.

Andere in England befindliche van Eycks übergehen wir mit Stillschweigen, da über deren Echtheit Zweifel herrschen, welche vielleicht zu heben wir der Zukunft überlassen müssen. Ebenso zurückhaltend müssen wir in Betreff anderer Compositionen sein, die sich in Europa hie und da verstreut finden, und uns nur auf dasjenige beschränken, was als echt anerkannt ist.

In Oesterreich besitzt die Belvedere-Gallerie das Portrait des Jean de Leeuw, datirt von 1436 und mit einer flämischen Inschrift versehen. Dieselbe Gallerie bewahrt auch das Portrait eines Greises, das, wie behauptet worden ist, Josse Vyd sein soll, der Donator des Genter Altarbildes; wir bezweifeln dies, denn die Figur auf dem Genter Altarbild hat einen ganz kahlen Kopf, während der auf diesem Bilde volle Haare hat. Die Wiener Gesellschaft für vervielfältigende Kunst hat 1873 eine ausgezeichnet schöne Nachbildung davon in Chromolithographie herausgegeben.

[788] Belgien besitzt hervorragende Bilder von beiden Brüdern. Der alphabetischen Ordnung nach mit Antwerpen anfangend, haben wir in der dortigen Gallerie drei zu verzeichnen: 1) „St. Barbara“ mit Unterschrift und Datum 1437. 2) „Eine Mutter Gottes mit dem Jesuskinde“, unterzeichnet und datirt 1439. Dieses Gemälde wurde 1830 dem Pfarrer des Dorfes Dickelvenne in Flandern abgekauft. 3) „Die heil. Jungfrau, St. Georg und St. Donatius.“ Dieses Bild ist beinahe eine Wiederholung desjenigen der Akademie zu Brügge. Beide waren früher in der St. Donatius-Kirche dieser Stadt aufgestellt. Später schmückte dasjenige der Antwerpener Gallerie die Kirche von Watervliet bei Eecloo (Flandern), das in der Gallerie zu Brügge wurde 1436 gemalt. Die Antwerpener Gallerie bewahrt auch noch eine alte Copie des Genter Altarbildes.

Brügge besitzt zwei Werke von Johannes, die „Jungfrau des Domherrn de Pala“ (van der Paele), ein realistisches, wenig angenehmes Bild, in dem es kaum anderes zu bewundern gibt, als die Figur des van der Paele; und das Portrait von Johannes’ van E. Gattin, eine mit unendlicher Zartheit ausgeführte Malerei. Dieses Porträt, welches übrigens die Züge eines wenig angenehmen Gesichtes wiedergibt, hat auf dem Rahmen folgende Inschrift: „Conjux meus Johannes me complevit anno 1439, 17 Junii. Aetas mea triginta trium annorum – als ick kan.“ Wir wollen den Christuskopf, als ein des Johannes wenig würdiges Werk, das man Unrecht gehabt hat, ihm beizulegen, nicht besprechen.

Die Brüsseler Gallerie hat die zwei Originaltafeln mit Adam und Eva von der Verwaltung der St. Bavonskirche in Gent erworben, welche dieselben anstandshalber den Augen des Publicums verbergen zu sollen glaubte. Diese Tafeln sind hinfort gegen jede Veruntreuung geschützt und bieten uns eine kostbare Probe von Huberts Talent, angenommen, woran wir freilich zweifeln, daß sie von ihm sind. Adam und Eva sind in natürlicher Größe. Adam hat ein wildes, fast thierisches Gesicht. Der Knochenbau seines rauhen und langbehaarten Körpers ist stark hervortretend. Eva ist nicht anmuthig. Es ist ein zwar nicht unwahrscheinliches, aber wenig glückliches Modell. Das Colorit ist bewundernswerth kräftig und von großer Wirkung. Die Zeichnung ist mehr gedrängt als correct, hauptsächlich die der Beine. Auf der Rückseite der Tafeln sind Sibyllen gemalt, zu mäßig, um glauben zu können, daß sie von derselben Hand wären, die das Innere rasch hingeworfen hat. Dieser Theil des Werkes ist augenscheinlich von einem Schüler ausgeführt. Auf dem untersten Stück der geschlossenen Flügels bemerkt man auf der einen Seite die Perspective einer städtischen Straße (von Gent?) und auf der andern Geräthschaften; das Ganze mit großem Geschick sowol gezeichnet wie gemalt. Man begreift nur nicht recht, daß der erfinderische Geist der beiden Brüder nichts anderes statt dieser zwei scheinbar so nichtssagenden Motive hätte ersinnen können.

