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ADB:Förster, Ernst

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Artikel „Förster, Ernst“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 655–661, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:F%C3%B6rster,_Ernst&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 02:08 Uhr UTC)
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Förster: Ernst F., Historienmaler, Kunstschriftsteller und Dichter, geboren am 8. April 1800 zu Münchengosserstädt an der Saale als der Sohn des dortigen Pfarrers Karl Christoph F., studirte am Gymnasium zu Altenburg, dann auf der Universität zu Jena (wo seine Immatriculationsurkunde zu Ostern 1818 noch von Goethe contrasignirt wurde), welche er nebst seinem älteren Bruder Friedrich F. (1793–1868 s. A. D. B. VII, 185) mit Berlin vertauschte, wo er durch theologische und philosophische Studien von 1819–22 den Grund legte zu einer umfassenden Bildung, welche ihm zeitlebens zu statten kam. Durch eine Abhandlung „De expeditione Bacchi in Indiam“ errang F. nicht allein den großen Preis, sondern außer der Belobung noch ein Geldgeschenk, welches zu einer Herbstwanderung nach dem Süden und insbesondere zum landschaftlichen Studienzeichnen verwendet werden sollte. Die schönen Tage, die F. mit dem jungen Fürsten v. Schwarzenberg (dem nachmaligen „Landsknecht“) und dem Grafen Franz Colloredo-Mannsfeld verbrachte, wurden zu Claußen in Tirol durch einen Grenzjäger unterbrochen, welcher den vorschriftsmäßigen Paß nicht ganz in Ordnung wähnte und in dem harmlosen Touristen das Signalement eines gefährlichen Verbrechers witterte. Der seine Unschuld mit äußerster Entrüstung vertheidigende Jüngling wurde „auf höheren Befehl“ polizeilich aufgehoben, ob seiner Widersetzlichkeit in empörender Weise, mit einem wirklichen Züchtling an eine Kette geschlossen, bei strömendem Regen und empfindlicher Kälte, auf einem offenen Wägelchen nach Innsbruck geschubt, wo sich der „Irrthum“ zwar aufklärte, der unverantwortlich Mißhandelte aber keine andere Satisfaction erhielt, als daß er in anständiger Begleitung an die bairische Grenze gesetzt wurde. Todkrank gelangte F. nach München, wo er zwei Monate lang bei einem „Gastgeber“ lag, und in dieser Zeit die theilnehmende Hülfe des edlen Cornelius genoß (vgl. die ausführliche Erzählung über diese Begebenheit in der „Gartenlaube“, 1864, S. 88 und in Förster’s Buch über Cornelius, 1874, S. 333). Nach Durchsicht seines Skizzenbuches gab Cornelius dem autodidactischen Zeichner den erfreulichen Rath, „die Gelehrsamkeit an den Nagel zu hängen“. Indessen dachte F. nach seiner Genesung doch seine Studien in Berlin fortzusetzen, wo er indessen auch bei Carl Zimmermann zeichnete. Im Begriff an die Dresdener Akademie zu gehen, wurde er 1818 durch W. Wach und die beiden Schadow an Cornelius gewiesen. Bald darauf kam F. nach Düsseldorf und dann nach Bonn, um mit C. Hermann und J. Götzenberger (Januar 1824 bis Herbst 1825) an den die „Theologie“ vorstellenden Fresken in der Universitätsaula zu malen. Auch hier wurde F. eines schönen Tages, unmittelbar vor dem Bilde, wegen angeblicher Theilnahme am „Tugendbund“ verhaftet, durch Niebuhr jedoch, welchem er sein Ehrenwort gab, nichts davon zu wissen, am folgenden Tage wieder in Freiheit gesetzt, wozu die Erlaubniß übrigens erst nach vier Wochen aus Berlin eintraf. Im J. 1825 ging F., nach einem vierwöchentlichen Abstecher nach Paris und Belgien, mit Cornelius nach München; die Wanderung führte über [656] Weimar, wo F. Zutritt bei Goethe erhielt und diesem eine Skizze der „Theologie“ vorlegte und erläuterte, auch ein Porträt Goethe’s zeichnete (vgl. Förster’s Schilderung in der „Gartenlaube“, 1864, S. 420 ff., wozu Eugen Neureuther eine anmuthige Skizze mit den Bildnissen von Goethe, dessen Schwiegertochter und den beiden Enkeln, auch von Zelter u. A., zeichnete). In München wurde das erste die „Befreiung des deutschen Heeres in der Veroneserklause durch Otto v. Wittelsbach“ darstellende Freskobild in den „Arcaden“ des Hofgartens an F. übertragen (eine kleine Wiederholung als Oelbild in der Neuen Pinakothek; den schön gezeichneten Carton stiftete F. später in das Germanische Museum nach Nürnberg). F. löste diese Arbeit in anerkennungswerthester Weise und malte auch die gegenüber befindlichen allegorischen Figuren der „Stärke“ und des „Krieges“. Das Programm zu diesem, außer F. von Clemens Zimmermann, Röckel, E. Stürmer, Carl Hermann, Stilke, Hiltensperger, Lindenschmit, Schilgen, Gaßer, Eberle, Ph. Foltz, Monten, Schorn und W. Kaulbach, gemalten Cyklus hatte F. entworfen und ausgearbeitet; wie populär diese Darstellungen geworden, beweist die heute noch wahrnehmbare Theilnahme des Publicums für diese neuestens durch August Spieß pietätvoll restaurirten Bilder. Dann betheiligte sich F. an den Fresken des Neuen Königbaues (Residenz) und führte mehrere Bilder nach W. Kaulbach’s Compositionen im Goethesaal und zu Wieland’s Musarion und die Grazien aus, wendete sich aber, weil ihm nach seiner Ansicht „die Grundbedingung des rechten Künstlers, der schöpferische Formsinn, abgehe“, mit Entschiedenheit zur Schriftstellerei und kunstwissenschaftlichen Forschung, wofür die bisherigen praktischen Vorstudien den besten Beistand leisteten. Vorerst wurde F. auch auf das litterarhistorische, biographische und belletristische Gebiet geführt und zwar durch seine, im Herbst 1826 vollzogene Verheirathung mit Emma, der ältesten Tochter des Dichters Jean Paul Fr. Richter, dessen uns heutzutage schwer verständliche Dichtungen in Förster’s Hause lange Zeit mit emphatischer Begeisterung gelesen wurden. Es gab eigene Conventikel, bei welchen zarte, gleichgestimmte schöne Seelen in die Schriften dieses gefühlvollen Dichters sich versenkten, dabei schwärmten, weinten, lachten und diesem Cultus mit religiöser Inbrünstigkeit oblagen. F. gab den Briefwechsel seines seligen Schwiegervaters mit Otto heraus („Wahrheit aus Jean Pauls Leben“, 1826–1833), die „Politischen Nachklänge“ (Wiedergedrucktes und Neues. Heidelberg 1832), den „Litterarischen Nachlaß“ (Berlin 1836–1838, Bd. LXI-LXV der sämmtlichen Werke); dann folgte die Veröffentlichung des „Papierdrachen“ (Frankfurt 1845) und später noch die „Denkwürdigkeiten aus Jean Paul’s Leben“ (München 1863). Den weiteren handschriftlichen, in die Werkstätte des Dichters überraschendsten Einblick gewährenden Nachlaß Richter’s, alle seine Briefbücher, die endlosen Excerptenhefte, die sogenannten Zettelkästen, kurz den ganzen ungeheuren, unbegreiflichen Apparat deponirte F. schließlich im Germanischen Museum zu Nürnberg, wo künftig einmal ein geduldiger, über endlose Freizeit gebietender Litterarhistoriker die letzten Goldkörner aus dieser namenlosen Spreu heraussieben mag.