Die Sammlung des namhaften Bilderhändlers Nieuwenhuys bewahrt eine „Jungfrau in einer gothischen Capelle“.

Es ist Gent, welches das Juwel der Brüder van E. in der „Anbetung des Lammes“ in der St. Bavonskirche besitzt. Hierbei möchten wir uns kurz aufhalten. Das Polyptych besteht aus zwölf Haupt- und zwei kleinen, die beiden Flügel überragenden Feldern. Die Composition theilt sich horizontal in zwei Hälften. Der obere Theil hat sieben Felder, das mittlere stellt den segnenden Gott-Vater dar; zur Linken des Beschauers ist die Jungfrau, lesend, zur Rechten Johannes Evangelist, das Gesicht Gott-Vater zugekehrt, die rechte Hand erhoben und auf den Knieen ein Buch. Rechts wie links feiern Engel durch Gesang und Musik den Triumph des Osterlammes. In den äußersten Ecken des oberen Theiles sind Adam und Eva angebracht; ihnen zu Häupten zwei kleine Darstellungen [789] über Adam das Opfer Abels, über Eva der Brudermord Kains. Das große, das Geheimniß des Lammes darstellende Feld füllt die Mitte des unteren Theiles aus. Die Seitenfelder enthalten: die Richter, die Pilger, die Märtyrer, die Eremiten. Das Polyptych zeigt, wenn geschlossen, Darstellungen, welche kaum weniger schön gemalt sind als das Uebrige. Es sind: die Heimsuchung, Johannes der Täufer, Johannes Evangelist, die cumäische Sibylle, die erythräische Sibylle, der Prophet Zacharias, der Prophet Micha, Josse Vyd und Isabella Borluut. Die Composition des Mittelfeldes ist allegorisch, ihr Inhalt der Offenbarung Johannis Cap. XIV entnommen. Das Lamm Gottes in der Mitte, um dasselbe in Gruppen die 140000 Stimmen, von denen die Apokalypse redet. Unvergleichlich schön ist die Ausführung dieses Theiles, wo die Empfindung, der Ausdruck, die Technik den Beschauer fesseln und blenden. Nur vor diesem Kunstwerk wird man den vollen Werth der van Eycks erkennen und vergebens in unserem, auf seine Fortschritte so stolzen Zeitalter, Aehnliches suchen. Es hat nichts diesem wunderbaren Altarbild an die Seite zu stellen, das die Generationen von 450 Jahren vor sich dahinschwinden sah und immer noch dasselbe Leben und Gefühl athmet.

Wir geben hier einen kurzen Ueberblick der äußeren Schicksale dieses berühmten Bildes: 1420 wird es wahrscheinlich von Josse Vyd bestellt, 1432 aufgestellt und (schon!) 1530 von Lancelot Blondeel und Joh. Schoreel restaurirt, 1559 copirt es Michel Coxcyen für Philipp II., der das Original nicht hatte erlangen können; 1566 bringen es die Domherren aus Furcht vor den Bilderstürmern nach der neuen Citadelle und wahrscheinlich 1567 wird es wieder zurückgebracht; 1578 lassen es die Calvinisten herunternehmen und in das Rathhaus bringen, in der Absicht, es der Königin von England zu geben, doch macht der Herr van Lovendeghem Josse Triest seine Rechte auf das Werk geltend und gewinnt den Proceß; es verbleibt jedoch bis 1584 im Rathhause, in welchem Jahr es wieder an seinen Platz kommt; 1641 wird das Bild bei einem Brand des Kirchendachs in Sicherheit gebracht; 1663 wird es von dem Maler Anton van den Heuvele gereinigt; 1781 läßt die Kirchenverwaltung die Adam und Eva darstellenden Felder wegbringen; 1784 entführen die französischen Commissare die Mittelfelder, die übrigen bleiben in Gent verborgen; 1799 werden die entführten Felder in Paris in der Gallerie des Louvre aufgestellt; 1815 kommen sie ins Land zurück und 1816 wieder an ihren Platz, jedoch ohne diejenigen Tafeln, die man 1784 versteckt hatte; 1816 werden die nicht zurückgebrachten Flügel für 3000 Gulden an Herrn Nieuwenhuys verkauft, der sie Herrn Solly für 100000 Francs überläßt, dem wieder der König von Preußen sie für 400000 Francs abkauft. 1822 brennt abermals das Kirchendach und mit großer Mühe und nicht ohne Beschädigungen wird das Altarbild unter einem Regen von schmelzendem Blei gerettet; 1826 restaurirt ein Maler Namens Lorent das Bild für 825 Francs und vollendet seine Arbeit 1828. 1834 wird die Kirchenverwaltung auf das Anstößige der Aufbewahrung der beiden Tafeln mit Adam und Eva auf dem Speicher der Domkirche aufmerksam gemacht, aber erst 1858 findet sie sich veranlaßt, darauf zu achten. 1861 endlich kauft die belgische Regierung diese beiden Tafeln und die Originale werden durch Copien ersetzt, gemalt von Layye, der die Lenden der Figuren mit Thierfellen bedecken mußte! Dazu schenkt die Regierung der Kirche auch die von Michel Coxcyen gemalten Copien, welche jetzt die Berliner Originale ersetzen.