Eine neue Richtung erhielt der vorwiegend zu historischen Studien geneigte Sinn Förster’s durch den beglückenden Auftrag des damaligen Kronprinzen Maximilian, eine Sammlung von Handzeichnungen nach den älteren italischen Meistern anzulegen. Damals, wo noch der Holzschnitt darniederlag und keine der heute so zahlreich blühenden Reproductionsmethoden aufgetaucht war, eine unschätzbare Aufgabe! Mit den beiden jüngeren Freunden Claudius Schraudolph (1813–1891) und dem trefflichen Joseph Anton Fischer (1814 bis 1859), welche mit gleichgroßem Fleiß und innigstem Verständniß die [657] Temperabilder und Fresken der Praeraphaeliten zeichneten, während der freilich nicht diplomatisch gebildete F. in Domregistraturen und Archiven ziemlich dilettantisch forschte, gelang es, in verhältnißmäßig kurzer Zeit einen Schatz zu sammeln, welchen F. in seinen späteren Publicationen ausgiebig verwerthete. Als erste Frucht dieser Studien erschienen die „Beiträge zur neueren Kunstgeschichte“ (Leipzig 1835), eine sehr anregende und verdienstliche Arbeit über Niccolo Pisano, den Altar in S. Jacopo zu Pistoia, ältere Malereien zu Pisa und Lucca, über Giotto und Simon di Martino, Ambrogio Lorenzetti u. s. w., welche als dankbare Vorstudien zur späteren italischen Kunstgeschichte Material lieferten (vgl. Reumont in Nr. 6 und 7 Stuttgarter „Kunstblatt“, 1886), wofür die Universität Tübingen den Autor durch Verleihung des Doctortitels auszeichnete. Dann folgte der Bericht über die (von F. gelegentlich einer neuen mit dem Grafen Raczynski im J. 1837 unternommenen Fahrt) unter der dicken Tünche entdeckten köstlichen „Wandgemälde der Georgencapelle zu Padua“ (Berlin 1841 mit 14 Tafeln; auch in italienischer Uebersetzung von P. E. Selvatico, Padova 1846). Uebrigens hatte F. der künstlerischen Thätigkeit nicht völlig entsagt; er componirte, zeichnete und malte, übertrug manche Blätter auf den Stein und lieferte auch später noch zu seinen Prachtwerken viele Platten im trefflichen Cartonstich. Von eigenen Bildern erschienen in den Ausstellungen des Kunstvereins eine Apotheose des „Befreiten Griechenland“ (im Besitz des Herzogs von Meiningen), eine Scene aus dem „Hohen Liede Salomons“ (1830), die „Tempel zu Paestum“, ein Genrestück „Aus dem Leben Giotto’s“, eine Aussicht vom Vesuv und die „Marien am Grabe“ (1831); der „Wanderer“ nach Goethe (1832) und als enkaustisches Bild „Der König von Thule“ (1835); das Porträt des Dr. Andr. Röschlaub (1836); eine Bleistiftzeichnung nach dem in der Galerie Fesch zu Rom befindlichen „Jüngsten Gericht“ von Fra Angelico (König Johann von Sachsen) und noch 1858 eine Zeichnung nach dem Genter Altarwerk der Brüder Van Eyck. Auch lieferte F. Zeichnungen zu Nilson’s „Pantheon der deutschen Geschichte“ und viele Porträts, darunter das Bildniß des Herzogs Josef von Altenburg und dessen Gemahlin.

Indessen gewann die Feder doch bald wieder die Oberhand über Stift und Palette. München begann sich als Kunststadt zu fühlen, der Ruf von König Ludwig’s Schöpfungen zog Neugierige und Wanderlustige an; der Strom von Reisenden kam allmählich in Fluß. F. verfaßte einen „Leitfaden zur Betrachtung der Wand- und Deckenbilder des neuen Königsbaues“ (1835), welcher bald zu einem „Handbuch für Fremde und Einheimische“ anwuchs und im Verlage der Litterarisch-artistischen Anstalt (Cotta) eine Reihe von stetig erweiterten Auflagen erhielt. Gleichen Erfolg hatte sein „Handbuch für Reisende in Italien“, wozu der Verfasser auf vielfachen Kreuz- und Wanderzügen das beste Material gesammelt hatte; das Werk erlebte acht Auflagen und ist jetzt nur durch den trefflichen Gsell-Fels überboten. Auch sein „Handbuch für Reisende in Deutschland“ erfreute sich, ob der vorherrschend künstlerischen Anleitung, eines gleichen Beifalls. Weniger populäres Interesse erregten die „Briefe über Malerei in Bezug auf die Gemäldesammlungen zu Berlin, Dresden und München“ (1838). F. schrieb auch eine lange Reihe interessanter Correspondenzen in die damalige Augsburger „Allgemeine Zeitung“, in das Stuttgarter „Kunstblatt“, dessen Redaction er mit Franz Kugler gemeinsam von 1842 bis 1849 führte; auch übernahm F. nach Ludwig Schorn’s Tode (1842) die von diesem feinfühligen Forscher begonnene Uebersetzung und Erläuterung des „Vasari“ (1843–1849, Stuttgart), eine Arbeit, die auch förderlich für [658] italienische Kunsthistorie wirkte. Sehr gerne griff F. in die immer wohlgestimmten Saiten seiner Harfe, würzte alle Ehrentage und Feste der damaligen Münchener Künstler mit begeisterten Reden in gebundener Form – eine Sammlung