„Der Sieg des neuen Glaubens oder die „Fons vitae“ befindet sich in der Trinitätsgallerie zu Madrid. Wir finden hier denselben Gedanken wieder, wie in dem Genter Altarbild und zwar gleichfalls als Meisterwerk, das die Kritik ziemlich einstimmig dem Hubert zuschreibt, wenigstens unbedingt in Betreff der Composition. [790] Dieser Altarschrein ist beinahe ebenso angeordnet, wie der zu Gent. Auf der Mitte des oberen Theiles sieht man Gott-Vater, den Segen ertheilend; rechts die Jungfrau, lesend; links Johannes Evangelist, die Augen auf ein offenes Buch geheftet, das auf seinem Schooße liegt. Die Stellungen sind, bis auf einige Kleinigkeiten, wie auf dem Genter Bild. Unter der Jungfrau und Johannes befinden sich musicirende Engel. Zu den Füßen Gott-Vaters liegt das Lamm und unter seinem Thron entspringt eine Quelle, deren Wasser in den, das Centrum des unteren Theiles bildenden Brunnen fällt. In diesem Brunnen steht ein Gefäß als Wasserbehälter, in welchen Hostien schwimmen. Rechts vom Brunnen sind die Repräsentanten des neuen Glaubens, links die des Judenthums. Zu beiden Seiten dieser Darstellung stehen lobsingende Engel in gothischen Thürmchen. Ueber der Gestalt Gott-Vaters ist ein kunstvoller Baldachin mit Zinnen, Bogenwölbungen, Strebepfeilern, Statuetten von Heiligen, symbolischen Thieren etc. Man sieht auch auf diesem Bilde jene beiden als Porträts der Brüder van E. geltenden Köpfe wieder, die sich auf der „Anbetung“ finden. Wir unserestheils halten hier wieder den oberen Theil des Werkes, sowie einige Köpfe in dem unteren Theile für Huberts Arbeit. Andere Figuren dagegen erinnern so sehr an Johannes’ Manier, daß man sich nicht irren kann. Die Geschichte dieses Altarschreins ist nicht bekannt. Ein spanischer Schriftsteller, Anton Pons, beschreibt ihn in seiner „Reise in Spanien“. Er hat ihn 1786 in einer Capelle der Kirche zu Valencia gesehen; doch hing er ursprünglich im Kloster Parral bei Segovia.

Die Louvre-Gallerie in Paris besitzt von v. E. eine Madonna mit dem Kinde, vor welcher Nicolas Rolin, Kanzler von Burgund, knieet. Dieses merkwürdige Bild war ehedem in der Frauenkirche in Autun, dem Geburtsort des Kanzlers. Im Hintergrund ist in reizender Perspective die Stadt Maestricht. – Baron Rothschild hat in seiner Sammlung eine „Jungfrau mit dem Kinde einen Dominicaner segnend“. Im Hintergrund eine Stadt. Diese Tafel ist in wundervollen Farben gemalt und hat Einzelheiten von solcher entzückender Feinheit, daß man nicht müde wird, sie zu bewundern.