seiner lyrischen „Gedichte“ erschien 1854, darunter das berühmt gewordene von Stuntz componirte „Walhalla-Lied“. – F. gebot auch über einen klangvollen, gewinnenden Vortrag. Im höheren Lehramt hätte F. mit seinem Enthusiasmus alle Zuhörer gepackt und hingerissen. Leider blieb ihm eine solche Wirksamkeit an der Universität verwehrt, weil damals die Kunstwissenschaft ebenso wie die deutsche Litteraturgeschichte nur mit classischer Philologie und Archäologie verbunden, immer aber aschenbrödelhaft behandelt wurde. Einem jungen Besitzer des Doctorgrades, welcher sich gerade vor fünfzig Jahren für diese Fächer als armer Privatdocent bewerben wollte, wurde damals noch von maßgebender Seite bedeutet, daß, wenn man auf so untergeordnete Disciplinen Rücksicht nehmen wollte, die Universität alsbald von einem wahren „Docenten-Proletariat“ „überschwemmt“ werde! – Außer Kugler’s „Handbuch“ der allgemeinen Kunstgeschichte (1842) gab es noch kein namhaftes Compendium – Lübke’s „Grundriß“[WS 1] erschien erst 1860. So war es denn wirklich ein namhaftes Unternehmen, als F. mit einer „Geschichte der deutschen Kunst“ („Das Deutsche Volk in Vergangenheit und Gegenwart“, Leipzig 1851–1860, Bd. VIII-X und XXIII-XXIV und als besondere Ausgabe 1860 in 5 Bänden) begann, nachdem er schon 1855 mit einer den Autor wie den Verleger gleich ehrenden Zuversicht, das große Prachtwerk „Denkmale deutscher Kunst von Einführung des Christenthums bis auf die neueste Zeit“ (Leipzig, bei T. O. Weigel) eröffnet hatte. Dieses mit 100 Lieferungen in zwölf stattlichen Folianten erst 1869 abgeschlossene, mit trefflichen Stichen reich ausgestattete Unternehmen (eine Volksausgabe in Quartformat erschien 1877 bis 1879 unter dem Titel „Deutsche Kunst in Bild und Wort“ mit neubearbeitetem Text) behandelte ebenmäßig die Schöpfungen der deutschen Baukunst, Plastik und Malerei in ihren besten und edelsten Erzeugnissen und bahnte mit wissenschaftlicher Kritik und liebevollem Erschließen, durch eine anmuthende schöngewählte Sprache ein tieferes Verständniß für weitere Kreise. Immer bestrebt, Neues zu bringen, wendete F. seine Sorgfalt auf die in Italien und Spanien zerstreuten Werke deutscher Malerei; dabei kamen ihm seine schon frühzeitig in Italien gesammelten Erfahrungen wohl zunutze. Inbetreff Spaniens mußte er sich mit damals noch schwer erreichbaren Photographien behelfen, doch wußte er eine Ansicht von Hubert’s van Eyck „Fons vitae“ (Bd. VI, 1860) und des sogenannten Holbein aus Lissabon (Bd. VII, 1861) zu erhalten. Neues nach dem damaligen Stande der Wissenschaft kam zu Tage über Michel Pacher v. Brunecken, über den Codex Grimani zu Venedig, wobei F. die verschiedenen an der Herstellung desselben mitwirkenden Hände festzustellen suchte (Bd. XI, 1867) und insbesondere über den herrlichen Meister Gerard David (Bd. XII, 1869), zu dessen bleibender Einführung in das Gebiet der Kunstgeschichte F. die Wege anbahnte. Er genoß überhaupt das nicht Jedem beschiedene Glück, die in einem langen Leben mit großem Fleiß angesammelten Vorräthe ruhig und behaglich verarbeiten zu können. So erschien sein gerade nicht ganz unanfechtbares, aber doch höchst anziehendes Buch über „Raphael“ (Leipzig 1867 und 1868 in 2 Bänden bei T. O. Weigel) mit dem von Gonzenbach gestochenen, durch Herman Grimm wieder in Frage gestellten Selbstporträt des großen Urbinaten. Man kann nach H. Grimm’s Vorgang das kritische Messer schärfer handhaben und die ätzende Skeptik des Wissens grausamer gebrauchen, auch auf der Parforcejagd nach Hypothesen dem gewagtesten Sport huldigen, ohne an Innigkeit und Wärme des Verständnisses [659] zu gewinnen. Gerade nach dieser Hichtung wirkt Förster’s Arbeit so erfreulich und packend; er sah überall mit dem Auge des werkthätigen Künstlers. Wie ehrenwerth und wacker hat F. in seiner Wanderung durch die Umbrische Mark, wobei der landschaftlich-historische Hintergrund wohlthuend hereinglänzt, den alten Vater Giovanni Santi herausgearbeitet und, nächst Passavant, zur gebührenden Ehrung gebracht! Ueberall führt dem Autor der Maler die Feder, der doch mit hellerem und unbefangenerem Auge sieht, als der häufig nach vorconstruirten Theorien räsonnirende stubengelehrte Tintenfisch. Dabei ist freilich nicht zu verschweigen, daß Förster’s spätere Arbeiten doch eine gewisse Ermüdung zeigen, welche die im Gebiete der Forschung massenhaft, wenn auch nicht immer stichhaltig auftauchenden Conjecturen, Resultate und Lehrmeinungen nicht mehr zu bewältigen vermag und denselben lieber, oft auch in feindseliger Stimmung, aus dem Wege geht.