Nach Alfred Michiels’ Angaben besitzt auch Frankreich einen Altarschrein von Joh. v. E. Derselbe findet sich in Beaune im St. Antonius-Hospital und stellt „das jüngste Gericht“ dar: es wäre dies gewissermaßen eine Vorarbeit zu dem Jüngsten Gericht in Danzig, mit welchem es in vielem vollkommen übereinstimmt. In der Gallerie in Neapel befindet sich ein „Heil. Hieronymus mit dem Löwen“, den man zuerst Colantonio del Fiore, dann Hubertus und jetzt Johannes zuschreibt. Man nimmt mit einigem Grund an, daß dies der von Vasari erwähnte heil. Hieronymus des Lorenzo Medici ist. Ebenfalls in Neapel in der Capelle des Castel nuovo wird dem Reisenden eine „Anbetung der Weisen aus dem Morgenlande“ gezeigt. Nach Alfred Michiels’ Dafürhalten wäre dieses Bild nebst der „Hochzeit des Arnolphini“ das schönste was Joh. v. E. gemalt hätte. Es wurde von dem Maler an König Alphons I. von Aragonien und Sicilien geschickt und begeisterte den Antonello von Messina in dem Grade, daß er sich augenblicklich nach Brügge begab, wo er, wie man weiß, von den beiden Brüdern Aufschluß über ihr Verfahren beim Malen erhielt.

Im Eremitagepalast zu St. Petersburg ist Joh. v. E. durch eine schöne „Verkündigung“ vertreten, die aus der Sammlung Wilhelms II. stammt. Es wird behauptet, daß Philipp der Gute dieses Werk für eine Kirche in Dijon bei dem Künstler bestellt habe. Einige bedeutende van Eycks sind verloren. Man kennt sie aus Rechnungen, Reiseberichten und gleichzeitigen Documenten; wir möchten hier noch einige davon nennen: „Maria mit dem Jesuskinde, einem Engel und St. Bernhard“ von Hubertus v. E.; so aufgeführt, wie schon oben [791] erwähnt in Erzherzog Ernsts Inventarium 1595. – Ein Triptychon von Johann v. E., beschrieben von Barth. Facius und einst im Besitz Alphons’ des Großmüthigen. Der Inhalt des Mittelstückes war eine Verkündigung, die Flügel stellten Johannes den Täufer und den heil. Hieronymus dar. – Das Portrait der Isabelle von Portugal in Aviz für Philipp den Guten gemalt. – Das Portrait des Joh. v. E., früher in St. Donatius in Brügge und Pendant zu dem Bilde seiner Gattin. – Die Weltkugel von Joh. v. E. für Philipp den Guten gemalt. – Die Anbetung der Weisen aus dem Morgenlande von Joh. v. E., ehedem in Venedig in Santa Maria dei servi. – „Frauen die aus dem Bade steigen“ von Joh. v. E. gehörten einem Cardinal Namens Octavian. „Une peinture de notre Dame et du Duc Philippe qui est venu de Maillardet couvert de satin … Fait de la main de Johannes“ (Inventar der Margarethe von Oesterreich). – „Une vierge par Maistre Johan le peintre“ (daselbst). – „Nicolo de Lampognano, mailändischer Kaufmann, mit seinem Geschäftsführer rechnend“, die Figuren in halber Größe, von Joh. v. E., datirt 1440. – Landschaft auf Leinwand gemalt: „Fischer die eben eine Fischotter gefangen haben, daneben zwei Figuren“, von Joh. v. E. – Die „Jungfrau mit dem Jesuskinde“ bestellt bei Joh. v. E. für die St. Martinskirche in Ypern. Nach Alfred Michiels ist dieses Bild 1864 verschwunden.

Wir machen hier besonders darauf aufmerksam, wie die van Eycks, wenigstens Johannes, sowol die heilige wie die Profangeschichte, Portraits, Genre, Landschaften, Stillleben und Intérieurs mit einer sich nie verleugnenden Meisterschaft gemalt haben. Die Perspective war den Brüdern wohlbekannt, wie es ihre reizenden Stadthintergründe zeigen, und die gothische Architektur, die sie, wie alles Uebrige, mit Meisterhand behandelt haben. Die Anatomie des menschlichen Körpers war ihnen ebensowenig fremd, und wenn einige ihrer nackten Figuren zu wünschen übrig lassen, so ist dies doch nie vom Standpunkte der Kenntniß des Körpers sondern nur der Gesammtwirkung, wovon man sich durch die Analyse der Figuren Adams und der Eva überzeugen kann.

Wir wollen zwar im Allgemeinen bei demjenigen, was den van Eycks nur aus Irrthum, Uebertreibung und Selbsttäuschung zugeschrieben ward, nicht verweilen, doch halten wir es für nützlich, diejenigen Bilder zu bezeichnen, die in öffentlichen Sammlungen den Namen der van Eycks usurpirt haben. Wir nennen ein Portrait im Museum zu Dijon, das, wie noch ein anderes Portrait auf grünem Grunde gemalt ist; – in Paris , im Louvre einige Zeichnungen; – in Wien in der kaiserl. königl. Gallerie eine St. Katharina, Maria mit dem Jesuskinde und ein vom Kreuze abgenommener Christus, alle drei dem Johannes zugeschrieben; – in Brügge der Christuskopf in der Akademie, von Johannes, – in Brüssel im Museum eine Anbetung der Weisen, die aus der Sammlung Van Rotterdam stammt und von der Wittwe Maertens Van Rotterdam erworben wurde; – in Madrid zwei Flügel, der eine 1430 datirt und gezeichnet: Henri Werlis; – im Rathhause zu Rouen eine „Jungfrau auf dem Thron mit dem Jesuskinde, umgeben von mehreren Heiligen“.

Margarethe v. E. nimmt in der Kunstgeschichte keinen irgendwie wichtigen Platz ein, doch möchte man nach der einzigen Nachricht, die über sie aus dem 16. Jahrhundert auf uns gekommen ist, glauben, daß sie ihn verdient hätte. Der Dichter-Maler Lucas de Heere sagt nämlich in seinem „Lobgedicht“ – das früher der Anbetung des Lammes gegenüber, in der St. Bavonskirche aufgehängt war – in zwei auf Hubert und seine Schwester bezüglichen Zeilen:

Hy rust begraven hier, de suster hem omtrent
Die met haer schilderye oock menich heeft verwondert.

[792] Hiernach scheint es unzweifelhaft, daß auch sie Talent besessen hat, groß genug um noch nach einem Jahrhundert von einem Dichter besungen zu werden, doch sucht man bis heute vergeblich nach irgend welchen Spuren ihres Schaffens und ist auf die haltlosesten Muthmaßungen angewiesen. Einige Schriftsteller machen sie zu einer berühmten Stickerin, andere zu einer geschickten Miniaturmalerin. Auf Hypothesen beschränkt, denken wir uns gerne Margarethe in dieser geheimnißvollen Werkstatt, wo Hubert durch Gedankenstrenge und Ueberlegenheit der Jahre herrschte und der jüngere und mehr realistische Johannes ihn ohne Zweifel zu seinen Auffassungen hinüber zu ziehen suchte, als das Band der Vereinigung zwischen der Ascetik des Einen und dem Naturalismus des Andern. Es liegt etwas begeisterndes in dem Gedanken einer so ruhmvollen Trinität, die auf die Kunstgeschichte einen strahlenden und nie erblassenden Heiligenschein wirft.