Im Anschluß an die „Denkmale der deutschen Kunst“ begann F. die Herausgabe der „Denkmale italischer Malerei“ (Leipzig, 1870–1882 in 4 Bänden). Die Dedication trägt den Namen König Ludwig II., welcher das Werk großmüthig subventionirte und das für den früheren Kronprinzen Maximilian angesammelte ganze Material zur vollen Verfügung stellte. An den 200 Folioplatten arbeiteten die Kupferstecher Merz, Gonzenbach, H. Walde, Robert Schleich; auch F. führte dabei die Radirnadel. Das Werk bietet, abgesehen von dem durch feinfühlige Schilderungen ausgezeichneten Text, einen Schatz von guten Abbildungen nach praeraphaelitischen Meistern (die Namen seiner früheren Gehülfen Jos. Anton Fischer und Claudius Schraudolph sind dabei nicht erwähnt; vielleicht hatte er ihre Mitwirkung vergessen oder war nicht mehr im Stande, ihre Hände zu unterscheiden). Eine Volksausgabe davon wäre immer noch wünschenswerth. Beinahe gleichzeitig erschien Förster’s „Geschichte der italischen Kunst“ (Leipzig 1869–1878 in 5 Bänden), welche durch das lange vorbereitete und auf colossaler Forschung aufgebaute, ergiebige Quellenwerk von Crowe und Cavalcaselle durchkreuzt wurde. F. zog unbeirrt seine Wege weiter, jede Polemik, wozu die nur zu geräuschvoll auftretenden Dioskuren tausendfältig reizten, sorgsam vermeidend. Das sichtliche Bestreben, sich von den oft wohlverschanzten und schwer errungenen Resultaten jüngerer Forscher unbeeinflußt und möglichst frei zu halten, benahm (wie z. B. bei den Abschnitten über Michel Angelo Buonarotti und Lionardo da Vinci fühlbar wird) die Sicherheit und apodictische Schärfe, die F. sonst so gerne zum Ausdruck brachte. Auch baute er bei Inscriptionen und Archivalien vielleicht zu sicher auf seine frühere Philologie, welche mit den neueren Resultaten doch in Collision gerathen mußte. Dabei bleibt aber der große, zusammenhaltende, streng historische Zug, der bei pragmatischer Vertiefung nur zu leicht dem Specialforscher abhanden kommt, immer beachtenswerth.

Förster’s Name genoß in Italien ein wohlverdientes Ansehen. Als zum endlichen Abschluß der Florentiner Domfaçade ein internationales Comité zusammenberufen wurde, erging auch an F. die Einladung zur Jury, wobei dieser in edler Mannhaftigkeit an die originellen von dem Schweizer Joh. Georg Müller (1822–1849) im J. 1844 ausgearbeiteten Projecte erinnerte, freilich vergeblich, da die großen schöngezeichneten Aufrisse spurlos schon lange verschwanden. Erhalten blieb nur eine unzureichende kleine Reproduction, welche F., als Biograph und Herausgeber von Müller’s Nachlaß (St. Gallen, 1851) eingehend schilderte. – Eine frühere Reise hatte F. durch Frankreich nach England geführt, wo er auf den Schlössern und Edelsitzen der stolzesten Aristokratie offene Aufnahme fand und als Kunstexpert berathen wurde (vgl. seine „Vermischte Schriften“, Bd. I, München 1862: „Reisen in Italien, [660] England und Schottland“, dazu „Reise durch Belgien nach Paris und Burgund“, Leipzig 1865).

Ganz als der Alte und mit voller Kraft bewährte sich F. mit seiner zweibändigen Monographie über „Peter Cornelius“ (Berlin 1874 bei G. Reimer). Mit vollberechtigtem Feuer spricht F. als Augenzeuge jener schönen und großen, der heutigen Gegenwart schon wieder entrückten oder völlig vergessenen und unbekannten Zeit und von der damaligen Regeneration der deutschen Kunst; wer dazu die Hand geboten oder mitgeholfen und nach bestem Können und Wissen mitgeschaffen, empfängt hier auch die gebührende Ehrung. Der in den ruhmreichen deutschen Kriegen angefachte Geist zur Befreiung aus der corsischen Gewaltherrschaft klang ebenso mächtig und siegreich aus den verwandten Gebieten der Poesie und Kunst, welche Werke erzeugte von unvergänglichem Werthe. Hierüber zu berichten war F., wie wenige seiner Zeitgenossen, der rechte Mann: die Traditionen zu sammeln und der Nachwelt zu überliefern, welche später diese Periode mit besserer Nutzanwendung studiren wird, da den Epigonen Sinn, Wille und Verständniß entschwanden. Folgegerecht ging F. daran, seine eigenen Erlebnisse in Schrift zu bringen. Der Verfasser war mit den Besten seiner Zeit in mannigfache Berührung gekommen, hatte auf fortwährenden Reisen viele Lande und alle Fachgenossen persönlich kennen gelernt, an allen hervorragenden Erscheinungen und Zeitfragen theilgenommen. Unvergeßlich bleibt mir seine, die ganze Seele durchbebende Erregung bei der Kunde der Uebergabe von Sedan, wie der würdige Greis mit dem ewig frischen Herzen Gott dankte, auch diesen Tag noch erlebt zu haben! – Durch seine Rede ging immer ein äginetischer Schwung, sein Geist erwärmte und zündete. Er hatte eine Elasticität bewahrt, welche jeden Nähertretenden wohlthätig ergriff; das bewies sich z. B. bei den „Zwanglosen“, wo er seit Jahrzehnten als Vorsitzender waltete, ja gleichsam als der Vater dieser Gesellschaft, welche eine solche Menge von geistigen Capacitäten aus dem Bereiche der Kunst, Wissenschaft, Dichtung und exacten Forschung vereinte. – In seinem langen Leben war manch schwere Wolke über sein kleines, in der Schellingstraße erbautes Haus gegangen, wo er mit der Aussicht über ein bescheidenes Gärtchen in einer Mansarde ein behagliches Arbeitszimmer aufgeschlagen hatte. Er gab vielen Kindern und drei Frauen das Grabgeleite. Der plötzliche Verlust seiner letzten Gattin erschütterte den edlen Mann ins Innerste; nach wenigen Monaten schloß er am 29. April 1885 sein klares, helles Auge.

Sein von W. v. Kaulbach gezeichnetes Bildniß ist in einem trefflichen Stiche Gonzenbach’s dem Bd. XII der „Denkmale deutscher Kunst“ beigegeben. F. gehört zu den wenigen und seltenen Charakterköpfen, die zeitlebens sich und ihren Idealen treu blieben und bis zum Ende bewährten.

Sein jüngster überlebender Sohn, der k. b. Oberstlieutenant a. D. Brix Förster, welcher durch seine Forschungen über Deutsch-Ostafrika (Leipzig 1890 bei F. A. Brockhaus) einen ausgezeichneten Namen als Geograph gewann, hat mit dem Buche „Das Leben Emma Förster’s“, seiner Mutter, der Tochter J. P. Fr. Richter’s, ein anziehendes schönes biographisches Denkmal (Berlin 1889) gesetzt und den „Siebenkäs“ seines Großvaters Jean Paul Richter (ebd. 1891) in neuer Bearbeitung herausgegeben.

Ein Theil von Ernst Förster’s artistischem Nachlaß wurde am 20. Juli 1885 durch Sachse’s Kunstauction zu Berlin ausgeboten. Förster’s Bibliothek erwarb der Antiquar Th. Ackermann 1886 (Nr. 170 s. Kataloge).

Vgl. Nekrolog in Beilage 154 d. „Allgem. Zeitung“ vom 5. Juni 1885. – Krell in der „Zeitschrift des Kunstgewerbe-Vereins“, München 1885, S. 101 ff. – H. Reidelbach, König Ludwig I., München 1888, [661] S. 186 u. 202. – Sepp, Ludwig Augustus, Regensburg 1903, S. 352, 598, 625, 672, 681 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: „Gundriß“