Der Grabstichel eignet sich wenig zur Vervielfältigung altdeutscher Bilder; auch wüßten wir unter den Nachbildungen van Eyck’scher Werke keine hervorragende Arbeit auf diesem Gebiete zu nennen. Die Radir- und Schneidenadel sind der Art beider Brüder v. E. mehr angemessen und haben ihre Werke außerordentlich und in jedem Format verbreitet. Die englische Arundelgesellschaft hat in Chromolithographie sehr großartige Nachbildungen der Hauptstücke des Genter Altarbildes herausgegeben; noch andere Nachbildungen derselben Art sind veröffentlicht worden. Auch die Lithographie hat, namentlich in Belgien, sehr dazu beigetragen, die Werke dieser Fürsten der flämischen Malerei volksthümlich zu machen. Unter den Darstellungen in Linienstich-Manier sind die oben genannten von E. Förster hervorzuheben. Der Strich ist durch einige Schraffirungen verstärkt, um das Spiel der Lichter mehr hervortreten zu lassen. Seit ein paar Jahrzehnten hat die Photographie außerordentlich dazu beigetragen, die van Eycks populär zu machen, kurz, es haben alle Vervielfältigungsarten sich damit befaßt, ohne daß es gelungen wäre, eine wirklich ausgezeichnete und typische Nachbildung zu schaffen. Auch die beiden durch van Vaernewyck zu Portraits gestempelten Bilder sind in jeder Weise nachgebildet, ohne daß etwas wirklich Schönes wie bei so manchem unbedeutenderen Meister dabei herausgekommen wäre. Der reichhaltigste Nachweis über die Nachbildungen findet sich in den Katalogen von R. Weigel. Die Litteratur über die van Eycks ist sehr umfangreich, doch machen von Cyriacus von Ancona bis auf unsere Zeit herab Vermessenheit und Unwissenheit sich darin gleich breit. Erst seit etwa dreißig Jahren sind wirklich bedeutende Arbeiten erschienen, unter denen, was die Behandlung des Geschichtlichen betrifft, die von James Weale und von Alexander Pinchart obenan stehen. Nach ihnen sind die Schriften von Waagen, Passavant, Crowe, Cavalcaselle, Graf de Laborde und Alfred Michiels dankbar anzuerkennen. Die ästhetische Seite haben u. A. Hotho, Rathgeber und Förster sowie Frau Schopenhauer mit Glück und Geschick behandelt, wenngleich sie mitunter zu metaphysischen und dunkeln Betrachtungen abschweifen. Waagen hat sich öfters geirrt, sich selbst widersprochen und sich bloßgestellt. Der den van Eycks gewidmete Band von M. A. Michiels’ leidenschaftlichem und weitschweifigem Werke über die „Geschichte der flämischen Malerei“ ist der beste daraus, und man liest ihn nicht ohne Nutzen, da er alle auf diese Künstlerfamilie bezüglichen Documente und über sie ausgesprochenen Meinungen enthält. Auch auf Kramm’s sehr wortreiches Buch sei noch verwiesen. Wir übergehen die Arbeiten von Luc de Heere, Fiorillo, Van Mander, Weyermann, Descampes u. a. spätere, welche meistens nur ihre Vorgänger ausgeschrieben haben; ebenso die zahllosen Artikel der deutschen und belgischen Zeitschriften, darunter Aufsätze von Heris, Carton, van Hasselt, Ruelens voll von Kenntniß und guten Beobachtungen, wenn sich auch über die Auffassungen streiten ließe. Frankreich hat [793] sich wenig mit den van Eycks beschäftigt, die Engländer höchstens gelegentlich, um einen neu entdeckten van E. zu beglaubigen, einen Ankauf zu fördern, oder eine Privatgallerie zu verherrlichen.

Zur Zeit der Renaissance, als die altdeutsche Kunst in Mißcredit gekommen war und zwar bis zu dem Grade, daß selbst Rubens sie später mit Geringschätzung die barbarische Kunst nannte, wurden die van Eycks schlecht bezahlt. Diese, den Geschmack unserer Vorfahren wenig ehrende Ungunst dauerte lange, denn noch 1761 wurde im Haag eine Anbetung der Weisen von Hubertus für 96 Fl. verkauft; 1740 eine heilige Familie von demselben für 15 Fl.! Erst zu Anfang unseres Jahrhunderts änderten sich die Ansichten, und endlich nach jahrhundertlanger undankbarer und kritikloser Vergessenheit widerfuhr den gewaltigen Meistern und Führern niederländischer Schule Gerechtigkeit. Jetzt wurden ihre Bilder gesucht und sorgfältig bewahrt und man trifft nur selten noch eines zum Verkauf. 1850 wurde die „Verkündigung“ aus der Sammlung Wilhelms II. um 11280 Frcs. verkauft. Bei demselben Verkauf wurde die Madonna von Lucca für 6000 Frcs. erstanden. Die Tafel hat eine Höhe von 64 Centimetern auf 47 Breite. – Bei der Auction Stolberg in Hannover 1859 wurde die Jungfrau mit dem Kinde, umgeben von drei Figuren, für 4634 Frcs. gekauft. Adam und Eva aus der Gallerie zu Brüssel wurden von der Regierung unter den Preis noch bedeutend steigernden Bedingungen für 50000 Frcs erworben. Heut zu Tage würde ein echter van E. von noch so kleinem Umfang einen unschätzbaren Werth haben. Wir haben Bilder gesehen von 20–30 Centimetern Größe, die zu 15 und 20000 Frcs. ehrlich taxirt wurden. Zu welchem Preise sollte man danach den Altarschrein in Gent, das Jüngste Gericht in Danzig oder die „Fons vitae“ in Madrid schätzen?


[778] *) Zu Seite 458; vergl. die Bemerk. auf Seite 467.